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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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stoteles der Metaphysiker führt uns weiter. In der Seele des
Menschen ist über den Lebenskräften des Organismus noch
ein Geisteswesen lebendig, von übernatürlicher Art und Her-
kunft, der "Geist", das was "in uns denkt und meint" 1).
Dieser denkende Geist ist nicht an den Leib und dessen Leben
gebunden 2). Er ist nicht mit dem menschlichen Organismus,
den sein Hinzutreten vollendet, entstanden. Ungeworden, un-
erschaffen, war er von je 3); "von aussen" tritt er bei der Bil-
dung der Menschen in diesen ein 4). Er bleibt, auch im Leibe
wohnend, unvermischt mit dem Leibe und seinen Kräften, un-
beeinflusst von ihm 5); er führt, in sich verschlossen, ein Son-
derdasein, von der "Seele", von der er doch ein "Theil" ge-
nannt wird 6), als ein ganz anderes, wie durch eine Kluft ge-
trennt. Dem Gotte der Aristotelischen Welt vergleichbar, ist
er, wie man sagen könnte, seiner kleinen Welt 7), dem leben-
digen Organismus des Menschen, transcendent; einwirkend auf
sie, ohne eine Gegenwirkung zu erfahren. Dem Gotte ist er
nächstverwandt; er heisst "das Göttliche" im Menschen 8).

1) lego de noun, o dianoeitai kai upolambanei e psukhe. de an. 429 a, 23.
2) Der nous und seine theoretike dunamis eoike psukhes genos eteron
einai, kai touto monon endekhetai khorizesthai, kathaper to aidion tou phthartou.
ta de loipa moria tes psukhes ouk esti khorista ktl. de an. 413 b, 25.
3) Es ist unleugbar die Meinung des Aristoteles, dass der nous un-
entstanden, ungeschaffen, von Ewigkeit war. S. Zeller, Sitzungsber. d.
Berl. Akad. 1882 p. 1033 ff.
4) thurathen epeiserkhetai in den sich bildenden Menschen. gen. anim.
736 b. d thurathen nous 744 b, 21.
5) Der nous ist apathes, amiges, ou memiktai to somati; er hat kein
leibliches organon. de an. 3,4. outhen autou (tou nou) te energeia koinonei
somatike energeia. gen. an. 736 b, 28.
6) morion tes psukhes, de an. 429 a, 10 ff. psukhe oukh ole, all e noe-
tike. 429 a, 28. e psukhe - me pasa, all o nous. Met. 1070 a, 26.
7) Das zoon ein mikros kosmos. Phys. 252 b, 26.
8) Der nous, theioteron ti kai apathes. de an. 408 b, 29. -- ton noun
theion einai monon. gen. an. 736 b, 28 (737 a, 10). eite theion on eite ton en
emin to theiotaton Eth. Nic. 1177 a, 15. Der nous ist to suggenestaton den
Göttern. ib. 1179 a, 26. -- to anthropon genos e monon metekhei tou theiou
ton emin gnorimon zoon e malista panton. part. an. 636 a, 7.
Rohde, Seelencult. 38

stoteles der Metaphysiker führt uns weiter. In der Seele des
Menschen ist über den Lebenskräften des Organismus noch
ein Geisteswesen lebendig, von übernatürlicher Art und Her-
kunft, der „Geist“, das was „in uns denkt und meint“ 1).
Dieser denkende Geist ist nicht an den Leib und dessen Leben
gebunden 2). Er ist nicht mit dem menschlichen Organismus,
den sein Hinzutreten vollendet, entstanden. Ungeworden, un-
erschaffen, war er von je 3); „von aussen“ tritt er bei der Bil-
dung der Menschen in diesen ein 4). Er bleibt, auch im Leibe
wohnend, unvermischt mit dem Leibe und seinen Kräften, un-
beeinflusst von ihm 5); er führt, in sich verschlossen, ein Son-
derdasein, von der „Seele“, von der er doch ein „Theil“ ge-
nannt wird 6), als ein ganz anderes, wie durch eine Kluft ge-
trennt. Dem Gotte der Aristotelischen Welt vergleichbar, ist
er, wie man sagen könnte, seiner kleinen Welt 7), dem leben-
digen Organismus des Menschen, transcendent; einwirkend auf
sie, ohne eine Gegenwirkung zu erfahren. Dem Gotte ist er
nächstverwandt; er heisst „das Göttliche“ im Menschen 8).

