lichen, ihrer Göttlichkeit und Ewigkeit so tief bewusst, dass sie, über alles Gestaltete hinaus, nur trachten kann nach dem Einen, das vor der Welt war und ausser ihr besteht 1). --
Diese Philosophie, so unbedingt sie sich innerlich von altgriechischen Lebenstrieben, von dem weltfreudigen Sinn des alten Griechenthums abwendet, meinte dennoch, in dem Kampfe gegen die neue, unaufhaltsam heranfluthende Religionsströmung, zum Schutz des alten Glaubens und der alten Cultur, mit der jener unlöslich verbunden war, berufen zu sein. Die entschie- densten ihrer Anhänger, voran der letzte altgläubige Kaiser selbst, zogen am eifrigsten in den Kampf, vor ihnen her der Genius des alten Griechenthums und Griechenglaubens. Aber als die Schlacht geschlagen und verloren war, da wurde aller Welt offenbar, dass es ein Leichnam gewesen war, was, auf das Ross gebunden, den begeisterten Streitern vorangezogen war, wie der todte Cid Campeador den Seinen im Mauren- kampfe. Die alte Religion, mit ihr die ganze Cultur der Griechenwelt, sank dahin und konnte nicht wieder belebt werden. Ein neuer Glaube, ganz anders als alle ältere Religion mit der Kraft begabt, das schwerbeladene Herz zu zerknirschen und in Hingebung aufwärts, dem göttlichen Erbarmen entgegenzu- tragen, blieb auf dem Plan. Seiner bedurfte die neu sich bil- dende Welt. --
Und doch, -- war das Griechenthum ganz abgethan, todt für alle Zeit? Vieles, allzu vieles von der Weisheit seines Greisenalters lebte weiter in den speculativen Ausgestaltungen des Christenglaubens. Und in aller modernen Cultur, die sich aus dem Christenthum und neben ihm her gebildet hat, in jeder Wissenschaft und Kunst, ist vieles lebendig aus griechi-
den kala somata zu den kala epitedeumata ktl. redet. Plotin verwahrt sich ernstlich dagegen, dass sein Schönheitssinn etwa weniger pheugein to soma mache als der Schönheitshass der Gnostiker: 30, 18. Auch er wartet, nur weniger ungeduldig, hienieden lediglich auf die Zeit, wo er aus jeder irdischen Behausung abscheiden könne: ibid.
1) -- kai outo theon kai anthropon theion kai eudaimonon bios apallage ton tede, bios anedonos ton tede, phuge monou pros monon 9, 11.
lichen, ihrer Göttlichkeit und Ewigkeit so tief bewusst, dass sie, über alles Gestaltete hinaus, nur trachten kann nach dem Einen, das vor der Welt war und ausser ihr besteht 1). —
Diese Philosophie, so unbedingt sie sich innerlich von altgriechischen Lebenstrieben, von dem weltfreudigen Sinn des alten Griechenthums abwendet, meinte dennoch, in dem Kampfe gegen die neue, unaufhaltsam heranfluthende Religionsströmung, zum Schutz des alten Glaubens und der alten Cultur, mit der jener unlöslich verbunden war, berufen zu sein. Die entschie- densten ihrer Anhänger, voran der letzte altgläubige Kaiser selbst, zogen am eifrigsten in den Kampf, vor ihnen her der Genius des alten Griechenthums und Griechenglaubens. Aber als die Schlacht geschlagen und verloren war, da wurde aller Welt offenbar, dass es ein Leichnam gewesen war, was, auf das Ross gebunden, den begeisterten Streitern vorangezogen war, wie der todte Cid Campeador den Seinen im Mauren- kampfe. Die alte Religion, mit ihr die ganze Cultur der Griechenwelt, sank dahin und konnte nicht wieder belebt werden. Ein neuer Glaube, ganz anders als alle ältere Religion mit der Kraft begabt, das schwerbeladene Herz zu zerknirschen und in Hingebung aufwärts, dem göttlichen Erbarmen entgegenzu- tragen, blieb auf dem Plan. Seiner bedurfte die neu sich bil- dende Welt. —
Und doch, — war das Griechenthum ganz abgethan, todt für alle Zeit? Vieles, allzu vieles von der Weisheit seines Greisenalters lebte weiter in den speculativen Ausgestaltungen des Christenglaubens. Und in aller modernen Cultur, die sich aus dem Christenthum und neben ihm her gebildet hat, in jeder Wissenschaft und Kunst, ist vieles lebendig aus griechi-
den καλὰ σώματα zu den καλὰ ἐπιτηδεύματα κτλ. redet. Plotin verwahrt sich ernstlich dagegen, dass sein Schönheitssinn etwa weniger φεύγειν τὸ σῶμα mache als der Schönheitshass der Gnostiker: 30, 18. Auch er wartet, nur weniger ungeduldig, hienieden lediglich auf die Zeit, wo er aus jeder irdischen Behausung abscheiden könne: ibid.
