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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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lebendige verlieren 1). Die stärkere ethische Persönlichkeit hält
sich länger in sich selbst zusammen 2).

Von der physisch-materialistischen Seite aus betrachtet 3),
schien es undenkbar, dass die, aus reinem Feuerhauch gebil-
dete Seele, die schon zu Lebzeiten nicht vom Leibe zusammen-
gehalten wurde, sondern ihrerseits den Leib zusammenhielt 4),
nach Auflösung dieses Leibes alsbald vergehen sollte: wie einst
den Leib, so hält sie nun, und um so mehr, sich selbst zur
Einheit zusammen. Ihre Leichtigkeit führt sie aufwärts in die
reinere Luft unter dem Monde, wo der von unten aufsteigende
Hauch sie nährt und nichts ist, was sie zerstören könnte 5).
Eine "Unterwelt", wie sie das Volk und die Theologen glaubten,
leugnet der Stoiker ausdrücklich 6). Eher konnte er seine

1) Kleanthes men oun pasas (tas psukhas) epidiamenein (legei) mekhri
tes ekpuroseos, Khrusippos de tas ton sophon monon. Laert. D. 7, 157.
Ohne Nennung der zwei Gewährsmänner öfter wiederholt: Arius Did. bei
Euseb. praep. ev. 15, 822 A--C (die psukhai ton aphronon kai alogon zoon
vergehen sofort mit dem Tode des Leibes: C) u. a. -- Die Chrysippische
Lehre auch Tac. Agric. 46: si, ut sapientibus placet, non cum corpore
extinguuntur magnae animae
(ai megalai psukhai. Plut. def. orac. 18). --
omnium quidem animos immortales esse sed fortium bonorumque dicinos.
Cic. de leg. 2, 27. Ungenau ausgedrückt.
2) Die asthenestera psukhe (aute de esti ton apaideuton) vergeht
eher, e de iskhurotera, oia esti peri tous sophous bleibt mekhri tes ekpuro-
seos. Doxogr. 393, a.
3) Merkwürdig das Vorwiegen der materialistischen Auffassung bei
denjenigen Stoici, die, nach Seneca epist. 57, 7 existimant, animum ho-
minis magno pondere extriti permanere non posse et statim spargi, quia
fuerit illi exitus liber
(wobei man sich an den Volksglauben erinnert fühlt,
nach dem die Seele des bei Sturmwind Verstorbenen euthus diapephusetai
kai apololen. Plat. Phaed. 70 A; 80 D. S. oben p. 556, 1).
4) ou ta somata tas psukhas sunekhei, all ai psukhai ta somata, osper
kai e kolla kai eauten kai ta ektos kratei. Posidon. bei Achill. isag.
p. 133 E (Petav.). Aus Aristoteles (411 b, 7), aber, im Gegensatz zu den
Epikureern, ächt stoisch (vgl. Heinze, Xenokrates 100 f.).
5) Sext. adv. phys. 1, 71--73. Die naiven, aber klaren Ausfüh-
rungen gehen wahrscheinlich, wie schon oft ausgesprochen worden ist
(von Corssen, De Posid. Rhodio [1878] p. 45 f. u. A.), auf Posidonius
zurück (ebenso wie die ähnlichen Betrachtungen bei Cicero, Tusc. 1, 42 ff.).
der aber hier, soviel sich bemerken lässt, keine Heterodoxie begeht.
6) -- kai gar oude tas psukhas enestin uponoesai kato pheromenas.
Rohde, Seelencult. 39

lebendige verlieren 1). Die stärkere ethische Persönlichkeit hält
sich länger in sich selbst zusammen 2).

