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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Leib gezwungen, in einen neuen Zustand irdischen Lebens ver-
setzt, den sie nach eigener Wahl, entsprechend dem besonderen
Wesen, das sie in dem früheren Erdendasein sich erworben
hat, ergreift 1). Nicht ein organischer Zusammenhang, aber

setzung des ersten Entwurfes des Politeia); Phaedon, cap. 59--62. Die
Einzelausführungen dieser mythischen Darstellungen, in denen sich wohl
noch scheiden liesse, was Plato aus alter Dichtung und Volkssage, was
aus theologischer, besonders Orphischer Lehrdichtung, auch was er etwa
(in Rep. X) aus orientalischen Phantasiebildern entnommen hat und worin er
über alles dieses selbständig hinausgeht, sollen hier nicht betrachtet werden
(einige Bemerkungen bei G. Ettig, Acheruntica, Leipz. Stud. XIII 305 ff.).
Unter den Seelen pflegt er drei (nur scheinbar zwei im Phaedr. 249 A) Classen
zu unterscheiden: die mit heilbaren Vergehen behafteten, die unheilbar
verbrecherischen (die er zu ewigen Strafen im Tartarus, ohne Wieder-
geburt, verurtheilt: Gorg. 525 C ff.; Rep. 10, 615 D; Phaedon 113 E) und
die osios bebiokotes, dikaioi kai osioi. So Gorg. 525 B. C; 526 C; Rep.
10, 615 B/C (hier kommen noch die aoroi hinzu, 615 C, denen sich doch
weder Lohn noch Strafe zuertheilen liess: von ihnen sagte Er alla, ouk
axia mnemes. Vermuthlich hatte mit ihnen schon ältere Theologie, nicht
zufrieden mit den Volkssagen vom Loose der aoroi [s. oben p. 373, 1], sich
abgequält: das war so recht eine Doctorfrage für diese Scholastiker des
Wahnglaubens). Im Phaidon 113 D ff. wird die Sache noch feiner syste-
matisirt. Dort werden unterschieden: 1) die mesos bebiokotes (che visser'
senz' infamia e senza lode
), 2) oi aniatos ekhontes, 3) oi iasima emartekotes,
4) oi diapherontos osios bebiokotes und 5) die creme dieser osioi, die wahren
Philosophen, oi philosophia ikanos katheramenoi: diese werden gar nicht
wiedergeboren. Den anderen Classen wird Reinigung und Lohn oder
Strafe genau zugemessen. Hier entsprechen die 2., 3., 4. Classe den drei
Classen in Rep. X und Gorgias (die nach dem Vorgang älterer theologi-
scher Dichtung unterschieden sein könnten: s. oben p. 513 Anm.). Neu
sind die mesos bebiokotes und die wahren Philosophen. Für diese genügt
nicht mehr der Aufenthalt auf den makaron nesoi (Gorg. 526 C) oder,
was dasselbe sagt, auf der wahren Oberfläche der Erde (Phaedon 114 B/C):
sie gehen es makaron tinas eudaimonias (115 D), eigentlich: sie werden
aus der Zeitlichkeit ganz erlöst und treten in das unwandelbare "jetzt"
der Ewigkeit ein. (Was das gänzliche Ausscheiden der philosophoi betrifft,
so widerspricht die Darstellung der Republik X cap. 13 der im Phaidon
nicht: es kann nur darum dort nicht davon die Rede sein, weil auf dem
leimon [614 E] diese gänzlich ausscheidenden Seelen nicht erscheinen
können.) -- Von diesen Darstellungen scheint die des Phaidon die jüngste
zu sein. In den Nomoi noch eine unbestimmtere Andeutung der Noth-
wendigkeit, nach dem Tode Vergeltung zu erleiden: X 904 C ff.
