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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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werden sie ganz niedergelegt. Es gab Städte und Landschaf-
ten, in denen es zur Gewohnheit wurde, den ehrenden Bei-
namen eines "Heros" den Verstorbenen schlechthin beizulegen.
In Böotien 1) scheint am frühesten die Heroisirung Verstor-
bener diese Ausdehnung gewonnen zu haben, auch hier nicht
überall geichmässig: Thespiae macht eine Ausnahme 2). Thes-
salien bietet auf seinen Grabsteinen die zahlreichsten Bei-
spiele für die Heroisirung der Todten jeden Standes und Alters.
Aber über alle, von Griechen bevölkerten Länder dehnt die
Sitte sich aus 3); einzig Athen ist sparsamer 4) in der Ausspen-
dung des Heroennamens an Todte, die von der, dort vermuth-
lich der Vorstellung fester eingeprägten Art eines Heros im
alten und ächten Sinne nichts an sich haben, als dass eben
auch sie todt sind 5).

Noch so freigiebig ausgetheilt, behält der Name "Heros"
dennoch etwas von einem Ehrenbeinamen. Eine Ehre freilich,
die jedermann ohne Unterschied zugesprochen wird, steht in
Gefahr, das Gegentheil einer Ehre zu werden. Aber es spricht
sich doch noch in vereinzelten Aeusserungen naiv volksthüm-
licher Empfindung aus, dass immer noch ein Unterschied zwischen
dem "Heros" und dem, nicht mit diesem Beinamen geehrten

1) S. Keil, Syll. inscr. Boeot. p. 153.
2) In Thespiae zeigen die Inss. erst seit der Kaiserzeit den Zusatz
eros bei Namen Verstorbener. S. Dittenberger zu C. I. Gr. septentr.
2110, p. 367.
3) Geordnete Sammlung vieler Beispiele des: eros, eros khreste
khaire u. dgl. auf Grabinschriften bei Deneken in Roscher's Mythol. Lex.
s. "Heros" 1, 2549 ff.
4) Wie schon Keil a. O. hervorhebt. -- Noch im vollen Sinne steht
eroIne jedenfalls, wenn Rath und Volk von Athen im 1. Jahrh. n. Chr.
eine vornehme Todte so bezeichnen: C. I. A. 3, 889. Oder wenn (zur
gleichen Zeit) sowohl das spartanische als das athenische Decret den P.
Statilius Lamprias (s. oben p. 628, 3) ausdrücklich eroa nennt. (Fouilles
d'Epidaure
I n. 205--209).
5) Curios ist, wie viel später, in christlicher Zeit o eros kurzweg
benannt wird (ganz synonym mit o makarites) ein kürzlich Verstorbener:
o eros Eudoxios, o eros Patrikios, Iamblikhos in Schol. Basilic.

werden sie ganz niedergelegt. Es gab Städte und Landschaf-
ten, in denen es zur Gewohnheit wurde, den ehrenden Bei-
namen eines „Heros“ den Verstorbenen schlechthin beizulegen.
In Böotien 1) scheint am frühesten die Heroisirung Verstor-
bener diese Ausdehnung gewonnen zu haben, auch hier nicht
überall geichmässig: Thespiae macht eine Ausnahme 2). Thes-
salien bietet auf seinen Grabsteinen die zahlreichsten Bei-
spiele für die Heroisirung der Todten jeden Standes und Alters.
Aber über alle, von Griechen bevölkerten Länder dehnt die
Sitte sich aus 3); einzig Athen ist sparsamer 4) in der Ausspen-
dung des Heroennamens an Todte, die von der, dort vermuth-
lich der Vorstellung fester eingeprägten Art eines Heros im
alten und ächten Sinne nichts an sich haben, als dass eben
auch sie todt sind 5).