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lichen, ihrer Göttlichkeit und Ewigkeit so tief bewusst, dass sie,
über alles Gestaltete hinaus, nur trachten kann nach dem
Einen, das vor der Welt war und ausser ihr besteht 1). —
Diese Philosophie, so unbedingt sie sich innerlich von
altgriechischen Lebenstrieben, von dem weltfreudigen Sinn des
alten Griechenthums abwendet, meinte dennoch, in dem Kampfe
gegen die neue, unaufhaltsam heranfluthende Religionsströmung,
zum Schutz des alten Glaubens und der alten Cultur, mit der
jener unlöslich verbunden war, berufen zu sein. Die entschie-
densten ihrer Anhänger, voran der letzte altgläubige Kaiser
selbst, zogen am eifrigsten in den Kampf, vor ihnen her der
Genius des alten Griechenthums und Griechenglaubens. Aber
als die Schlacht geschlagen und verloren war, da wurde aller
Welt offenbar, dass es ein Leichnam gewesen war, was, auf
das Ross gebunden, den begeisterten Streitern vorangezogen
war, wie der todte Cid Campeador den Seinen im Mauren-
kampfe. Die alte Religion, mit ihr die ganze Cultur der
Griechenwelt, sank dahin und konnte nicht wieder belebt werden.
Ein neuer Glaube, ganz anders als alle ältere Religion mit der
Kraft begabt, das schwerbeladene Herz zu zerknirschen und in
Hingebung aufwärts, dem göttlichen Erbarmen entgegenzu-
tragen, blieb auf dem Plan. Seiner bedurfte die neu sich bil-
dende Welt. —
Und doch, — war das Griechenthum ganz abgethan, todt
für alle Zeit? Vieles, allzu vieles von der Weisheit seines
Greisenalters lebte weiter in den speculativen Ausgestaltungen
des Christenglaubens. Und in aller modernen Cultur, die sich
aus dem Christenthum und neben ihm her gebildet hat, in
jeder Wissenschaft und Kunst, ist vieles lebendig aus griechi-
4)
1) — καὶ οὕτω ϑεῶν καὶ ἀνϑρώπων ϑείων καὶ εὐδαιμόνων βίος ἀπαλλαγὴ
τῶν τῇδε, βίος ἀνήδονος τῶν τῇδε, φυγὴ μόνου πρὸς μόνον 9, 11.
4) den καλὰ σώματα zu den καλὰ ἐπιτηδεύματα κτλ. redet. Plotin verwahrt
sich ernstlich dagegen, dass sein Schönheitssinn etwa weniger φεύγειν τὸ
σῶμα mache als der Schönheitshass der Gnostiker: 30, 18. Auch er
wartet, nur weniger ungeduldig, hienieden lediglich auf die Zeit, wo er aus
jeder irdischen Behausung abscheiden könne: ibid.
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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 690. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/706>, abgerufen am 22.11.2024.
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