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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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heiten, wie Unverstand, wilde Leidenschaft, kommen ihr vom
Leibe 1). Sie ist nicht unveränderlich, wie die Ideen, denen
sie nur verwandt, nicht gleichartig ist; vielmehr kann sie völlig
entarten. In ihr Inneres dringen die bösen Einflüsse des
Leibes ein; sie selbst, das ewige, immaterielle Geisteswesen,
kann etwas "körperartiges" annehmen 2) durch so schlimme
Nachbarschaft.

Sie ist an den Leib gebunden durch Triebe einer niede-
ren Art, die sich zu der ihr allein eigenen Erkenntnisskraft
gesellen. In den Anfängen seiner Speculation waren Plato die
sich von einander unterscheidenden und wechselnd einander
bekämpfenden oder unterstützenden Kräfte der Seele, ähnlich
wie vor ihm anderen Denkern 3), als Theile ungleichen Ranges
und Werthes, in der Seele des Menschen mit einander ver-
bunden, erschienen 4). Schon im Vorleben der Seele im Jen-
seits sieht der "Phaedros" die Denkkraft in ihr verkoppelt mit
"Muth" und "Begierde": diese eben sind es, welche die Seele
in das Reich der Sinnlichkeit herunterziehen; untrennbar bleiben
die drei Theile auch in dem ewigen Leben vereinigt, das der
Seele nach ihrer Lösung vom Leibe wartet.

1) Tim. cap. 41. In Summa: kakos ekon oudeis, dia de poneran exin
tina tou somatos kai apaideuton trophen (Erziehung der Seele) o kakos
gignetai kakos. 86 E.
2) to somatoeides o te psukhe e omilia te kai xunousia tou somatos
-- -- enepoiese xumphuton ktl. Phaedon 81 C. 83 D.
3) Pythagoreern: s. oben p. 464, 1. Schwerlich Demokrit (Doxogr.
p. 390, 14). Die Dreitheilung besteht sehr wohl neben der auch vor-
kommenden Zweitheilung in logistikon und alogiston; dessen Theile sind
eben thumos und epithumia.
4) Erster Entwurf der Republik, II--V. Dort zwar aufs Engste ver-
bunden mit den drei Kasten oder Ständen des Staates, aber nicht diesen
zuliebe der Seele angedichtet; sondern wirklich ist die Trichotomie der
Seele das Ursprüngliche, aus dem die Dreitheilung der Bürgerschaft erst
erläutert und hergeleitet wird. S. IV 435 E. -- Dass Plato von der
Dreitheilung der Seele niemals in vollem Ernst, sondern immer nur als
von einem halben Mythus, einer nur einstweilen giltigen Hypothese ge-
redet habe, -- wie behauptet worden ist -- wird einer unbefangenen
Betrachtung der die Dreitheilung ausführenden Abschnitte Platonischer
Schriften nicht glaublich erscheinen können.

heiten, wie Unverstand, wilde Leidenschaft, kommen ihr vom
Leibe 1). Sie ist nicht unveränderlich, wie die Ideen, denen
sie nur verwandt, nicht gleichartig ist; vielmehr kann sie völlig
entarten. In ihr Inneres dringen die bösen Einflüsse des
Leibes ein; sie selbst, das ewige, immaterielle Geisteswesen,
kann etwas „körperartiges“ annehmen 2) durch so schlimme
Nachbarschaft.

Sie ist an den Leib gebunden durch Triebe einer niede-
ren Art, die sich zu der ihr allein eigenen Erkenntnisskraft
gesellen. In den Anfängen seiner Speculation waren Plato die
sich von einander unterscheidenden und wechselnd einander
bekämpfenden oder unterstützenden Kräfte der Seele, ähnlich
wie vor ihm anderen Denkern 3), als Theile ungleichen Ranges
und Werthes, in der Seele des Menschen mit einander ver-
bunden, erschienen 4). Schon im Vorleben der Seele im Jen-
seits sieht der „Phaedros“ die Denkkraft in ihr verkoppelt mit
„Muth“ und „Begierde“: diese eben sind es, welche die Seele
in das Reich der Sinnlichkeit herunterziehen; untrennbar bleiben
die drei Theile auch in dem ewigen Leben vereinigt, das der
Seele nach ihrer Lösung vom Leibe wartet.