Von der physisch-materialistischen Seite aus betrachtet 3),
schien es undenkbar, dass die, aus reinem Feuerhauch gebil-
dete Seele, die schon zu Lebzeiten nicht vom Leibe zusammen-
gehalten wurde, sondern ihrerseits den Leib zusammenhielt 4),
nach Auflösung dieses Leibes alsbald vergehen sollte: wie einst
den Leib, so hält sie nun, und um so mehr, sich selbst zur
Einheit zusammen. Ihre Leichtigkeit führt sie aufwärts in die
reinere Luft unter dem Monde, wo der von unten aufsteigende
Hauch sie nährt und nichts ist, was sie zerstören könnte 5).
Eine „Unterwelt“, wie sie das Volk und die Theologen glaubten,
leugnet der Stoiker ausdrücklich 6). Eher konnte er seine

1) Κλεάνϑης μὲν οὖν πάσας (τὰς ψυχὰς) ἐπιδιαμένειν (λέγει) μέχρι
τῆς ἐκπυρώσεως, Χρύσιππος δὲ τὰς τῶν σοφῶν μόνον. Laert. D. 7, 157.
Ohne Nennung der zwei Gewährsmänner öfter wiederholt: Arius Did. bei
Euseb. praep. ev. 15, 822 A—C (die ψυχαὶ τῶν ἀφρόνων καὶ ἀλόγων ζῷων
vergehen sofort mit dem Tode des Leibes: C) u. a. — Die Chrysippische
Lehre auch Tac. Agric. 46: si, ut sapientibus placet, non cum corpore
extinguuntur magnae animae
(αἱ μεγάλαι ψυχαί. Plut. def. orac. 18). —
omnium quidem animos immortales esse sed fortium bonorumque dicinos.
Cic. de leg. 2, 27. Ungenau ausgedrückt.
2) Die ἀσϑενεστέρα ψυχή (αὕτη δέ ἐστι τῶν ἀπαιδεύτων) vergeht
eher, ἡ δὲ ἰσχυροτέρα, οἵα ἐστὶ περὶ τοὺς σοφούς bleibt μέχρι τῆς ἐκπυρώ-
σεως. Doxogr. 393, a.
3) Merkwürdig das Vorwiegen der materialistischen Auffassung bei
denjenigen Stoici, die, nach Seneca epist. 57, 7 existimant, animum ho-
minis magno pondere extriti permanere non posse et statim spargi, quia
fuerit illi exitus liber
(wobei man sich an den Volksglauben erinnert fühlt,
nach dem die Seele des bei Sturmwind Verstorbenen εὐϑὺς διαπεφύσηται
καὶ ἀπόλωλεν. Plat. Phaed. 70 A; 80 D. S. oben p. 556, 1).
4) οὐ τὰ σώματα τὰς ψυχὰς συνέχει, ἀλλ̕ αἱ ψυχαὶ τὰ σώματα, ὥσπερ
καὶ ἡ κόλλα καὶ ἑαυτὴν καὶ τὰ ἐκτὸς κρατεῖ. Posidon. bei Achill. isag.
p. 133 E (Petav.). Aus Aristoteles (411 b, 7), aber, im Gegensatz zu den
Epikureern, ächt stoisch (vgl. Heinze, Xenokrates 100 f.).
5) Sext. adv. phys. 1, 71—73. Die naiven, aber klaren Ausfüh-
rungen gehen wahrscheinlich, wie schon oft ausgesprochen worden ist
(von Corssen, De Posid. Rhodio [1878] p. 45 f. u. A.), auf Posidonius
zurück (ebenso wie die ähnlichen Betrachtungen bei Cicero, Tusc. 1, 42 ff.).
der aber hier, soviel sich bemerken lässt, keine Heterodoxie begeht.
6) — καὶ γὰρ οὐδὲ τὰς ψυχὰς ἔνεστιν ὑπονοῆσαι κάτω φερομένας.
Rohde, Seelencult. 39
