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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Steigerung und umgestaltenden Ausführung, die sie durch die
Theologen und Reinigungspriester, zuletzt durch die Orphiker
erfahren hatte. In diese Reihe stellt den Pythagoras mit rich-
tiger Schätzung die Ueberlieferung, wenn sie ihn zum Schüler
des Pherekydes von Syros, des Theologen, macht1).

1) Schüler des Pherekydes ist Pythagoras schon dem Andron von
Ephesos (vor Theopomp): Laert. D. 1, 119. Pherekydes gilt als "der
erste", der die Unsterblichkeit der Seele (Cic. Tusc. 1 § 38), genauer die
Metempsychose (Suid. v. Pherek.) gelehrt habe (vgl. Preller, Rhein. Mus.
N. F. 4, 388 f.). In seiner mystischen Schrift muss man solche Lehren
angedeutet gefunden haben (vgl. Porphyr. antr. nymph. 31). Diese Lehre
scheint der Hauptgrund gewesen zu sein, der Spätere bewog, den alten
Theologen zum Lehrer des Pythagoras, als des wirksamsten Vertreters
der Seelenwanderungstheorie, zu machen. -- Dass aber Pherekydes von
Syros den Glauben an die Seelenwanderung bereits durch das Beispiel
des Aethalides erläutert habe, ist eine unhaltbare Meinung. Was
Schol. Apoll. Rhod. 1, 645 aus "Pherekydes" über den wechselnden Auf-
enthalt der psukhe des Aethalides im Hades und auf der Erde berichtet,
gehört nicht (wie Goettling Opusc. 210 und Kern, de Orph. Epim. Pherec.
theog.
p. 89. 106 meinen) dem Theologen Pherekydes, sondern ohne allen
Zweifel dem Genealogen und Historiker: einzig diesen Ph. findet man,
und ihn sehr häufig, in den Schol. Apoll. benutzt. Uebrigens erkennt
man, aus der Art, wie die Aussagen der verschiedenen Zeugen in jenem
Scholion abgegrenzt sind, sehr deutlich, dass Pherekydes nur von dem
Wechsel des Aethalides im Aufenthalt unter und über der Erde geredet
hatte, aber als Aethalides, nicht indem er, im Wechsel der Geburten,
sich in andere auf Erden lebende Personen metamorphosirt. Pherekydes
gab offenbar eine phthiotische Localsage wieder, nach welcher Aethalides,
der Sohn des (chthonischen?) Hermes, wechselnd oben und unten lebt,
als ein eteremeros, wie nach lakedämonischer Sage die Dioskuren (Od. l
301 ff. Dort, und nach älterer Auffassung [bei Alkman, Pindar u. s. w.]
durchaus, wechseln beide Dioskuren gleichzeitig mit dem Aufenhalt, erst
späte, umdeutende Dichtung [s. Hemsterhus. Lucian. Bipont. II p. 344]
lässt sie unter einander wechseln und einander ablösen). Erst Heraklides
Ponticus, der die Gestalt des Aethalides in die Reihe der Vorgeburten
des Pythagoras stellte (s. oben p. 454, 2) machte aus dem wechselnden Auf-
enthalt des Aethalides ein Sterben und Wiederaufleben -- aber in an-
drer
Gestalt, also ein Beispiel der Metempsychose. Man sieht sehr
deutlich, warum gerade Aethalides ihm als Glied dieser Reihe geschickt
erschien, aber auch wie er die alte Wundersage, die Pherekydes littera-
risch festgehalten hatte, zu seinem besonderen Zweck willkürlich umbog.
Dass Hermes dem Aeth. auch Erinnerungskraft nach dem Tode verliehen
habe, sagte offenbar Pherekydes nicht (sonst würde diesem in dem

Steigerung und umgestaltenden Ausführung, die sie durch die
Theologen und Reinigungspriester, zuletzt durch die Orphiker
erfahren hatte. In diese Reihe stellt den Pythagoras mit rich-
tiger Schätzung die Ueberlieferung, wenn sie ihn zum Schüler
des Pherekydes von Syros, des Theologen, macht1).

