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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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in den Elementen, die sich nach ihrem Abstande von dem
bewegten und aus sich selbst lebendigen Feuer bestimmt. Was
in der Mannichfaltigkeit der Welterscheinungen seine Gottnatur,
die feurige noch bewahrt, das heisst dem Heraklit "Psyche".
Psyche ist Feuer 1). Feuer und Psyche sind Wechselbegriffe 2).
Und so ist auch die Psyche des Menschen Feuer, ein Theil
der allgemeinen feurigen Lebensfülle, die sie umfangen hält,
durch deren "Einathmung" sie sich selbst lebendig erhält 3),
der Weltvernunft, an der theilnehmend sie selbst vernünftig ist.
Im Menschen lebt der Gott 4). Nicht, wie nach der Lehre der
Theologen, senkt er sich als geschlossene Individualität in die
Hülle des einzelnen menschlich Lebendigen hernieder; als Ein-
heit umfluthet er den Menschen und reicht wie mit feurigen
Zungen in ihn hinein. Seiner Allweisheit ein Theil 5) lebt in
der Seele des Menschen; je "trockener", feuriger, dem Allfeuer
näher, den unlebendigeren Elementen ferner geblieben diese ist,
um so weiser wird sie sein (fr. 74. 75. 76). Sich absondernd
von der Allvernunft wäre die Menschenseele nichts, sie soll,
im Denken wie im Handeln und sittlichen Thun, sich hingeben
dem Einen Lebendigen, das sie "ernährt" und das Vernunft
und Gesetz der Welt ist (fr. 91. 92. 100. 103).

Aber auch die Seele ist ein solcher Theil des Allfeuers,
der bereits in den Wechsel der Daseinsformen hineingezogen

1) Aristot. de an. I 2 p. 405 a, 25 ff. (Heraklit ist auch gemeint
p. 405 a, 5) Doxogr. 471, 2 ff. (Arius Didymus); 389 a, 3 ff.
2) S. Aristot. a. a. O. Herakl. fr. 68.
3) Sext. Empir. adv. math. 7, 127. 129--131.
4) o theos ist das Allfeuer, das sich zur Welt wandelt, und zugleich
dessen Kraft (und logos: fr. 2. 92). fr. 36. -- to pur theon upeilephen
(Heraklit): Clemens Al. protr. 42 pur noeron ton theon (einai ephthegxato):
Hippol. ref. haer. p. 10, 57. -- "Zeus" metonymische (daher: ouk ethelei
kai ethelei) Benennung dieses Allfeuers, des "allein Weisen": fr. 65.
5) e epixenotheisa tois emeterois somasin apo tou periekhontos (d. i. dem
Allfeuer) moira heisst die Seele und ihre Vernunft bei Sext. Empir. adv.
math.
7, 130 (aporroe kai moira ek tou phronountos: Plut. Is. et Osir. 77
p. 382 B), im Gedanken, wenn auch wohl nicht dem Ausdruck nach, völlig
heraklitisch.

in den Elementen, die sich nach ihrem Abstande von dem
bewegten und aus sich selbst lebendigen Feuer bestimmt. Was
in der Mannichfaltigkeit der Welterscheinungen seine Gottnatur,
die feurige noch bewahrt, das heisst dem Heraklit „Psyche“.
Psyche ist Feuer 1). Feuer und Psyche sind Wechselbegriffe 2).
Und so ist auch die Psyche des Menschen Feuer, ein Theil
der allgemeinen feurigen Lebensfülle, die sie umfangen hält,
durch deren „Einathmung“ sie sich selbst lebendig erhält 3),
der Weltvernunft, an der theilnehmend sie selbst vernünftig ist.
Im Menschen lebt der Gott 4). Nicht, wie nach der Lehre der
Theologen, senkt er sich als geschlossene Individualität in die
Hülle des einzelnen menschlich Lebendigen hernieder; als Ein-
heit umfluthet er den Menschen und reicht wie mit feurigen
Zungen in ihn hinein. Seiner Allweisheit ein Theil 5) lebt in
der Seele des Menschen; je „trockener“, feuriger, dem Allfeuer
näher, den unlebendigeren Elementen ferner geblieben diese ist,
um so weiser wird sie sein (fr. 74. 75. 76). Sich absondernd
von der Allvernunft wäre die Menschenseele nichts, sie soll,
im Denken wie im Handeln und sittlichen Thun, sich hingeben
dem Einen Lebendigen, das sie „ernährt“ und das Vernunft
und Gesetz der Welt ist (fr. 91. 92. 100. 103).

