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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Was sich nun in Orpheus Namen zu einem eigenthüm-
lich gestalteten Cult des Dionysos zusammenthat, das waren
Secten, die in abgeschlossener Gemeinschaft einen Cultus
begingen, den der öffentliche Götterdienst des Staates nicht
kannte oder verschmähte. Es gab solcher, inmitten der Städte
und ihres geordneten Religionswesens abgesondert sich halten-
der, vom Staate geduldeter 1) Gemeinden viele und mannich-
faltige. Zumeist waren es "fremdländische Götter" 2), denen
hier, wenn auch Einheimische nicht ausschliessend, Fremde
nach der Weise ihrer Heimath Verehrung darbrachten. Dio-
nysos nun, der Gott der orphischen Secten, war in griechi-
schen Ländern längst kein Fremder mehr; aus Thrakien ein-
gewandert, war er im Laufe der Zeit, geläutert und gereift
an der Sonne griechischer Menschlichkeit, ein griechischer Gott
geworden, ein würdiger Genosse des griechischen Olymps.
Aber in dieser Umwandlung mochte den Verehrern des alt-
thrakischen Dionysos der Gott sich selbst entfremdet scheinen,

1) Wie dies der Beschluss von Rath und Volk in Athen über die
emporoi Kitieis und ihr Heiligthum der "Aphrodite" C. I. A. 2, 168 (a.
333/2) vor Augen führt. -- Wie auch gelegentlich solcher fremde Mysterien-
cult nicht (wenigstens nicht ohne Widerstand) geduldet wurde, zeigt das
Beispiel der Ninos: Demosth. f. leg. 281 mit Schol. Dionys. Hal.
Dinarch. 11.
2) theoi xenikoi. Hesych. S. Lobeck, Aglaoph. 627 ff. Ein unbenannter
theos xenikos C. I. A. 1, 273 f, 18. -- Die Begründung solcher thiasoi für
fremde (oder doch in dem betreff. Staate nicht öffentlich verehrte)
Götter (z. B. auch auf Rhodos zahlreich: Bull. corr. hell. 1889 p. 364)
ging wohl stets auf Fremde zurück. Lauter Fremde z. B. genannt in
dem Beschluss der thiasotai des karischen Zeus Labraundos (C. I. A.
2, 613 [a. 298/7]. Vgl. ibid. 614. Dittenb. Syll. 427). Kaufleute aus Kition
sind es, die in Athen den Dienst ihrer Aphrodite (Astarte) gründen, wie
vorher schon Aegypter dort to tes Isidos ieron errichtet haben (C. I. A.
2, 168). Zahlreich sind neben den Athenern die Fremden noch vertreten
unter den onomata ton eraniston eines Collegium der Sabaziastai im
Peiraieus (2. Jahrh. v. Chr.): Ephem. arkhaiol. 1883 p. 245 f. Einheimische,
meist niedrigen Standes, schliessen sich allmählich dem ausländischen
Dienste an, und so wurzelt dieser in der Fremde ein. (Lauter athenische
Bürger bilden die Genossenschaft der Dionysiasten im Peiraieus, 2. Jahrh.
vor Chr. Athen. Mittheil. 9, 288).

Was sich nun in Orpheus Namen zu einem eigenthüm-
lich gestalteten Cult des Dionysos zusammenthat, das waren
Secten, die in abgeschlossener Gemeinschaft einen Cultus
begingen, den der öffentliche Götterdienst des Staates nicht
kannte oder verschmähte. Es gab solcher, inmitten der Städte
und ihres geordneten Religionswesens abgesondert sich halten-
der, vom Staate geduldeter 1) Gemeinden viele und mannich-
faltige. Zumeist waren es „fremdländische Götter“ 2), denen
hier, wenn auch Einheimische nicht ausschliessend, Fremde
nach der Weise ihrer Heimath Verehrung darbrachten. Dio-
nysos nun, der Gott der orphischen Secten, war in griechi-
schen Ländern längst kein Fremder mehr; aus Thrakien ein-
gewandert, war er im Laufe der Zeit, geläutert und gereift
an der Sonne griechischer Menschlichkeit, ein griechischer Gott
geworden, ein würdiger Genosse des griechischen Olymps.
Aber in dieser Umwandlung mochte den Verehrern des alt-
thrakischen Dionysos der Gott sich selbst entfremdet scheinen,

