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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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auch nachdem der Tod dazwischen getreten ist, bleibt Erhö-
hung zu ewigem Leben, selbst über heroisches Dasein hinaus,
möglich. Semele lebt für immer unter den Olympiern, da
sie doch gestorben ist unter dem Krachen des Blitzstrahls 1).
Nicht unvereinbar geschieden sind Menschen und Götter; an
hohem Sinne, auch der Tüchtigkeit des Leibes nach können
wir den Unsterblichen von ferne ähnlich werden 2). Eine
Mutter gebar beide Geschlechter, aber freilich tief bleibt die
Kluft zwischen ihnen: der Mensch ist ein Nichts, eines Schattens
Traumerscheinung; jenen bleibt immer als unerschütterter Sitz
der eherne Himmel 3). Nur ein Wunder, ein göttlicher Eingriff
in den gesetzlichen Naturverlauf hebt einzelne Seelen zum ewi-
gen Leben der Heroen und Götter empor. --

In solchen Anschauungen konnte sich auch ergehn, wer
vollständig auf dem Boden volksthümlichen Glaubens blieb.
Ihnen stehen aber bei Pindar Darlegungen ganz andrer Art
entgegen, die in breiter Ausführung, mit dogmatischer Be-
stimmtheit vorgetragen, sich wie der Inbegriff einer festgepräg-
ten Lehre von Natur, Bestimmung und Schicksal der Seele
geben, und in der That, trotz einiger poetischen Freiheit in der
wechselnden Ausbildung einzelner Züge des Bildes, in der
Hauptsache sich zu einem wohlverbundenen Ganzen zusammen-
schliessen.

Die Seele, das "Abbild des Lebens", das andere Ich des
lebenden und sichtbaren Menschen, "schläft", während die
Glieder des Menschen thätig sind; dem Schlafenden zeigt sie

ist nicht zu denken: dazu würde nicht passen das: od eipe marna-
menon
43.]) -- Ganymed zu ewigem Leben entrückt: Ol. 1, 44; 10, 104 f.
-- Sonst zeitweilige Entrückung zu den Göttern oder von einem Ort der
Erde zu einem andern: Ol. 1, 36 ff.; 9, 58; P. 9, 5 ff.; J. 7, 20 f.
1) Ol. 2, 25 f.
2) alla ti prospheromen empan e megan noon etoi phusin athanatois
Nem. 6, 4 f.
3) skias onar anthropos P. 8, 95. en andron, en theon genos, ek mias
de pneomen matros amphoteroi; dieirgei de pasa kekrimena dunamis, os to men
ouden, o de khalkeos asphales aien edos menei ouranos. Nem. 6.

auch nachdem der Tod dazwischen getreten ist, bleibt Erhö-
hung zu ewigem Leben, selbst über heroisches Dasein hinaus,
möglich. Semele lebt für immer unter den Olympiern, da
sie doch gestorben ist unter dem Krachen des Blitzstrahls 1).
Nicht unvereinbar geschieden sind Menschen und Götter; an
hohem Sinne, auch der Tüchtigkeit des Leibes nach können
wir den Unsterblichen von ferne ähnlich werden 2). Eine
Mutter gebar beide Geschlechter, aber freilich tief bleibt die
Kluft zwischen ihnen: der Mensch ist ein Nichts, eines Schattens
Traumerscheinung; jenen bleibt immer als unerschütterter Sitz
der eherne Himmel 3). Nur ein Wunder, ein göttlicher Eingriff
in den gesetzlichen Naturverlauf hebt einzelne Seelen zum ewi-
gen Leben der Heroen und Götter empor. —

In solchen Anschauungen konnte sich auch ergehn, wer
vollständig auf dem Boden volksthümlichen Glaubens blieb.
Ihnen stehen aber bei Pindar Darlegungen ganz andrer Art
entgegen, die in breiter Ausführung, mit dogmatischer Be-
stimmtheit vorgetragen, sich wie der Inbegriff einer festgepräg-
ten Lehre von Natur, Bestimmung und Schicksal der Seele
geben, und in der That, trotz einiger poetischen Freiheit in der
wechselnden Ausbildung einzelner Züge des Bildes, in der
Hauptsache sich zu einem wohlverbundenen Ganzen zusammen-
schliessen.