1) Wahl des neuen Lebenszustandes durch die Seele im Jenseits:

Leib gezwungen, in einen neuen Zustand irdischen Lebens ver-
setzt, den sie nach eigener Wahl, entsprechend dem besonderen
Wesen, das sie in dem früheren Erdendasein sich erworben
hat, ergreift 1). Nicht ein organischer Zusammenhang, aber

setzung des ersten Entwurfes des Πολιτεία); Phaedon, cap. 59—62. Die
Einzelausführungen dieser mythischen Darstellungen, in denen sich wohl
noch scheiden liesse, was Plato aus alter Dichtung und Volkssage, was
aus theologischer, besonders Orphischer Lehrdichtung, auch was er etwa
(in Rep. X) aus orientalischen Phantasiebildern entnommen hat und worin er
über alles dieses selbständig hinausgeht, sollen hier nicht betrachtet werden
(einige Bemerkungen bei G. Ettig, Acheruntica, Leipz. Stud. XIII 305 ff.).
Unter den Seelen pflegt er drei (nur scheinbar zwei im Phaedr. 249 A) Classen
zu unterscheiden: die mit heilbaren Vergehen behafteten, die unheilbar
verbrecherischen (die er zu ewigen Strafen im Tartarus, ohne Wieder-
geburt, verurtheilt: Gorg. 525 C ff.; Rep. 10, 615 D; Phaedon 113 E) und
die ὁσίως βεβιωκότες, δίκαιοι καὶ ὅσιοι. So Gorg. 525 B. C; 526 C; Rep.
10, 615 B/C (hier kommen noch die ἄωροι hinzu, 615 C, denen sich doch
weder Lohn noch Strafe zuertheilen liess: von ihnen sagte Er ἄλλα, οὐκ
ἄξια μνήμης. Vermuthlich hatte mit ihnen schon ältere Theologie, nicht
zufrieden mit den Volkssagen vom Loose der ἄωροι [s. oben p. 373, 1], sich
abgequält: das war so recht eine Doctorfrage für diese Scholastiker des
Wahnglaubens). Im Φαίδων 113 D ff. wird die Sache noch feiner syste-
matisirt. Dort werden unterschieden: 1) die μέσως βεβιωκότες (che visser’
senz’ infamia e senza lode
), 2) οἱ ἀνιάτως ἔχοντες, 3) οἱ ἰάσιμα ἡμαρτηκότες,
4) οἱ διαφερόντως ὁσίως βεβιωκότες und 5) die crême dieser ὅσιοι, die wahren
Philosophen, οἱ φιλοσοφίᾳ ἱκανῶς καϑηράμενοι: diese werden gar nicht
wiedergeboren. Den anderen Classen wird Reinigung und Lohn oder
Strafe genau zugemessen. Hier entsprechen die 2., 3., 4. Classe den drei
Classen in Rep. X und Gorgias (die nach dem Vorgang älterer theologi-
scher Dichtung unterschieden sein könnten: s. oben p. 513 Anm.). Neu
sind die μέσως βεβιωκότες und die wahren Philosophen. Für diese genügt
nicht mehr der Aufenthalt auf den μακάρων νῆσοι (Gorg. 526 C) oder,
was dasselbe sagt, auf der wahren Oberfläche der Erde (Phaedon 114 B/C):
sie gehen ἐς μακάρων τινὰς εὐδαιμονίας (115 D), eigentlich: sie werden
aus der Zeitlichkeit ganz erlöst und treten in das unwandelbare „jetzt“
der Ewigkeit ein. (Was das gänzliche Ausscheiden der φιλόσοφοι betrifft,
so widerspricht die Darstellung der Republik X cap. 13 der im Φαίδων
nicht: es kann nur darum dort nicht davon die Rede sein, weil auf dem
λειμών [614 E] diese gänzlich ausscheidenden Seelen nicht erscheinen
können.) — Von diesen Darstellungen scheint die des Φαίδων die jüngste
zu sein. In den Νόμοι noch eine unbestimmtere Andeutung der Noth-
wendigkeit, nach dem Tode Vergeltung zu erleiden: X 904 C ff.
