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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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was etwa mit den Atomen seiner Seele geschehen mag. Der
Tod betrifft ihn nicht; denn Er ist nur so lange als der Tod
nicht da ist; wo der Tod ist, ist Er nicht länger 1). Empfin-
dung und Bewusstsein sind ihm bei Lösung von Leib und Seele
erloschen; was ihm keine Empfindung erregt, betrifft ihn nicht.
Immer wieder schärfen Epikureische Lehrsprüche dieses: Der
Tod bezieht sich nicht auf uns, ein 2) Von allen Seiten be-
weist, aus abstracten Sätzen und aus den Erfahrungen im Ge-
biet der Lebendigen, Lucrez diesen Satz 3), mit nicht minderem
Eifer als andere Philosophen dessen Gegentheil beweisen. Die
Naturkunde hat keinen wichtigeren Nutzen, als dass sie zu
dieser Einsicht führe 4). Hat Epikurs Weisheit überhaupt kein
anderes Ziel, als dem Menschen, dem schmerzfähigsten Wesen,
Schmerz und Qual fernzuhalten -- und selbst ihre "Lust" ist
nur aufgehobener Schmerz -- so dient sie vornehmlich mit der
Vernichtung der Angst vor dem Tode, der Sehnsucht nach
einem endlosen Fortleben, diesem endlichen Leben 5), das ein-
mal nur, nicht vielfach uns vergönnt ist 6). Wenn der Mensch

Die Art der Bestattung oder Beseitigung des entseelten Leibes völlig
gleichgültig: Philodem. p. thanatou p. 41. 42 Mekl.
1) Laert. 10, 124. 125.
2) o thanatos ouden pros emas, to gar dialuthen anaisthetei, to de anai-
sthetoumenon ouden pros emas. kur. dox. II, Laert. 10, 139 (p. 71 Us.). Oft
wiederholt: s. Usener p. 391 f.
3) dolor und morbus, leti fabricator uterque, betreffen auch die Seele:
Lucr. 3, 459 ff. 470 ff. 484 ff. Ewig kann nicht sein was sich in Theile
auflösen kann: 640 ff. 667 ff. Hauptargument: quod cum corpore nascitur,
cum corpore intereat necesse est.
Epic. fr. 336. (Es sind zum Theil die
gleichen Beweise die Karneades gegen die Annahme der Ewigkeit und
Unvergänglichkeit des obersten zoon, der Gottheit, richtet. K. wird sie
von Epikur entlehnt haben.)
4) Vgl. kur. dox. XI, p. 73 f. Us.
5) Die Einsicht meden pros emas einai ton thanaton, apolauston poiei
to tes zoes thneton, ouk apeiron protitheisa khronon alla ton tes athanasias
aphelomene pothon. Laert. 10, 124 (vgl. Metrodor (?) ed. Koerte, p. 588,
col. XVI).
6) gegonamen apax, dis de ouk esti genethai ktl. Daher carpe diem!
fr.
204; s. auch fr. 490--494. Metrodor fr. 53 Koert.

was etwa mit den Atomen seiner Seele geschehen mag. Der
Tod betrifft ihn nicht; denn Er ist nur so lange als der Tod
nicht da ist; wo der Tod ist, ist Er nicht länger 1). Empfin-
dung und Bewusstsein sind ihm bei Lösung von Leib und Seele
erloschen; was ihm keine Empfindung erregt, betrifft ihn nicht.
Immer wieder schärfen Epikureische Lehrsprüche dieses: Der
Tod bezieht sich nicht auf uns, ein 2) Von allen Seiten be-
weist, aus abstracten Sätzen und aus den Erfahrungen im Ge-
biet der Lebendigen, Lucrez diesen Satz 3), mit nicht minderem
Eifer als andere Philosophen dessen Gegentheil beweisen. Die
Naturkunde hat keinen wichtigeren Nutzen, als dass sie zu
dieser Einsicht führe 4). Hat Epikurs Weisheit überhaupt kein
anderes Ziel, als dem Menschen, dem schmerzfähigsten Wesen,
Schmerz und Qual fernzuhalten — und selbst ihre „Lust“ ist
nur aufgehobener Schmerz — so dient sie vornehmlich mit der
Vernichtung der Angst vor dem Tode, der Sehnsucht nach
einem endlosen Fortleben, diesem endlichen Leben 5), das ein-
mal nur, nicht vielfach uns vergönnt ist 6). Wenn der Mensch