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[609/0625] lebendige verlieren 1). Die stärkere ethische Persönlichkeit hält sich länger in sich selbst zusammen 2). Von der physisch-materialistischen Seite aus betrachtet 3), schien es undenkbar, dass die, aus reinem Feuerhauch gebil- dete Seele, die schon zu Lebzeiten nicht vom Leibe zusammen- gehalten wurde, sondern ihrerseits den Leib zusammenhielt 4), nach Auflösung dieses Leibes alsbald vergehen sollte: wie einst den Leib, so hält sie nun, und um so mehr, sich selbst zur Einheit zusammen. Ihre Leichtigkeit führt sie aufwärts in die reinere Luft unter dem Monde, wo der von unten aufsteigende Hauch sie nährt und nichts ist, was sie zerstören könnte 5). Eine „Unterwelt“, wie sie das Volk und die Theologen glaubten, leugnet der Stoiker ausdrücklich 6). Eher konnte er seine 1) Κλεάνϑης μὲν οὖν πάσας (τὰς ψυχὰς) ἐπιδιαμένειν (λέγει) μέχρι τῆς ἐκπυρώσεως, Χρύσιππος δὲ τὰς τῶν σοφῶν μόνον. Laert. D. 7, 157. Ohne Nennung der zwei Gewährsmänner öfter wiederholt: Arius Did. bei Euseb. praep. ev. 15, 822 A—C (die ψυχαὶ τῶν ἀφρόνων καὶ ἀλόγων ζῷων vergehen sofort mit dem Tode des Leibes: C) u. a. — Die Chrysippische Lehre auch Tac. Agric. 46: si, ut sapientibus placet, non cum corpore extinguuntur magnae animae (αἱ μεγάλαι ψυχαί. Plut. def. orac. 18). — omnium quidem animos immortales esse sed fortium bonorumque dicinos. Cic. de leg. 2, 27. Ungenau ausgedrückt. 2) Die ἀσϑενεστέρα ψυχή (αὕτη δέ ἐστι τῶν ἀπαιδεύτων) vergeht eher, ἡ δὲ ἰσχυροτέρα, οἵα ἐστὶ περὶ τοὺς σοφούς bleibt μέχρι τῆς ἐκπυρώ- σεως. Doxogr. 393, a. 3) Merkwürdig das Vorwiegen der materialistischen Auffassung bei denjenigen Stoici, die, nach Seneca epist. 57, 7 existimant, animum ho- minis magno pondere extriti permanere non posse et statim spargi, quia fuerit illi exitus liber (wobei man sich an den Volksglauben erinnert fühlt, nach dem die Seele des bei Sturmwind Verstorbenen εὐϑὺς διαπεφύσηται καὶ ἀπόλωλεν. Plat. Phaed. 70 A; 80 D. S. oben p. 556, 1). 4) οὐ τὰ σώματα τὰς ψυχὰς συνέχει, ἀλλ̕ αἱ ψυχαὶ τὰ σώματα, ὥσπερ καὶ ἡ κόλλα καὶ ἑαυτὴν καὶ τὰ ἐκτὸς κρατεῖ. Posidon. bei Achill. isag. p. 133 E (Petav.). Aus Aristoteles (411 b, 7), aber, im Gegensatz zu den Epikureern, ächt stoisch (vgl. Heinze, Xenokrates 100 f.). 5) Sext. adv. phys. 1, 71—73. Die naiven, aber klaren Ausfüh- rungen gehen wahrscheinlich, wie schon oft ausgesprochen worden ist (von Corssen, De Posid. Rhodio [1878] p. 45 f. u. A.), auf Posidonius zurück (ebenso wie die ähnlichen Betrachtungen bei Cicero, Tusc. 1, 42 ff.). der aber hier, soviel sich bemerken lässt, keine Heterodoxie begeht. 6) — καὶ γὰρ οὐδὲ τὰς ψυχὰς ἔνεστιν ὑπονοῆσαι κάτω φερομένας. Rohde, Seelencult. 39

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/625>, abgerufen am 22.11.2024.