Noch so freigiebig ausgetheilt, behält der Name „Heros“
dennoch etwas von einem Ehrenbeinamen. Eine Ehre freilich,
die jedermann ohne Unterschied zugesprochen wird, steht in
Gefahr, das Gegentheil einer Ehre zu werden. Aber es spricht
sich doch noch in vereinzelten Aeusserungen naiv volksthüm-
licher Empfindung aus, dass immer noch ein Unterschied zwischen
dem „Heros“ und dem, nicht mit diesem Beinamen geehrten

1) S. Keil, Syll. inscr. Boeot. p. 153.
2) In Thespiae zeigen die Inss. erst seit der Kaiserzeit den Zusatz
ἥρως bei Namen Verstorbener. S. Dittenberger zu C. I. Gr. septentr.
2110, p. 367.
3) Geordnete Sammlung vieler Beispiele des: ἥρως, ἥρως χρηστὲ
χαῖρε u. dgl. auf Grabinschriften bei Deneken in Roscher’s Mythol. Lex.
s. „Heros“ 1, 2549 ff.
4) Wie schon Keil a. O. hervorhebt. — Noch im vollen Sinne steht
ἡρωΐνη jedenfalls, wenn Rath und Volk von Athen im 1. Jahrh. n. Chr.
eine vornehme Todte so bezeichnen: C. I. A. 3, 889. Oder wenn (zur
gleichen Zeit) sowohl das spartanische als das athenische Decret den P.
Statilius Lamprias (s. oben p. 628, 3) ausdrücklich ἥρωα nennt. (Fouilles
d’Epidaure
I n. 205—209).
5) Curios ist, wie viel später, in christlicher Zeit ὁ ἥρως kurzweg
benannt wird (ganz synonym mit ὁ μακαρίτης) ein kürzlich Verstorbener:
ὁ ἥρως Εὐδόξιος, ὁ ἥρως Πατρίκιος, Ἰάμβλιχος in Schol. Basilic.
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[649/0665] werden sie ganz niedergelegt. Es gab Städte und Landschaf- ten, in denen es zur Gewohnheit wurde, den ehrenden Bei- namen eines „Heros“ den Verstorbenen schlechthin beizulegen. In Böotien 1) scheint am frühesten die Heroisirung Verstor- bener diese Ausdehnung gewonnen zu haben, auch hier nicht überall geichmässig: Thespiae macht eine Ausnahme 2). Thes- salien bietet auf seinen Grabsteinen die zahlreichsten Bei- spiele für die Heroisirung der Todten jeden Standes und Alters. Aber über alle, von Griechen bevölkerten Länder dehnt die Sitte sich aus 3); einzig Athen ist sparsamer 4) in der Ausspen- dung des Heroennamens an Todte, die von der, dort vermuth- lich der Vorstellung fester eingeprägten Art eines Heros im alten und ächten Sinne nichts an sich haben, als dass eben auch sie todt sind 5). Noch so freigiebig ausgetheilt, behält der Name „Heros“ dennoch etwas von einem Ehrenbeinamen. Eine Ehre freilich, die jedermann ohne Unterschied zugesprochen wird, steht in Gefahr, das Gegentheil einer Ehre zu werden. Aber es spricht sich doch noch in vereinzelten Aeusserungen naiv volksthüm- licher Empfindung aus, dass immer noch ein Unterschied zwischen dem „Heros“ und dem, nicht mit diesem Beinamen geehrten 1) S. Keil, Syll. inscr. Boeot. p. 153. 2) In Thespiae zeigen die Inss. erst seit der Kaiserzeit den Zusatz ἥρως bei Namen Verstorbener. S. Dittenberger zu C. I. Gr. septentr. 2110, p. 367. 3) Geordnete Sammlung vieler Beispiele des: ἥρως, ἥρως χρηστὲ χαῖρε u. dgl. auf Grabinschriften bei Deneken in Roscher’s Mythol. Lex. s. „Heros“ 1, 2549 ff. 4) Wie schon Keil a. O. hervorhebt. — Noch im vollen Sinne steht ἡρωΐνη jedenfalls, wenn Rath und Volk von Athen im 1. Jahrh. n. Chr. eine vornehme Todte so bezeichnen: C. I. A. 3, 889. Oder wenn (zur gleichen Zeit) sowohl das spartanische als das athenische Decret den P. Statilius Lamprias (s. oben p. 628, 3) ausdrücklich ἥρωα nennt. (Fouilles d’Epidaure I n. 205—209). 5) Curios ist, wie viel später, in christlicher Zeit ὁ ἥρως kurzweg benannt wird (ganz synonym mit ὁ μακαρίτης) ein kürzlich Verstorbener: ὁ ἥρως Εὐδόξιος, ὁ ἥρως Πατρίκιος, Ἰάμβλιχος in Schol. Basilic.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 649. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/665>, abgerufen am 24.11.2024.