Aber auch die Seele ist ein solcher Theil des Allfeuers,
der bereits in den Wechsel der Daseinsformen hineingezogen

1) Aristot. de an. I 2 p. 405 a, 25 ff. (Heraklit ist auch gemeint
p. 405 a, 5) Doxogr. 471, 2 ff. (Arius Didymus); 389 a, 3 ff.
2) S. Aristot. a. a. O. Herakl. fr. 68.
3) Sext. Empir. adv. math. 7, 127. 129—131.
4) ὁ ϑεός ist das Allfeuer, das sich zur Welt wandelt, und zugleich
dessen Kraft (und λόγος: fr. 2. 92). fr. 36. — τὸ πῦρ ϑεὸν ὑπείληφεν
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Hippol. ref. haer. p. 10, 57. — „Zeus“ metonymische (daher: οὐκ ἐϑέλει
καὶ ἐϑέλει) Benennung dieses Allfeuers, des „allein Weisen“: fr. 65.
5) ἡ ἐπιξενωϑεῖσα τοῖς ἡμετέροις σώμασιν ἀπὸ τοῦ περιέχοντος (d. i. dem
Allfeuer) μοῖρα heisst die Seele und ihre Vernunft bei Sext. Empir. adv.
math.
7, 130 (ἀπορροὴ καὶ μοῖρα ἐκ τοῦ φρονοῦντος: Plut. Is. et Osir. 77
p. 382 B), im Gedanken, wenn auch wohl nicht dem Ausdruck nach, völlig
heraklitisch.
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[438/0454] in den Elementen, die sich nach ihrem Abstande von dem bewegten und aus sich selbst lebendigen Feuer bestimmt. Was in der Mannichfaltigkeit der Welterscheinungen seine Gottnatur, die feurige noch bewahrt, das heisst dem Heraklit „Psyche“. Psyche ist Feuer 1). Feuer und Psyche sind Wechselbegriffe 2). Und so ist auch die Psyche des Menschen Feuer, ein Theil der allgemeinen feurigen Lebensfülle, die sie umfangen hält, durch deren „Einathmung“ sie sich selbst lebendig erhält 3), der Weltvernunft, an der theilnehmend sie selbst vernünftig ist. Im Menschen lebt der Gott 4). Nicht, wie nach der Lehre der Theologen, senkt er sich als geschlossene Individualität in die Hülle des einzelnen menschlich Lebendigen hernieder; als Ein- heit umfluthet er den Menschen und reicht wie mit feurigen Zungen in ihn hinein. Seiner Allweisheit ein Theil 5) lebt in der Seele des Menschen; je „trockener“, feuriger, dem Allfeuer näher, den unlebendigeren Elementen ferner geblieben diese ist, um so weiser wird sie sein (fr. 74. 75. 76). Sich absondernd von der Allvernunft wäre die Menschenseele nichts, sie soll, im Denken wie im Handeln und sittlichen Thun, sich hingeben dem Einen Lebendigen, das sie „ernährt“ und das Vernunft und Gesetz der Welt ist (fr. 91. 92. 100. 103). Aber auch die Seele ist ein solcher Theil des Allfeuers, der bereits in den Wechsel der Daseinsformen hineingezogen 1) Aristot. de an. I 2 p. 405 a, 25 ff. (Heraklit ist auch gemeint p. 405 a, 5) Doxogr. 471, 2 ff. (Arius Didymus); 389 a, 3 ff. 2) S. Aristot. a. a. O. Herakl. fr. 68. 3) Sext. Empir. adv. math. 7, 127. 129—131. 4) ὁ ϑεός ist das Allfeuer, das sich zur Welt wandelt, und zugleich dessen Kraft (und λόγος: fr. 2. 92). fr. 36. — τὸ πῦρ ϑεὸν ὑπείληφεν (Heraklit): Clemens Al. protr. 42 πῦρ νοερὸν τὸν ϑεὸν (εἶναι ἐφϑέγξατο): Hippol. ref. haer. p. 10, 57. — „Zeus“ metonymische (daher: οὐκ ἐϑέλει καὶ ἐϑέλει) Benennung dieses Allfeuers, des „allein Weisen“: fr. 65. 5) ἡ ἐπιξενωϑεῖσα τοῖς ἡμετέροις σώμασιν ἀπὸ τοῦ περιέχοντος (d. i. dem Allfeuer) μοῖρα heisst die Seele und ihre Vernunft bei Sext. Empir. adv. math. 7, 130 (ἀπορροὴ καὶ μοῖρα ἐκ τοῦ φρονοῦντος: Plut. Is. et Osir. 77 p. 382 B), im Gedanken, wenn auch wohl nicht dem Ausdruck nach, völlig heraklitisch.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/454>, abgerufen am 25.11.2024.