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[567/0583] Leib gezwungen, in einen neuen Zustand irdischen Lebens ver- setzt, den sie nach eigener Wahl, entsprechend dem besonderen Wesen, das sie in dem früheren Erdendasein sich erworben hat, ergreift 1). Nicht ein organischer Zusammenhang, aber 5) 1) Wahl des neuen Lebenszustandes durch die Seele im Jenseits: 5) setzung des ersten Entwurfes des Πολιτεία); Phaedon, cap. 59—62. Die Einzelausführungen dieser mythischen Darstellungen, in denen sich wohl noch scheiden liesse, was Plato aus alter Dichtung und Volkssage, was aus theologischer, besonders Orphischer Lehrdichtung, auch was er etwa (in Rep. X) aus orientalischen Phantasiebildern entnommen hat und worin er über alles dieses selbständig hinausgeht, sollen hier nicht betrachtet werden (einige Bemerkungen bei G. Ettig, Acheruntica, Leipz. Stud. XIII 305 ff.). Unter den Seelen pflegt er drei (nur scheinbar zwei im Phaedr. 249 A) Classen zu unterscheiden: die mit heilbaren Vergehen behafteten, die unheilbar verbrecherischen (die er zu ewigen Strafen im Tartarus, ohne Wieder- geburt, verurtheilt: Gorg. 525 C ff.; Rep. 10, 615 D; Phaedon 113 E) und die ὁσίως βεβιωκότες, δίκαιοι καὶ ὅσιοι. So Gorg. 525 B. C; 526 C; Rep. 10, 615 B/C (hier kommen noch die ἄωροι hinzu, 615 C, denen sich doch weder Lohn noch Strafe zuertheilen liess: von ihnen sagte Er ἄλλα, οὐκ ἄξια μνήμης. Vermuthlich hatte mit ihnen schon ältere Theologie, nicht zufrieden mit den Volkssagen vom Loose der ἄωροι [s. oben p. 373, 1], sich abgequält: das war so recht eine Doctorfrage für diese Scholastiker des Wahnglaubens). Im Φαίδων 113 D ff. wird die Sache noch feiner syste- matisirt. Dort werden unterschieden: 1) die μέσως βεβιωκότες (che visser’ senz’ infamia e senza lode), 2) οἱ ἀνιάτως ἔχοντες, 3) οἱ ἰάσιμα ἡμαρτηκότες, 4) οἱ διαφερόντως ὁσίως βεβιωκότες und 5) die crême dieser ὅσιοι, die wahren Philosophen, οἱ φιλοσοφίᾳ ἱκανῶς καϑηράμενοι: diese werden gar nicht wiedergeboren. Den anderen Classen wird Reinigung und Lohn oder Strafe genau zugemessen. Hier entsprechen die 2., 3., 4. Classe den drei Classen in Rep. X und Gorgias (die nach dem Vorgang älterer theologi- scher Dichtung unterschieden sein könnten: s. oben p. 513 Anm.). Neu sind die μέσως βεβιωκότες und die wahren Philosophen. Für diese genügt nicht mehr der Aufenthalt auf den μακάρων νῆσοι (Gorg. 526 C) oder, was dasselbe sagt, auf der wahren Oberfläche der Erde (Phaedon 114 B/C): sie gehen ἐς μακάρων τινὰς εὐδαιμονίας (115 D), eigentlich: sie werden aus der Zeitlichkeit ganz erlöst und treten in das unwandelbare „jetzt“ der Ewigkeit ein. (Was das gänzliche Ausscheiden der φιλόσοφοι betrifft, so widerspricht die Darstellung der Republik X cap. 13 der im Φαίδων nicht: es kann nur darum dort nicht davon die Rede sein, weil auf dem λειμών [614 E] diese gänzlich ausscheidenden Seelen nicht erscheinen können.) — Von diesen Darstellungen scheint die des Φαίδων die jüngste zu sein. In den Νόμοι noch eine unbestimmtere Andeutung der Noth- wendigkeit, nach dem Tode Vergeltung zu erleiden: X 904 C ff.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/583>, abgerufen am 25.11.2024.