Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.geschlossen 1). Sie hat zum Leibe keine innere Beziehung, ist 1) en phroura. Plat. Phaed. 62 B. Auf pythagoreischen Glauben führt das (mit einer unrichtigen Deutung des Wortes phroura) zurück Cicero Cato maj. 73. Aehnlich der Pythagoreer Euxitheos b. Athen. 4, 157 C. S. Böckh, Philol. 179 ff. (Philolaos fr. 16 Mull. spricht von der Weltseele oder dem Gotte, der alles en phroura halte und umfasse [s. Böckh p. 151], ohne an die Menschenseele zu denken). Der Vergleich des Lebens im Leibe mit einer phroura kann sehr wohl pythagoreisch sein; dass er auch orphisch ist (s. oben p. 415), steht dem nicht im Wege. Dieser Vergleich setzt schon voraus, dass das irdische Leben der Seele als Strafe auferlegt sei. dia tinas timorias ist die Seele in den Leib ein- geschlossen: Philol. fr. 23 mit Berufung auf die palaioi theologoi te kai manties (Jamblich. V. Pyth. 85: agathon oi ponoi -- -- epi kolasei gar elthontas dei kolasthenai). 2) Aristot. de an. 407 b, 22 ff. 3) oi en to tartaro durch Donner geschreckt nach der Meinung der Puthagoreioi: Aristot. analyt. post. 94 b, 32 ff. sunodoi ton tethneoton im Erdinnern: Aelian, var. hist. 4, 17 (vielleicht aus Aristot. p. ton Putha- goreion). Schilderung der Zustände im Hades in der Pythagoreischen Katabasis eis adou. Wie bei den Orphikern muss diese Läuterung und Bestrafung in der Geisterwelt auch zu den ernstlich geglaubten Bestand- theilen der Puthagoreioi muthoi gehört haben. 4) ekriphtheisan (aus dem Körper) auten (ten psukhen) epi ges plazesthai en to aeri omoian to somati (als rechtes eidolon des Lebenden): Alex. Polyh. b. Laert. D. 8, 31. 5) Aristot. de an. 404 a, 16 ff.: manche nannten die en to aeri xusmata selbst "Seelen", andre to tauta kinoun. Es mag ein Volksglaube zu Grunde liegen, der aber schon halb ins Philosophische erhoben ist: die Seelen werden (s. Aristot. Z. 19 f.) gleichgesetzt dem sichtbar immer bewegten. Zweifellos war dies pythagoreische (wie auch altionische) Lehre. S. Alk- maeon bei Arist. de an. 405 a, 29 ff. (Zweifelhafter ist die Richtigkeit der Angabe Doxogr. 386 a, 13 ff. b, 8 ff.). 6) Laert. D. 8, 32.
geschlossen 1). Sie hat zum Leibe keine innere Beziehung, ist 1) ἐν φρουρᾷ. Plat. Phaed. 62 B. Auf pythagoreischen Glauben führt das (mit einer unrichtigen Deutung des Wortes φρουρά) zurück Cicero Cato maj. 73. Aehnlich der Pythagoreer Euxitheos b. Athen. 4, 157 C. S. Böckh, Philol. 179 ff. (Philolaos fr. 16 Mull. spricht von der Weltseele oder dem Gotte, der alles ἐν φρουρᾷ halte und umfasse [s. Böckh p. 151], ohne an die Menschenseele zu denken). Der Vergleich des Lebens im Leibe mit einer φρουρά kann sehr wohl pythagoreisch sein; dass er auch orphisch ist (s. oben p. 415), steht dem nicht im Wege. Dieser Vergleich setzt schon voraus, dass das irdische Leben der Seele als Strafe auferlegt sei. διά τινας τιμωρίας ist die Seele in den Leib ein- geschlossen: Philol. fr. 23 mit Berufung auf die παλαιοὶ ϑεολόγοι τε καὶ μάντιες (Jamblich. V. Pyth. 85: ἀγαϑὸν οἱ πόνοι — — ἐπὶ κολάσει γὰρ ἐλϑόντας δεῖ κολασϑῆναι). 2) Aristot. de an. 407 b, 22 ff. 3) οἱ ἐν τῷ ταρτάρῳ durch Donner geschreckt nach der Meinung der Πυϑαγόρειοι: Aristot. analyt. post. 94 b, 32 ff. σύνοδοι τῶν τεϑνεώτων im Erdinnern: Aelian, var. hist. 4, 17 (vielleicht aus Aristot. π. τῶν Πυϑα- γορείων). Schilderung der Zustände im Hades in der Pythagoreischen Κατάβασις εἰς ᾅδου. Wie bei den Orphikern muss diese Läuterung und Bestrafung in der Geisterwelt auch zu den ernstlich geglaubten Bestand- theilen der Πυϑαγόρειοι μῦϑοι gehört haben. 4) ἐκριφϑεῖσαν (aus dem Körper) αὐτὴν (τὴν ψυχὴν) ἐπὶ γῆς πλάζεσϑαι ἐν τῷ ἀέρι ὁμοίαν τῷ σώματι (als rechtes εἴδωλον des Lebenden): Alex. Polyh. b. Laert. D. 8, 31. 5) Aristot. de an. 404 a, 16 ff.: manche nannten die ἐν τῷ ἀέρι ξύσματα selbst „Seelen“, andre τὸ ταῦτα κινοῦν. Es mag ein Volksglaube zu Grunde liegen, der aber schon halb ins Philosophische erhoben ist: die Seelen werden (s. Aristot. Z. 19 f.) gleichgesetzt dem sichtbar immer bewegten. Zweifellos war dies pythagoreische (wie auch altionische) Lehre. S. Alk- maeon bei Arist. de an. 405 a, 29 ff. (Zweifelhafter ist die Richtigkeit der Angabe Doxogr. 386 a, 13 ff. b, 8 ff.). 6) Laert. D. 8, 32.