1) Wie dies der Beschluss von Rath und Volk in Athen über die
ἔμποροι Κιτιεῖς und ihr Heiligthum der „Aphrodite“ C. I. A. 2, 168 (a.
333/2) vor Augen führt. — Wie auch gelegentlich solcher fremde Mysterien-
cult nicht (wenigstens nicht ohne Widerstand) geduldet wurde, zeigt das
Beispiel der Ninos: Demosth. f. leg. 281 mit Schol. Dionys. Hal.
Dinarch. 11.
2) ϑεοὶ ξενικοί. Hesych. S. Lobeck, Aglaoph. 627 ff. Ein unbenannter
ϑεὸς ξενικός C. I. A. 1, 273 f, 18. — Die Begründung solcher ϑίασοι für
fremde (oder doch in dem betreff. Staate nicht öffentlich verehrte)
Götter (z. B. auch auf Rhodos zahlreich: Bull. corr. hell. 1889 p. 364)
ging wohl stets auf Fremde zurück. Lauter Fremde z. B. genannt in
dem Beschluss der ϑιασῶται des karischen Zeus Labraundos (C. I. A.
2, 613 [a. 298/7]. Vgl. ibid. 614. Dittenb. Syll. 427). Kaufleute aus Kition
sind es, die in Athen den Dienst ihrer Aphrodite (Astarte) gründen, wie
vorher schon Aegypter dort τὸ τῆς Ἴσιδος ἱερόν errichtet haben (C. I. A.
2, 168). Zahlreich sind neben den Athenern die Fremden noch vertreten
unter den ὀνόματα τῶν ἐρανιστῶν eines Collegium der Σαβαζιασταί im
Peiraieus (2. Jahrh. v. Chr.): Ἐφημ. ἀρχαιολ. 1883 p. 245 f. Einheimische,
meist niedrigen Standes, schliessen sich allmählich dem ausländischen
Dienste an, und so wurzelt dieser in der Fremde ein. (Lauter athenische
Bürger bilden die Genossenschaft der Dionysiasten im Peiraieus, 2. Jahrh.
vor Chr. Athen. Mittheil. 9, 288).
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[396/0412] Was sich nun in Orpheus Namen zu einem eigenthüm- lich gestalteten Cult des Dionysos zusammenthat, das waren Secten, die in abgeschlossener Gemeinschaft einen Cultus begingen, den der öffentliche Götterdienst des Staates nicht kannte oder verschmähte. Es gab solcher, inmitten der Städte und ihres geordneten Religionswesens abgesondert sich halten- der, vom Staate geduldeter 1) Gemeinden viele und mannich- faltige. Zumeist waren es „fremdländische Götter“ 2), denen hier, wenn auch Einheimische nicht ausschliessend, Fremde nach der Weise ihrer Heimath Verehrung darbrachten. Dio- nysos nun, der Gott der orphischen Secten, war in griechi- schen Ländern längst kein Fremder mehr; aus Thrakien ein- gewandert, war er im Laufe der Zeit, geläutert und gereift an der Sonne griechischer Menschlichkeit, ein griechischer Gott geworden, ein würdiger Genosse des griechischen Olymps. Aber in dieser Umwandlung mochte den Verehrern des alt- thrakischen Dionysos der Gott sich selbst entfremdet scheinen, 1) Wie dies der Beschluss von Rath und Volk in Athen über die ἔμποροι Κιτιεῖς und ihr Heiligthum der „Aphrodite“ C. I. A. 2, 168 (a. 333/2) vor Augen führt. — Wie auch gelegentlich solcher fremde Mysterien- cult nicht (wenigstens nicht ohne Widerstand) geduldet wurde, zeigt das Beispiel der Ninos: Demosth. f. leg. 281 mit Schol. Dionys. Hal. Dinarch. 11. 2) ϑεοὶ ξενικοί. Hesych. S. Lobeck, Aglaoph. 627 ff. Ein unbenannter ϑεὸς ξενικός C. I. A. 1, 273 f, 18. — Die Begründung solcher ϑίασοι für fremde (oder doch in dem betreff. Staate nicht öffentlich verehrte) Götter (z. B. auch auf Rhodos zahlreich: Bull. corr. hell. 1889 p. 364) ging wohl stets auf Fremde zurück. Lauter Fremde z. B. genannt in dem Beschluss der ϑιασῶται des karischen Zeus Labraundos (C. I. A. 2, 613 [a. 298/7]. Vgl. ibid. 614. Dittenb. Syll. 427). Kaufleute aus Kition sind es, die in Athen den Dienst ihrer Aphrodite (Astarte) gründen, wie vorher schon Aegypter dort τὸ τῆς Ἴσιδος ἱερόν errichtet haben (C. I. A. 2, 168). Zahlreich sind neben den Athenern die Fremden noch vertreten unter den ὀνόματα τῶν ἐρανιστῶν eines Collegium der Σαβαζιασταί im Peiraieus (2. Jahrh. v. Chr.): Ἐφημ. ἀρχαιολ. 1883 p. 245 f. Einheimische, meist niedrigen Standes, schliessen sich allmählich dem ausländischen Dienste an, und so wurzelt dieser in der Fremde ein. (Lauter athenische Bürger bilden die Genossenschaft der Dionysiasten im Peiraieus, 2. Jahrh. vor Chr. Athen. Mittheil. 9, 288).

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/412>, abgerufen am 22.11.2024.