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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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wandern in wechselnden Verkörperungen. "Und so war ich
selbst schon ein Knabe, so war ich ein Mädchen, war ein
Gesträuch und ein Vogel, ein sprachloser Fisch in der Salz-
fluth (V. 11. 12)." Dieser Dämon, der zur Strafe seines
Frevels durch die Gestalten von Menschen und Thiere und
selbst Pflanzen wandern muss, ist offenbar nichts anderes als
was der Volksmund und auch die Theologen die "Psyche"
nennen, der Seelengeist 1). Was von dessen göttlichem Ur-
sprung, Verfehlung und Strafverbannung in irdische Leiber
die Anhänger der Seelenwanderungslehre längst zu berichten
wussten, wird von Empedokles in allem wesentlichen nur, wie-
wohl in deutlicherer Fassung, wiederholt 2). Auch wo er, als
Lehrer des Heils, die Mittel angiebt, durch die in der Reihen-
folge der Geburten günstigere Lebensformen und Lebensbedin-
gungen erlangt und zuletzt Befreiung von Wiedergeburt er-
reicht werden könne 3), folgt Empedokles dem Vorbild der
Reinigungspriester und Theologen älterer Zeit. Es gilt, den
Dämon in uns rein zu erhalten von Befleckungen, die ihn an
das irdische Leben fester binden. Hierzu dienen vor allem die
religiösen Reinheitsmittel, die Empedokles nicht anders als
jene alten Katharten verehrt. Es gilt, von jeder Art der

1) Auch auf diese in die Leiblichkeit eingeschlossenen daimones
wendet Empedokles nirgends die Bezeichnung psukhai an. Aber überall
werden sie ohne Umstände so genannt von den späteren Autoren, welche
Verse des Prooemiums der Phusika anführen, Plutarch, Plotinus, Hippo-
lytus u. A.
2) Eigenthümlich ist dem E. der Versuch, die Art der "Verschul-
dung" der Geister, um derentwillen sie zur ensomatosis verdammt sind,
genauer anzugeben, und die Ausdehnung der Metempsychose auch auf
Pflanzen (die nur aus Unkunde bisweilen von späten Berichterstattern
auch den Pythagoreern zugeschrieben wird).
3) Völlig Unreine scheint E. nicht (wie Pythagoreer bisweilen) zu
ewigen Strafen im Hades (von dem und von denen er überhaupt nichts
weiss) verdammt zu haben, sondern ihnen immer neue Wiedergeburten
auf Erden, die Unmöglichkeit des kuklou lexai (vor der vollen Herrschaft
der philia), angedroht zu haben. Dies scheint, nach der Art, wie die
Worte bei Clemens Al. protr. 17 A citirt werden, der Sinn der v. 455 f.
zu sein.

wandern in wechselnden Verkörperungen. „Und so war ich
selbst schon ein Knabe, so war ich ein Mädchen, war ein
Gesträuch und ein Vogel, ein sprachloser Fisch in der Salz-
fluth (V. 11. 12).“ Dieser Dämon, der zur Strafe seines
Frevels durch die Gestalten von Menschen und Thiere und
selbst Pflanzen wandern muss, ist offenbar nichts anderes als
was der Volksmund und auch die Theologen die „Psyche“
nennen, der Seelengeist 1). Was von dessen göttlichem Ur-
sprung, Verfehlung und Strafverbannung in irdische Leiber
die Anhänger der Seelenwanderungslehre längst zu berichten
wussten, wird von Empedokles in allem wesentlichen nur, wie-
wohl in deutlicherer Fassung, wiederholt 2). Auch wo er, als
Lehrer des Heils, die Mittel angiebt, durch die in der Reihen-
folge der Geburten günstigere Lebensformen und Lebensbedin-
gungen erlangt und zuletzt Befreiung von Wiedergeburt er-
reicht werden könne 3), folgt Empedokles dem Vorbild der
Reinigungspriester und Theologen älterer Zeit. Es gilt, den
Dämon in uns rein zu erhalten von Befleckungen, die ihn an
das irdische Leben fester binden. Hierzu dienen vor allem die
religiösen Reinheitsmittel, die Empedokles nicht anders als
jene alten Katharten verehrt. Es gilt, von jeder Art der