1) Tim. cap. 41. In Summa: κακὸς ἑκὼν οὐδείς, διὰ δὲ πονηρὰν ἕξιν
τινὰ τοῦ σῶματος καὶ ἀπαίδευτον τροφὴν (Erziehung der Seele) ὁ κακὸς
γίγνεται κακός. 86 E.
2) τὸ σωματοειδὲς ὃ τῇ ψυχῇ ἡ ὁμιλία τε καὶ ξυνουσία τοῦ σώματος
— — ἐνεποίησε ξύμφυτον κτλ. Phaedon 81 C. 83 D.
3) Pythagoreern: s. oben p. 464, 1. Schwerlich Demokrit (Doxogr.
p. 390, 14). Die Dreitheilung besteht sehr wohl neben der auch vor-
kommenden Zweitheilung in λογιστικόν und ἀλόγιστον; dessen Theile sind
eben ϑυμός und ἐπιϑυμία.
4) Erster Entwurf der Republik, II—V. Dort zwar aufs Engste ver-
bunden mit den drei Kasten oder Ständen des Staates, aber nicht diesen
zuliebe der Seele angedichtet; sondern wirklich ist die Trichotomie der
Seele das Ursprüngliche, aus dem die Dreitheilung der Bürgerschaft erst
erläutert und hergeleitet wird. S. IV 435 E. — Dass Plato von der
Dreitheilung der Seele niemals in vollem Ernst, sondern immer nur als
von einem halben Mythus, einer nur einstweilen giltigen Hypothese ge-
redet habe, — wie behauptet worden ist — wird einer unbefangenen
Betrachtung der die Dreitheilung ausführenden Abschnitte Platonischer
Schriften nicht glaublich erscheinen können.
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[564/0580] heiten, wie Unverstand, wilde Leidenschaft, kommen ihr vom Leibe 1). Sie ist nicht unveränderlich, wie die Ideen, denen sie nur verwandt, nicht gleichartig ist; vielmehr kann sie völlig entarten. In ihr Inneres dringen die bösen Einflüsse des Leibes ein; sie selbst, das ewige, immaterielle Geisteswesen, kann etwas „körperartiges“ annehmen 2) durch so schlimme Nachbarschaft. Sie ist an den Leib gebunden durch Triebe einer niede- ren Art, die sich zu der ihr allein eigenen Erkenntnisskraft gesellen. In den Anfängen seiner Speculation waren Plato die sich von einander unterscheidenden und wechselnd einander bekämpfenden oder unterstützenden Kräfte der Seele, ähnlich wie vor ihm anderen Denkern 3), als Theile ungleichen Ranges und Werthes, in der Seele des Menschen mit einander ver- bunden, erschienen 4). Schon im Vorleben der Seele im Jen- seits sieht der „Phaedros“ die Denkkraft in ihr verkoppelt mit „Muth“ und „Begierde“: diese eben sind es, welche die Seele in das Reich der Sinnlichkeit herunterziehen; untrennbar bleiben die drei Theile auch in dem ewigen Leben vereinigt, das der Seele nach ihrer Lösung vom Leibe wartet. 1) Tim. cap. 41. In Summa: κακὸς ἑκὼν οὐδείς, διὰ δὲ πονηρὰν ἕξιν τινὰ τοῦ σῶματος καὶ ἀπαίδευτον τροφὴν (Erziehung der Seele) ὁ κακὸς γίγνεται κακός. 86 E. 2) τὸ σωματοειδὲς ὃ τῇ ψυχῇ ἡ ὁμιλία τε καὶ ξυνουσία τοῦ σώματος — — ἐνεποίησε ξύμφυτον κτλ. Phaedon 81 C. 83 D. 3) Pythagoreern: s. oben p. 464, 1. Schwerlich Demokrit (Doxogr. p. 390, 14). Die Dreitheilung besteht sehr wohl neben der auch vor- kommenden Zweitheilung in λογιστικόν und ἀλόγιστον; dessen Theile sind eben ϑυμός und ἐπιϑυμία. 4) Erster Entwurf der Republik, II—V. Dort zwar aufs Engste ver- bunden mit den drei Kasten oder Ständen des Staates, aber nicht diesen zuliebe der Seele angedichtet; sondern wirklich ist die Trichotomie der Seele das Ursprüngliche, aus dem die Dreitheilung der Bürgerschaft erst erläutert und hergeleitet wird. S. IV 435 E. — Dass Plato von der Dreitheilung der Seele niemals in vollem Ernst, sondern immer nur als von einem halben Mythus, einer nur einstweilen giltigen Hypothese ge- redet habe, — wie behauptet worden ist — wird einer unbefangenen Betrachtung der die Dreitheilung ausführenden Abschnitte Platonischer Schriften nicht glaublich erscheinen können.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/580>, abgerufen am 25.11.2024.