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geschlossen 1). Sie hat zum Leibe keine innere Beziehung, ist
nicht das, was man die Persönlichkeit dieses einzelnen sicht-
baren Menschen nennen könnte: in einem beliebigen Leibe
wohnt eine beliebige Seele 2). Scheidet sie der Tod vom Leibe,
so muss sie nach einer Zeit der Läuterung im Hades 3) auf
die Oberwelt zurückkehren. Unsichtbar schweben die Seelen-
bilder um die Lebenden 4); in den Sonnenstäubchen und ihrer
zitternden Bewegung sahen Pythagoreer schwebende „Seelen“ 5).
Die ganze Luft ist voll von Seelen 6). — Auf Erden aber muss
die Seele einen neuen Leib aufsuchen, und das zu vielen
1) ἐν φρουρᾷ. Plat. Phaed. 62 B. Auf pythagoreischen Glauben
führt das (mit einer unrichtigen Deutung des Wortes φρουρά) zurück
Cicero Cato maj. 73. Aehnlich der Pythagoreer Euxitheos b. Athen.
4, 157 C. S. Böckh, Philol. 179 ff. (Philolaos fr. 16 Mull. spricht von der
Weltseele oder dem Gotte, der alles ἐν φρουρᾷ halte und umfasse [s. Böckh
p. 151], ohne an die Menschenseele zu denken). Der Vergleich des
Lebens im Leibe mit einer φρουρά kann sehr wohl pythagoreisch sein;
dass er auch orphisch ist (s. oben p. 415), steht dem nicht im Wege.
Dieser Vergleich setzt schon voraus, dass das irdische Leben der Seele
als Strafe auferlegt sei. διά τινας τιμωρίας ist die Seele in den Leib ein-
geschlossen: Philol. fr. 23 mit Berufung auf die παλαιοὶ ϑεολόγοι τε καὶ
μάντιες (Jamblich. V. Pyth. 85: ἀγαϑὸν οἱ πόνοι — — ἐπὶ κολάσει γὰρ
ἐλϑόντας δεῖ κολασϑῆναι).
2) Aristot. de an. 407 b, 22 ff.
3) οἱ ἐν τῷ ταρτάρῳ durch Donner geschreckt nach der Meinung der
Πυϑαγόρειοι: Aristot. analyt. post. 94 b, 32 ff. σύνοδοι τῶν τεϑνεώτων im
Erdinnern: Aelian, var. hist. 4, 17 (vielleicht aus Aristot. π. τῶν Πυϑα-
γορείων). Schilderung der Zustände im Hades in der Pythagoreischen
Κατάβασις εἰς ᾅδου. Wie bei den Orphikern muss diese Läuterung und
Bestrafung in der Geisterwelt auch zu den ernstlich geglaubten Bestand-
theilen der Πυϑαγόρειοι μῦϑοι gehört haben.
4) ἐκριφϑεῖσαν (aus dem Körper) αὐτὴν (τὴν ψυχὴν) ἐπὶ γῆς πλάζεσϑαι
ἐν τῷ ἀέρι ὁμοίαν τῷ σώματι (als rechtes εἴδωλον des Lebenden): Alex.
Polyh. b. Laert. D. 8, 31.
5) Aristot. de an. 404 a, 16 ff.: manche nannten die ἐν τῷ ἀέρι ξύσματα
selbst „Seelen“, andre τὸ ταῦτα κινοῦν. Es mag ein Volksglaube zu Grunde
liegen, der aber schon halb ins Philosophische erhoben ist: die Seelen
werden (s. Aristot. Z. 19 f.) gleichgesetzt dem sichtbar immer bewegten.
Zweifellos war dies pythagoreische (wie auch altionische) Lehre. S. Alk-
maeon bei Arist. de an. 405 a, 29 ff. (Zweifelhafter ist die Richtigkeit der
Angabe Doxogr. 386 a, 13 ff. b, 8 ff.).
6) Laert. D. 8, 32.
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