als immer noch lebendig, nach welcher unsterbliches Leben nur bei nie gelöster Vereinigung der Psyche mit ihrem Leibe gewonnen werden kann. Dem Sinne des Empedokles thaten solche Sagen schwerlich genug. Wenn er sich selbst als einen Gott pries, der nicht mehr sterben werde, so meinte er jeden- falls nicht, dass seine Psyche ewig an seinen Leib gebunden bleiben werde, sondern gerade im Gegentheil, dass sie, im "Tode", wie es die Menschen nennen 1), befreit von diesem ihrem letzten Leibesgewande 2), niemals wieder in einen Leib eingehen müsse, sondern in freier Göttlichkeit ewig leben werde. Seine Vorstellung von dem bewussten Weiterleben der Psyche war von der homerischen, auf der jene Entrückungssagen be- ruhten, so verschieden wie nur möglich.
Empedokles vereinigt in sich in eigenthümlicher Weise die nüchternsten Bestrebungen einer nach Kräften rationellen Naturforschung mit ganz irrationalem Glauben und theologischer Speculation. Bisweilen wirkt ein wissenschaftlicher Trieb auch bis in den Bereich seines Glaubens hinüber 3). Zumeist aber stehen in seiner Vorstellungswelt Theologie und Naturwissen- schaft unverbunden neben einander. Als Physiolog der Erbe einer schon reich und nach vielen Richtungen entwickelten Gedankenarbeit der älteren Generationen von Forschern und Denkern, weiss er Anregungen von den verschiedensten Seiten zu einem, ihm selbst genugthuenden Ganzen selbständig zu verknüpfen. Ein Werden und Vergehen, eine qualitative Ver- änderung leugnet mit den Eleaten auch er, aber das behar- rende Seiende ist ihm nicht ein untheilbar Eines. Es giebt vier "Wurzeln" der Dinge, die vier Massen der Elemente, die in dieser Abgränzung er zuerst bestimmt unterschied. Mi- schung und Trennung der, ihrer Art nach unveränderlichen
1) Vgl. V. 113 ff.
2) sarkon khiton: 414.
3) Seine Behandlung der Scheintodten (apnous) hat ganz das An- sehen eines psychophysischen Experiments, das ihm freilich die Richtigkeit gerade des irrationalen Theils seiner Seelenlehre bestätigen sollte.
als immer noch lebendig, nach welcher unsterbliches Leben nur bei nie gelöster Vereinigung der Psyche mit ihrem Leibe gewonnen werden kann. Dem Sinne des Empedokles thaten solche Sagen schwerlich genug. Wenn er sich selbst als einen Gott pries, der nicht mehr sterben werde, so meinte er jeden- falls nicht, dass seine Psyche ewig an seinen Leib gebunden bleiben werde, sondern gerade im Gegentheil, dass sie, im „Tode“, wie es die Menschen nennen 1), befreit von diesem ihrem letzten Leibesgewande 2), niemals wieder in einen Leib eingehen müsse, sondern in freier Göttlichkeit ewig leben werde. Seine Vorstellung von dem bewussten Weiterleben der Psyche war von der homerischen, auf der jene Entrückungssagen be- ruhten, so verschieden wie nur möglich.
Empedokles vereinigt in sich in eigenthümlicher Weise die nüchternsten Bestrebungen einer nach Kräften rationellen Naturforschung mit ganz irrationalem Glauben und theologischer Speculation. Bisweilen wirkt ein wissenschaftlicher Trieb auch bis in den Bereich seines Glaubens hinüber 3). Zumeist aber stehen in seiner Vorstellungswelt Theologie und Naturwissen- schaft unverbunden neben einander. Als Physiolog der Erbe einer schon reich und nach vielen Richtungen entwickelten Gedankenarbeit der älteren Generationen von Forschern und Denkern, weiss er Anregungen von den verschiedensten Seiten zu einem, ihm selbst genugthuenden Ganzen selbständig zu verknüpfen. Ein Werden und Vergehen, eine qualitative Ver- änderung leugnet mit den Eleaten auch er, aber das behar- rende Seiende ist ihm nicht ein untheilbar Eines. Es giebt vier „Wurzeln“ der Dinge, die vier Massen der Elemente, die in dieser Abgränzung er zuerst bestimmt unterschied. Mi- schung und Trennung der, ihrer Art nach unveränderlichen
1) Vgl. V. 113 ff.
2) σαρκῶν χιτών: 414.
3) Seine Behandlung der Scheintodten (ἄπνους) hat ganz das An- sehen eines psychophysischen Experiments, das ihm freilich die Richtigkeit gerade des irrationalen Theils seiner Seelenlehre bestätigen sollte.
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als immer noch lebendig, nach welcher unsterbliches Leben
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solche Sagen schwerlich genug. Wenn er sich selbst als einen
Gott pries, der nicht mehr sterben werde, so meinte er jeden-
falls nicht, dass seine Psyche ewig an seinen Leib gebunden
bleiben werde, sondern gerade im Gegentheil, dass sie, im
„Tode“, wie es die Menschen nennen 1), befreit von diesem
ihrem letzten Leibesgewande 2), niemals wieder in einen Leib
eingehen müsse, sondern in freier Göttlichkeit ewig leben werde.
Seine Vorstellung von dem bewussten Weiterleben der Psyche
war von der homerischen, auf der jene Entrückungssagen be-
ruhten, so verschieden wie nur möglich.
Empedokles vereinigt in sich in eigenthümlicher Weise
die nüchternsten Bestrebungen einer nach Kräften rationellen
Naturforschung mit ganz irrationalem Glauben und theologischer
Speculation. Bisweilen wirkt ein wissenschaftlicher Trieb auch
bis in den Bereich seines Glaubens hinüber 3). Zumeist aber
stehen in seiner Vorstellungswelt Theologie und Naturwissen-
schaft unverbunden neben einander. Als Physiolog der Erbe
einer schon reich und nach vielen Richtungen entwickelten
Gedankenarbeit der älteren Generationen von Forschern und
Denkern, weiss er Anregungen von den verschiedensten Seiten
zu einem, ihm selbst genugthuenden Ganzen selbständig zu
verknüpfen. Ein Werden und Vergehen, eine qualitative Ver-
änderung leugnet mit den Eleaten auch er, aber das behar-
rende Seiende ist ihm nicht ein untheilbar Eines. Es giebt
vier „Wurzeln“ der Dinge, die vier Massen der Elemente, die
in dieser Abgränzung er zuerst bestimmt unterschied. Mi-
schung und Trennung der, ihrer Art nach unveränderlichen
1) Vgl. V. 113 ff.
2) σαρκῶν χιτών: 414.
3) Seine Behandlung der Scheintodten (ἄπνους) hat ganz das An-
sehen eines psychophysischen Experiments, das ihm freilich die
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sollte.
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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/484>, abgerufen am 22.11.2024.
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