Die Seele, das „Abbild des Lebens“, das andere Ich des
lebenden und sichtbaren Menschen, „schläft“, während die
Glieder des Menschen thätig sind; dem Schlafenden zeigt sie

ist nicht zu denken: dazu würde nicht passen das: ὧδ̕ εἶπε μαρνα-
μένων
43.]) — Ganymed zu ewigem Leben entrückt: Ol. 1, 44; 10, 104 f.
— Sonst zeitweilige Entrückung zu den Göttern oder von einem Ort der
Erde zu einem andern: Ol. 1, 36 ff.; 9, 58; P. 9, 5 ff.; J. 7, 20 f.
1) Ol. 2, 25 f.
2) ἀλλά τι προσφέρομεν ἔμπαν ἢ μέγαν νόον ἤτοι φύσιν ἀϑανάτοις
Nem. 6, 4 f.
3) σκιᾶς ὄναρ ἄνϑρωπος P. 8, 95. ἓν ἀνδρῶν, ἓν ϑεῶν γένος, ἐκ μιᾶς
δὲ πνέομεν ματρὸς ἀμφότεροι· διείργει δὲ πᾶσα κεκριμένα δύναμις, ὡς τὸ μὲν
οὐδέν, ὁ δὲ χάλκεος ἀσφαλὲς αἰὲν ἕδος μένει οὐρανός. Nem. 6.
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[498/0514] auch nachdem der Tod dazwischen getreten ist, bleibt Erhö- hung zu ewigem Leben, selbst über heroisches Dasein hinaus, möglich. Semele lebt für immer unter den Olympiern, da sie doch gestorben ist unter dem Krachen des Blitzstrahls 1). Nicht unvereinbar geschieden sind Menschen und Götter; an hohem Sinne, auch der Tüchtigkeit des Leibes nach können wir den Unsterblichen von ferne ähnlich werden 2). Eine Mutter gebar beide Geschlechter, aber freilich tief bleibt die Kluft zwischen ihnen: der Mensch ist ein Nichts, eines Schattens Traumerscheinung; jenen bleibt immer als unerschütterter Sitz der eherne Himmel 3). Nur ein Wunder, ein göttlicher Eingriff in den gesetzlichen Naturverlauf hebt einzelne Seelen zum ewi- gen Leben der Heroen und Götter empor. — In solchen Anschauungen konnte sich auch ergehn, wer vollständig auf dem Boden volksthümlichen Glaubens blieb. Ihnen stehen aber bei Pindar Darlegungen ganz andrer Art entgegen, die in breiter Ausführung, mit dogmatischer Be- stimmtheit vorgetragen, sich wie der Inbegriff einer festgepräg- ten Lehre von Natur, Bestimmung und Schicksal der Seele geben, und in der That, trotz einiger poetischen Freiheit in der wechselnden Ausbildung einzelner Züge des Bildes, in der Hauptsache sich zu einem wohlverbundenen Ganzen zusammen- schliessen. Die Seele, das „Abbild des Lebens“, das andere Ich des lebenden und sichtbaren Menschen, „schläft“, während die Glieder des Menschen thätig sind; dem Schlafenden zeigt sie 5) 1) Ol. 2, 25 f. 2) ἀλλά τι προσφέρομεν ἔμπαν ἢ μέγαν νόον ἤτοι φύσιν ἀϑανάτοις Nem. 6, 4 f. 3) σκιᾶς ὄναρ ἄνϑρωπος P. 8, 95. ἓν ἀνδρῶν, ἓν ϑεῶν γένος, ἐκ μιᾶς δὲ πνέομεν ματρὸς ἀμφότεροι· διείργει δὲ πᾶσα κεκριμένα δύναμις, ὡς τὸ μὲν οὐδέν, ὁ δὲ χάλκεος ἀσφαλὲς αἰὲν ἕδος μένει οὐρανός. Nem. 6. 5) ist nicht zu denken: dazu würde nicht passen das: ὧδ̕ εἶπε μαρνα- μένων 43.]) — Ganymed zu ewigem Leben entrückt: Ol. 1, 44; 10, 104 f. — Sonst zeitweilige Entrückung zu den Göttern oder von einem Ort der Erde zu einem andern: Ol. 1, 36 ff.; 9, 58; P. 9, 5 ff.; J. 7, 20 f.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/514>, abgerufen am 22.11.2024.