Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.Von dem Titul-Wesen und Praedicaten. fragt sichs, ob nicht ein junger Cavalier wohl thut,wenn er selbst um einen Titul bey einem grossen Herrn anhält? Solte man einen Quacker die Ent- scheidung dieser Frage vorlegen, so würde er sie al- sobald mit dem grösten Eyfer verneinen; sintemal sie wider alles Ceremonien- und Titular-Wesen auf das höchste erbittert sind; sie nennen die Titul, Luciferische Ehre, verfluchte Ehren-Nahmen, Nar- ren-Titul, Bestien-Character, u. s. w. Sie ha- ben hierinnen ihre Freyheit, und müssen andern Leuten auch ihre Freyheit lassen. Jhre Sätze fin- den, in der Klugheit zu leben, und in der Ceremo- niel-Wissenschafft kein Gehör. Uberhaupt ist es schwer, einem hierinnen eine Regel vorzuschreiben, sondern es beruhet dieses auf eines jeden Umständen. Dieser handelt sehr thörlich, daß er um einen Titul Ansuchung thut, und jener hingegen vernünfftig; sintemahl sich Fälle ereignen können, da einer, auch in diesem Stück, wider seinen Willen genöthiget wird, der Opinion anderer Leute, an denen ihm et- was gelegen, seiner eigenen vorzuziehen. §. 29. Da ein vernünfftiger Mensch keine ein- bekommt, F 3
Von dem Titul-Weſen und Prædicaten. fragt ſichs, ob nicht ein junger Cavalier wohl thut,wenn er ſelbſt um einen Titul bey einem groſſen Herrn anhaͤlt? Solte man einen Quacker die Ent- ſcheidung dieſer Frage vorlegen, ſo wuͤrde er ſie al- ſobald mit dem groͤſten Eyfer verneinen; ſintemal ſie wider alles Ceremonien- und Titular-Weſen auf das hoͤchſte erbittert ſind; ſie nennen die Titul, Luciferiſche Ehre, verfluchte Ehren-Nahmen, Nar- ren-Titul, Beſtien-Character, u. ſ. w. Sie ha- ben hierinnen ihre Freyheit, und muͤſſen andern Leuten auch ihre Freyheit laſſen. Jhre Saͤtze fin- den, in der Klugheit zu leben, und in der Ceremo- niel-Wiſſenſchafft kein Gehoͤr. Uberhaupt iſt es ſchwer, einem hierinnen eine Regel vorzuſchreiben, ſondern es beruhet dieſes auf eines jeden Umſtaͤnden. Dieſer handelt ſehr thoͤrlich, daß er um einen Titul Anſuchung thut, und jener hingegen vernuͤnfftig; ſintemahl ſich Faͤlle ereignen koͤnnen, da einer, auch in dieſem Stuͤck, wider ſeinen Willen genoͤthiget wird, der Opinion anderer Leute, an denen ihm et- was gelegen, ſeiner eigenen vorzuziehen. §. 29. Da ein vernuͤnfftiger Menſch keine ein- bekommt, F 3
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Von dem Titul-Weſen und Prædicaten.
fragt ſichs, ob nicht ein junger Cavalier wohl thut,
wenn er ſelbſt um einen Titul bey einem groſſen
Herrn anhaͤlt? Solte man einen Quacker die Ent-
ſcheidung dieſer Frage vorlegen, ſo wuͤrde er ſie al-
ſobald mit dem groͤſten Eyfer verneinen; ſintemal
ſie wider alles Ceremonien- und Titular-Weſen
auf das hoͤchſte erbittert ſind; ſie nennen die Titul,
Luciferiſche Ehre, verfluchte Ehren-Nahmen, Nar-
ren-Titul, Beſtien-Character, u. ſ. w. Sie ha-
ben hierinnen ihre Freyheit, und muͤſſen andern
Leuten auch ihre Freyheit laſſen. Jhre Saͤtze fin-
den, in der Klugheit zu leben, und in der Ceremo-
niel-Wiſſenſchafft kein Gehoͤr. Uberhaupt iſt es
ſchwer, einem hierinnen eine Regel vorzuſchreiben,
ſondern es beruhet dieſes auf eines jeden Umſtaͤnden.
Dieſer handelt ſehr thoͤrlich, daß er um einen Titul
Anſuchung thut, und jener hingegen vernuͤnfftig;
ſintemahl ſich Faͤlle ereignen koͤnnen, da einer, auch
in dieſem Stuͤck, wider ſeinen Willen genoͤthiget
wird, der Opinion anderer Leute, an denen ihm et-
was gelegen, ſeiner eigenen vorzuziehen.
§. 29. Da ein vernuͤnfftiger Menſch keine ein-
tzige Handlung, ohne daß er durch einen zureichen-
den Grund hiezu veranlaßt werden ſolte, vornehmen
muß, alſo muß er auch allezeit eine wichtige Raiſon
haben, wenn er um ein bloß Prædicat, (von dem je-
tzund die Rede iſt,) anhalten ſoll. Er muß vorher
wohl uͤberlegen, ob die gantze Verbeſſerung ſeiner
Gluͤckſeligkeit bloß darinnen beſtehe, daß er dieſes
Tituls theilhafftig wird, und einen andern Nahmen
bekommt,
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