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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. III. Capitul.
ist, daß die Bedienung, die man bißher den Cdelleu-
ten zugeeignet, fast nicht mehr hinlänglich seyn wol-
len, alle diejenigen, die deren begierig oder benöthi-
get, zu versorgen, und mancher auch wegen seiner
schlechten Einkünffte nicht in dem Stande ist, einen
adelichen Staat zu führen, so wird einer und der an-
der gezwungen, sich auf etwas zu appliciren, und ge-
wisse Aemter, Gradus Academicos, oder Verrich-
tungen zu erwehlen, die biß anhero unter dem Adel
nicht Mode gewesen, und man bürgerliche zu nennen
pflegt. Wie nun dergleichen Entschluß manchen
Leuten, denen es an gehöriger Scharfsinnigkeit
fehlt, ungewöhnlich und wunderseltzam vorkommt,
auch dahero manchen besondern Urtheilen unter-
worffen wird; Also wird nicht undienlich seyn, an
gegenwärtigen Orte, eine und die andere vernünffti-
ge Betrachtung darüber anzustellen.

§. 33. Vorerst setze ich dieses zur Regel, daß ein
junger Cavalier, so viel als möglich, seine Handlun-
gen so einrichte, damit er sich und seinen Zustand
vollkommner mache, und hingegen alles unterlasse,
was ihm entweder in der That und Wahrheit, oder
doch nur dem Schein, und der irrigen Opinion der
Welt nach, unvollkommner macht. Der Schein
und die Einbildung der Menschen, ob sie schon kei-
nen Grund hat, würckt hier eben so viel, als die
Wahrheit. Da die Welt in ihrem Verstand
gröstentheils verblendet, die Jrrthümer hegt und
vertheidigt, und sich davon nicht will abbringen las-
sen, so muß auch ein vernünfftiger Mensch bey sei-

ner

I. Theil. III. Capitul.
iſt, daß die Bedienung, die man bißher den Cdelleu-
ten zugeeignet, faſt nicht mehr hinlaͤnglich ſeyn wol-
len, alle diejenigen, die deren begierig oder benoͤthi-
get, zu verſorgen, und mancher auch wegen ſeiner
ſchlechten Einkuͤnffte nicht in dem Stande iſt, einen
adelichen Staat zu fuͤhren, ſo wird einer und der an-
der gezwungen, ſich auf etwas zu appliciren, und ge-
wiſſe Aemter, Gradus Academicos, oder Verrich-
tungen zu erwehlen, die biß anhero unter dem Adel
nicht Mode geweſen, und man buͤrgerliche zu nennen
pflegt. Wie nun dergleichen Entſchluß manchen
Leuten, denen es an gehoͤriger Scharfſinnigkeit
fehlt, ungewoͤhnlich und wunderſeltzam vorkommt,
auch dahero manchen beſondern Urtheilen unter-
worffen wird; Alſo wird nicht undienlich ſeyn, an
gegenwaͤrtigen Orte, eine und die andere vernuͤnffti-
ge Betrachtung daruͤber anzuſtellen.

§. 33. Vorerſt ſetze ich dieſes zur Regel, daß ein
junger Cavalier, ſo viel als moͤglich, ſeine Handlun-
gen ſo einrichte, damit er ſich und ſeinen Zuſtand
vollkommner mache, und hingegen alles unterlaſſe,
was ihm entweder in der That und Wahrheit, oder
doch nur dem Schein, und der irrigen Opinion der
Welt nach, unvollkommner macht. Der Schein
und die Einbildung der Menſchen, ob ſie ſchon kei-
nen Grund hat, wuͤrckt hier eben ſo viel, als die
Wahrheit. Da die Welt in ihrem Verſtand
groͤſtentheils verblendet, die Jrrthuͤmer hegt und
vertheidigt, und ſich davon nicht will abbringen laſ-
ſen, ſo muß auch ein vernuͤnfftiger Menſch bey ſei-

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[90/0110] I. Theil. III. Capitul. iſt, daß die Bedienung, die man bißher den Cdelleu- ten zugeeignet, faſt nicht mehr hinlaͤnglich ſeyn wol- len, alle diejenigen, die deren begierig oder benoͤthi- get, zu verſorgen, und mancher auch wegen ſeiner ſchlechten Einkuͤnffte nicht in dem Stande iſt, einen adelichen Staat zu fuͤhren, ſo wird einer und der an- der gezwungen, ſich auf etwas zu appliciren, und ge- wiſſe Aemter, Gradus Academicos, oder Verrich- tungen zu erwehlen, die biß anhero unter dem Adel nicht Mode geweſen, und man buͤrgerliche zu nennen pflegt. Wie nun dergleichen Entſchluß manchen Leuten, denen es an gehoͤriger Scharfſinnigkeit fehlt, ungewoͤhnlich und wunderſeltzam vorkommt, auch dahero manchen beſondern Urtheilen unter- worffen wird; Alſo wird nicht undienlich ſeyn, an gegenwaͤrtigen Orte, eine und die andere vernuͤnffti- ge Betrachtung daruͤber anzuſtellen. §. 33. Vorerſt ſetze ich dieſes zur Regel, daß ein junger Cavalier, ſo viel als moͤglich, ſeine Handlun- gen ſo einrichte, damit er ſich und ſeinen Zuſtand vollkommner mache, und hingegen alles unterlaſſe, was ihm entweder in der That und Wahrheit, oder doch nur dem Schein, und der irrigen Opinion der Welt nach, unvollkommner macht. Der Schein und die Einbildung der Menſchen, ob ſie ſchon kei- nen Grund hat, wuͤrckt hier eben ſo viel, als die Wahrheit. Da die Welt in ihrem Verſtand groͤſtentheils verblendet, die Jrrthuͤmer hegt und vertheidigt, und ſich davon nicht will abbringen laſ- ſen, ſo muß auch ein vernuͤnfftiger Menſch bey ſei- ner

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/110>, abgerufen am 24.11.2024.