1) λέγω δὲ νοῦν, ᾧ διανοεῖται καὶ ὑπολαμβάνει ἡ ψυχή. de an. 429 a, 23.
2) Der νοῦς und seine ϑεωρητικὴ δύναμις ἔοικε ψυχῆς γένος ἕτερον
εἶναι, καὶ τοῦτο μόνον ἐνδέχεται χωρίζεσϑαι, καϑάπερ τὸ ἀΐδιον τοῦ φϑαρτοῦ.
τὰ δὲ λοιπὰ μόρια τῆς ψυχῆς οὐκ ἔστι χωριστά κτλ. de an. 413 b, 25.
3) Es ist unleugbar die Meinung des Aristoteles, dass der νοῦς un-
entstanden, ungeschaffen, von Ewigkeit war. S. Zeller, Sitzungsber. d.
Berl. Akad. 1882 p. 1033 ff.
4) ϑύραϑεν ἐπεισέρχεται in den sich bildenden Menschen. gen. anim.
736 b. δ ϑύραϑεν νοῦς 744 b, 21.
5) Der νοῦς ist ἀπαϑής, ἀμιγής, οὐ μέμικται τῷ σώματι; er hat kein
leibliches ὄργανον. de an. 3,4. οὐϑὲν αὐτοῦ (τοῦ νοῦ) τῇ ἐνεργείᾳ κοινωνεῖ
σωματικὴ ἐνέργεια. gen. an. 736 b, 28.
6) μόριον τῆς ψυχῆς, de an. 429 a, 10 ff. ψυχὴ οὐχ ὅλη, ἀλλ̕ ἡ νοη-
τική. 429 a, 28. ἡ ψυχή ‒ μὴ πᾶσα, ἀλλ̕ ὁ νοῦς. Met. 1070 a, 26.
7) Das ζῷον ein μικρὸς κόσμος. Phys. 252 b, 26.
8) Der νοῦς, ϑειότερόν τι καὶ ἀπαϑές. de an. 408 b, 29. — τὸν νοῦν
ϑεῖον εἶναι μόνον. gen. an. 736 b, 28 (737 a, 10). εἴτε ϑεῖον ὂν εἴτε τῶν ἐν
ἡμῖν τὸ ϑειότατον Eth. Nic. 1177 a, 15. Der νοῦς ist τὸ συγγενέστατον den
Göttern. ib. 1179 a, 26. — τὸ ἀνϑρώπων γένος ἢ μόνον μετέχει τοῦ ϑείου
τῶν ἡμῖν γνωρίμων ζῴων ἢ μάλιστα πάντων. part. an. 636 a, 7.
Rohde, Seelencult. 38
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[593/0609] stoteles der Metaphysiker führt uns weiter. In der Seele des Menschen ist über den Lebenskräften des Organismus noch ein Geisteswesen lebendig, von übernatürlicher Art und Her- kunft, der „Geist“, das was „in uns denkt und meint“ 1). Dieser denkende Geist ist nicht an den Leib und dessen Leben gebunden 2). Er ist nicht mit dem menschlichen Organismus, den sein Hinzutreten vollendet, entstanden. Ungeworden, un- erschaffen, war er von je 3); „von aussen“ tritt er bei der Bil- dung der Menschen in diesen ein 4). Er bleibt, auch im Leibe wohnend, unvermischt mit dem Leibe und seinen Kräften, un- beeinflusst von ihm 5); er führt, in sich verschlossen, ein Son- derdasein, von der „Seele“, von der er doch ein „Theil“ ge- nannt wird 6), als ein ganz anderes, wie durch eine Kluft ge- trennt. Dem Gotte der Aristotelischen Welt vergleichbar, ist er, wie man sagen könnte, seiner kleinen Welt 7), dem leben- digen Organismus des Menschen, transcendent; einwirkend auf sie, ohne eine Gegenwirkung zu erfahren. Dem Gotte ist er nächstverwandt; er heisst „das Göttliche“ im Menschen 8). 1) λέγω δὲ νοῦν, ᾧ διανοεῖται καὶ ὑπολαμβάνει ἡ ψυχή. de an. 429 a, 23. 2) Der νοῦς und seine ϑεωρητικὴ δύναμις ἔοικε ψυχῆς γένος ἕτερον εἶναι, καὶ τοῦτο μόνον ἐνδέχεται χωρίζεσϑαι, καϑάπερ τὸ ἀΐδιον τοῦ φϑαρτοῦ. τὰ δὲ λοιπὰ μόρια τῆς ψυχῆς οὐκ ἔστι χωριστά κτλ. de an. 413 b, 25. 3) Es ist unleugbar die Meinung des Aristoteles, dass der νοῦς un- entstanden, ungeschaffen, von Ewigkeit war. S. Zeller, Sitzungsber. d. Berl. Akad. 1882 p. 1033 ff. 4) ϑύραϑεν ἐπεισέρχεται in den sich bildenden Menschen. gen. anim. 736 b. δ ϑύραϑεν νοῦς 744 b, 21. 5) Der νοῦς ist ἀπαϑής, ἀμιγής, οὐ μέμικται τῷ σώματι; er hat kein leibliches ὄργανον. de an. 3,4. οὐϑὲν αὐτοῦ (τοῦ νοῦ) τῇ ἐνεργείᾳ κοινωνεῖ σωματικὴ ἐνέργεια. gen. an. 736 b, 28. 6) μόριον τῆς ψυχῆς, de an. 429 a, 10 ff. ψυχὴ οὐχ ὅλη, ἀλλ̕ ἡ νοη- τική. 429 a, 28. ἡ ψυχή ‒ μὴ πᾶσα, ἀλλ̕ ὁ νοῦς. Met. 1070 a, 26. 7) Das ζῷον ein μικρὸς κόσμος. Phys. 252 b, 26. 8) Der νοῦς, ϑειότερόν τι καὶ ἀπαϑές. de an. 408 b, 29. — τὸν νοῦν ϑεῖον εἶναι μόνον. gen. an. 736 b, 28 (737 a, 10). εἴτε ϑεῖον ὂν εἴτε τῶν ἐν ἡμῖν τὸ ϑειότατον Eth. Nic. 1177 a, 15. Der νοῦς ist τὸ συγγενέστατον den Göttern. ib. 1179 a, 26. — τὸ ἀνϑρώπων γένος ἢ μόνον μετέχει τοῦ ϑείου τῶν ἡμῖν γνωρίμων ζῴων ἢ μάλιστα πάντων. part. an. 636 a, 7. Rohde, Seelencult. 38

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/609>, abgerufen am 25.11.2024.