1) Schüler des Pherekydes ist Pythagoras schon dem Andron von
Ephesos (vor Theopomp): Laert. D. 1, 119. Pherekydes gilt als „der
erste“, der die Unsterblichkeit der Seele (Cic. Tusc. 1 § 38), genauer die
Metempsychose (Suid. v. Φερεκ.) gelehrt habe (vgl. Preller, Rhein. Mus.
N. F. 4, 388 f.). In seiner mystischen Schrift muss man solche Lehren
angedeutet gefunden haben (vgl. Porphyr. antr. nymph. 31). Diese Lehre
scheint der Hauptgrund gewesen zu sein, der Spätere bewog, den alten
Theologen zum Lehrer des Pythagoras, als des wirksamsten Vertreters
der Seelenwanderungstheorie, zu machen. — Dass aber Pherekydes von
Syros den Glauben an die Seelenwanderung bereits durch das Beispiel
des Aethalides erläutert habe, ist eine unhaltbare Meinung. Was
Schol. Apoll. Rhod. 1, 645 aus „Pherekydes“ über den wechselnden Auf-
enthalt der ψυχή des Aethalides im Hades und auf der Erde berichtet,
gehört nicht (wie Goettling Opusc. 210 und Kern, de Orph. Epim. Pherec.
theog.
p. 89. 106 meinen) dem Theologen Pherekydes, sondern ohne allen
Zweifel dem Genealogen und Historiker: einzig diesen Ph. findet man,
und ihn sehr häufig, in den Schol. Apoll. benutzt. Uebrigens erkennt
man, aus der Art, wie die Aussagen der verschiedenen Zeugen in jenem
Scholion abgegrenzt sind, sehr deutlich, dass Pherekydes nur von dem
Wechsel des Aethalides im Aufenthalt unter und über der Erde geredet
hatte, aber als Aethalides, nicht indem er, im Wechsel der Geburten,
sich in andere auf Erden lebende Personen metamorphosirt. Pherekydes
gab offenbar eine phthiotische Localsage wieder, nach welcher Aethalides,
der Sohn des (chthonischen?) Hermes, wechselnd oben und unten lebt,
als ein ἑτερήμερος, wie nach lakedämonischer Sage die Dioskuren (Od. λ
301 ff. Dort, und nach älterer Auffassung [bei Alkman, Pindar u. s. w.]
durchaus, wechseln beide Dioskuren gleichzeitig mit dem Aufenhalt, erst
späte, umdeutende Dichtung [s. Hemsterhus. Lucian. Bipont. II p. 344]
lässt sie unter einander wechseln und einander ablösen). Erst Heraklides
Ponticus, der die Gestalt des Aethalides in die Reihe der Vorgeburten
des Pythagoras stellte (s. oben p. 454, 2) machte aus dem wechselnden Auf-
enthalt des Aethalides ein Sterben und Wiederaufleben — aber in an-
drer
Gestalt, also ein Beispiel der Metempsychose. Man sieht sehr
deutlich, warum gerade Aethalides ihm als Glied dieser Reihe geschickt
erschien, aber auch wie er die alte Wundersage, die Pherekydes littera-
risch festgehalten hatte, zu seinem besonderen Zweck willkürlich umbog.
Dass Hermes dem Aeth. auch Erinnerungskraft nach dem Tode verliehen
habe, sagte offenbar Pherekydes nicht (sonst würde diesem in dem
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[461/0477] Steigerung und umgestaltenden Ausführung, die sie durch die Theologen und Reinigungspriester, zuletzt durch die Orphiker erfahren hatte. In diese Reihe stellt den Pythagoras mit rich- tiger Schätzung die Ueberlieferung, wenn sie ihn zum Schüler des Pherekydes von Syros, des Theologen, macht 1). 1) Schüler des Pherekydes ist Pythagoras schon dem Andron von Ephesos (vor Theopomp): Laert. D. 1, 119. Pherekydes gilt als „der erste“, der die Unsterblichkeit der Seele (Cic. Tusc. 1 § 38), genauer die Metempsychose (Suid. v. Φερεκ.) gelehrt habe (vgl. Preller, Rhein. Mus. N. F. 4, 388 f.). In seiner mystischen Schrift muss man solche Lehren angedeutet gefunden haben (vgl. Porphyr. antr. nymph. 31). Diese Lehre scheint der Hauptgrund gewesen zu sein, der Spätere bewog, den alten Theologen zum Lehrer des Pythagoras, als des wirksamsten Vertreters der Seelenwanderungstheorie, zu machen. — Dass aber Pherekydes von Syros den Glauben an die Seelenwanderung bereits durch das Beispiel des Aethalides erläutert habe, ist eine unhaltbare Meinung. Was Schol. Apoll. Rhod. 1, 645 aus „Pherekydes“ über den wechselnden Auf- enthalt der ψυχή des Aethalides im Hades und auf der Erde berichtet, gehört nicht (wie Goettling Opusc. 210 und Kern, de Orph. Epim. Pherec. theog. p. 89. 106 meinen) dem Theologen Pherekydes, sondern ohne allen Zweifel dem Genealogen und Historiker: einzig diesen Ph. findet man, und ihn sehr häufig, in den Schol. Apoll. benutzt. Uebrigens erkennt man, aus der Art, wie die Aussagen der verschiedenen Zeugen in jenem Scholion abgegrenzt sind, sehr deutlich, dass Pherekydes nur von dem Wechsel des Aethalides im Aufenthalt unter und über der Erde geredet hatte, aber als Aethalides, nicht indem er, im Wechsel der Geburten, sich in andere auf Erden lebende Personen metamorphosirt. Pherekydes gab offenbar eine phthiotische Localsage wieder, nach welcher Aethalides, der Sohn des (chthonischen?) Hermes, wechselnd oben und unten lebt, als ein ἑτερήμερος, wie nach lakedämonischer Sage die Dioskuren (Od. λ 301 ff. Dort, und nach älterer Auffassung [bei Alkman, Pindar u. s. w.] durchaus, wechseln beide Dioskuren gleichzeitig mit dem Aufenhalt, erst späte, umdeutende Dichtung [s. Hemsterhus. Lucian. Bipont. II p. 344] lässt sie unter einander wechseln und einander ablösen). Erst Heraklides Ponticus, der die Gestalt des Aethalides in die Reihe der Vorgeburten des Pythagoras stellte (s. oben p. 454, 2) machte aus dem wechselnden Auf- enthalt des Aethalides ein Sterben und Wiederaufleben — aber in an- drer Gestalt, also ein Beispiel der Metempsychose. Man sieht sehr deutlich, warum gerade Aethalides ihm als Glied dieser Reihe geschickt erschien, aber auch wie er die alte Wundersage, die Pherekydes littera- risch festgehalten hatte, zu seinem besonderen Zweck willkürlich umbog. Dass Hermes dem Aeth. auch Erinnerungskraft nach dem Tode verliehen habe, sagte offenbar Pherekydes nicht (sonst würde diesem in dem

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/477>, abgerufen am 25.11.2024.