1) Auch auf diese in die Leiblichkeit eingeschlossenen δαίμονες
wendet Empedokles nirgends die Bezeichnung ψυχαί an. Aber überall
werden sie ohne Umstände so genannt von den späteren Autoren, welche
Verse des Prooemiums der Φυσικά anführen, Plutarch, Plotinus, Hippo-
lytus u. A.
2) Eigenthümlich ist dem E. der Versuch, die Art der „Verschul-
dung“ der Geister, um derentwillen sie zur ἐνσωμάτωσις verdammt sind,
genauer anzugeben, und die Ausdehnung der Metempsychose auch auf
Pflanzen (die nur aus Unkunde bisweilen von späten Berichterstattern
auch den Pythagoreern zugeschrieben wird).
3) Völlig Unreine scheint E. nicht (wie Pythagoreer bisweilen) zu
ewigen Strafen im Hades (von dem und von denen er überhaupt nichts
weiss) verdammt zu haben, sondern ihnen immer neue Wiedergeburten
auf Erden, die Unmöglichkeit des κύκλου λῆξαι (vor der vollen Herrschaft
der φιλία), angedroht zu haben. Dies scheint, nach der Art, wie die
Worte bei Clemens Al. protr. 17 A citirt werden, der Sinn der v. 455 f.
zu sein.
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[473/0489] wandern in wechselnden Verkörperungen. „Und so war ich selbst schon ein Knabe, so war ich ein Mädchen, war ein Gesträuch und ein Vogel, ein sprachloser Fisch in der Salz- fluth (V. 11. 12).“ Dieser Dämon, der zur Strafe seines Frevels durch die Gestalten von Menschen und Thiere und selbst Pflanzen wandern muss, ist offenbar nichts anderes als was der Volksmund und auch die Theologen die „Psyche“ nennen, der Seelengeist 1). Was von dessen göttlichem Ur- sprung, Verfehlung und Strafverbannung in irdische Leiber die Anhänger der Seelenwanderungslehre längst zu berichten wussten, wird von Empedokles in allem wesentlichen nur, wie- wohl in deutlicherer Fassung, wiederholt 2). Auch wo er, als Lehrer des Heils, die Mittel angiebt, durch die in der Reihen- folge der Geburten günstigere Lebensformen und Lebensbedin- gungen erlangt und zuletzt Befreiung von Wiedergeburt er- reicht werden könne 3), folgt Empedokles dem Vorbild der Reinigungspriester und Theologen älterer Zeit. Es gilt, den Dämon in uns rein zu erhalten von Befleckungen, die ihn an das irdische Leben fester binden. Hierzu dienen vor allem die religiösen Reinheitsmittel, die Empedokles nicht anders als jene alten Katharten verehrt. Es gilt, von jeder Art der 1) Auch auf diese in die Leiblichkeit eingeschlossenen δαίμονες wendet Empedokles nirgends die Bezeichnung ψυχαί an. Aber überall werden sie ohne Umstände so genannt von den späteren Autoren, welche Verse des Prooemiums der Φυσικά anführen, Plutarch, Plotinus, Hippo- lytus u. A. 2) Eigenthümlich ist dem E. der Versuch, die Art der „Verschul- dung“ der Geister, um derentwillen sie zur ἐνσωμάτωσις verdammt sind, genauer anzugeben, und die Ausdehnung der Metempsychose auch auf Pflanzen (die nur aus Unkunde bisweilen von späten Berichterstattern auch den Pythagoreern zugeschrieben wird). 3) Völlig Unreine scheint E. nicht (wie Pythagoreer bisweilen) zu ewigen Strafen im Hades (von dem und von denen er überhaupt nichts weiss) verdammt zu haben, sondern ihnen immer neue Wiedergeburten auf Erden, die Unmöglichkeit des κύκλου λῆξαι (vor der vollen Herrschaft der φιλία), angedroht zu haben. Dies scheint, nach der Art, wie die Worte bei Clemens Al. protr. 17 A citirt werden, der Sinn der v. 455 f. zu sein.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/489>, abgerufen am 25.11.2024.