Die Art der Bestattung oder Beseitigung des entseelten Leibes völlig
gleichgültig: Philodem. π. ϑανάτου p. 41. 42 Mekl.
1) Laert. 10, 124. 125.
2) ὁ ϑάνατος οὐδὲν πρὸς ἡμᾶς, τὸ γὰρ διαλυϑὲν ἀναισϑητεῖ, τὸ δὲ ἀναι-
σϑητούμενον οὺδὲν πρὸς ἡμᾶς. κυρ. δόξ. II, Laert. 10, 139 (p. 71 Us.). Oft
wiederholt: s. Usener p. 391 f.
3) dolor und morbus, leti fabricator uterque, betreffen auch die Seele:
Lucr. 3, 459 ff. 470 ff. 484 ff. Ewig kann nicht sein was sich in Theile
auflösen kann: 640 ff. 667 ff. Hauptargument: quod cum corpore nascitur,
cum corpore intereat necesse est.
Epic. fr. 336. (Es sind zum Theil die
gleichen Beweise die Karneades gegen die Annahme der Ewigkeit und
Unvergänglichkeit des obersten ζῷον, der Gottheit, richtet. K. wird sie
von Epikur entlehnt haben.)
4) Vgl. κύρ. δόξ. XI, p. 73 f. Us.
5) Die Einsicht μηδὲν πρὸς ἡμᾶς εἶναι τὸν ϑάνατον, ἀπόλαυστον ποιεῖ
τὸ τῆς ζῳῆς ϑνητόν, οὐκ ἄπειρον προτιϑεῖσα χρόνον ἀλλὰ τὸν τῆς ἀϑανασίας
ἀφελομένη πόϑον. Laert. 10, 124 (vgl. Metrodor (?) ed. Koerte, p. 588,
col. XVI).
6) γεγόναμεν ἅπαξ, δὶς δὲ οὐκ ἔστι γενέϑαι κτλ. Daher carpe diem!
fr.
204; s. auch fr. 490—494. Metrodor fr. 53 Koert.
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[623/0639] was etwa mit den Atomen seiner Seele geschehen mag. Der Tod betrifft ihn nicht; denn Er ist nur so lange als der Tod nicht da ist; wo der Tod ist, ist Er nicht länger 1). Empfin- dung und Bewusstsein sind ihm bei Lösung von Leib und Seele erloschen; was ihm keine Empfindung erregt, betrifft ihn nicht. Immer wieder schärfen Epikureische Lehrsprüche dieses: Der Tod bezieht sich nicht auf uns, ein 2) Von allen Seiten be- weist, aus abstracten Sätzen und aus den Erfahrungen im Ge- biet der Lebendigen, Lucrez diesen Satz 3), mit nicht minderem Eifer als andere Philosophen dessen Gegentheil beweisen. Die Naturkunde hat keinen wichtigeren Nutzen, als dass sie zu dieser Einsicht führe 4). Hat Epikurs Weisheit überhaupt kein anderes Ziel, als dem Menschen, dem schmerzfähigsten Wesen, Schmerz und Qual fernzuhalten — und selbst ihre „Lust“ ist nur aufgehobener Schmerz — so dient sie vornehmlich mit der Vernichtung der Angst vor dem Tode, der Sehnsucht nach einem endlosen Fortleben, diesem endlichen Leben 5), das ein- mal nur, nicht vielfach uns vergönnt ist 6). Wenn der Mensch 6) 1) Laert. 10, 124. 125. 2) ὁ ϑάνατος οὐδὲν πρὸς ἡμᾶς, τὸ γὰρ διαλυϑὲν ἀναισϑητεῖ, τὸ δὲ ἀναι- σϑητούμενον οὺδὲν πρὸς ἡμᾶς. κυρ. δόξ. II, Laert. 10, 139 (p. 71 Us.). Oft wiederholt: s. Usener p. 391 f. 3) dolor und morbus, leti fabricator uterque, betreffen auch die Seele: Lucr. 3, 459 ff. 470 ff. 484 ff. Ewig kann nicht sein was sich in Theile auflösen kann: 640 ff. 667 ff. Hauptargument: quod cum corpore nascitur, cum corpore intereat necesse est. Epic. fr. 336. (Es sind zum Theil die gleichen Beweise die Karneades gegen die Annahme der Ewigkeit und Unvergänglichkeit des obersten ζῷον, der Gottheit, richtet. K. wird sie von Epikur entlehnt haben.) 4) Vgl. κύρ. δόξ. XI, p. 73 f. Us. 5) Die Einsicht μηδὲν πρὸς ἡμᾶς εἶναι τὸν ϑάνατον, ἀπόλαυστον ποιεῖ τὸ τῆς ζῳῆς ϑνητόν, οὐκ ἄπειρον προτιϑεῖσα χρόνον ἀλλὰ τὸν τῆς ἀϑανασίας ἀφελομένη πόϑον. Laert. 10, 124 (vgl. Metrodor (?) ed. Koerte, p. 588, col. XVI). 6) γεγόναμεν ἅπαξ, δὶς δὲ οὐκ ἔστι γενέϑαι κτλ. Daher carpe diem! fr. 204; s. auch fr. 490—494. Metrodor fr. 53 Koert. 6) Die Art der Bestattung oder Beseitigung des entseelten Leibes völlig gleichgültig: Philodem. π. ϑανάτου p. 41. 42 Mekl.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/639>, abgerufen am 25.11.2024.