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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Es konnte auch nicht anders sein. Denn die "Befleckung",
welche hier mit religiösen, unbegreiflich wirksamen Mitteln
beseitigt werden soll, ist gar nicht "Menschen im Herzen"; sie
haftet dem Menschen als ein Fremdes und von aussen Kom-
mendes an, und kann sich von ihm wie der Gifthauch einer an-
steckenden Krankheit verbreiten. Darum ist auch die Reinigung
vollkommen zu bewirken durch die nach dem heiligen Brauch
richtig angewandten Mittel einer äusseren Abwaschung (durch
Wasser aus fliessenden Quellen, Flüssen oder dem Meere 1)) und

credebant nostri tollere posse senes. Graecia principium moris fuit: illa
nocentes impia lustratos ponere facta putat. -- a! nimium faciles, qui
tristia crimina caedis fluminea tolli posse putetis aqua!
(vgl. Hippocrates I
p. 593, 4--10 K.).
1) Zur religiösen Reinigung ist Wasser aus fliessenden Quellen oder
Flüssen oder aus dem Meere erforderlich (thalassa kluzei panta tanthro-
pon kaka. Eur. Iph. T. 1167. Daher in orakelhafter Skaldensprache e
amiantos = thalatta: Aesch. Pers. 578. Bei einem Opfer: o iareus apoR-
Rainetai thalassa; Opferkalender von Kos, Inscr. of Cos 38, Z. 23). Vieler-
lei hierher Gehöriges bei Lomeier de lustrat. cap. 17. Noch in dem aus
dem Fliessenden geschöpften Wasser schien die Kraft des Fortschwem-
mens und Weitertragens des Uebels lebendig. Bei besonders arger Be-
fleckung bedarf es einer Reinigung in vielen lebendig fliessenden Quellen.
krenaon apo pente Empedocl. 452 (Mull.) apo krenon trion Menand.
Deisidaimon 1, 6 (Mein.) Orestes se apud tria flumina circa Hebrum ex
responso purificavit
(vom Muttermorde): Lamprid. Heliogab. 7, 7. Oder bei
Rhegion in sieben Quellen die zu Einem Flusse zusammenfliessen: Varro
bei Prob. ad Vergil. p. 3, 4 Keil. Schol. in Theocrit. p. 1, 3 ff. Dübn.
(Vgl. Hermann Opusc. 2, 71 ff.). Sogar 14 Gewässer bei Mordreinigung:
Suidas 476 B/C Gaisf. s. apo dis epta kumaton (Schluss eines iamb. oder
troch. Verses). Die ungemeine Zähigkeit des griechischen Rituals zeigt sich
auch hier. Noch spät begegnen dieselben kathartischen Vorschriften. Eine
Anweisung des Klarischen Orakels etwa aus dem 3. Jahrh. n. Chr. (bei
Buresch, Klaros p. 9) heisst die Heilsuchenden apo Naiadon epta mateuein
katharon poton entunesthai, on theiosai prossothen (aus Il. Ps 533 entlehnt,
aber zeitlich verstanden) ekhren kai epessumenos aphusasthai, Renai te domous
ktl. Und in einem Zauberbuch (etwa des 4. Jahrh.) bei Parthey Abh.
d. Berl. Akad.
1865 p. 126 Z. 234. 235 wird vorgeschrieben, zum Zauber
zu schöpfen udor pegaion apo z pegon. (Dann in mittelalterlichem Aber-
glauben: zur Hydromantie soll man "aus drei fliessenden Brunnen, aus
jeglichem ein wenig" Wasser schöpfen u. s. w. Hartlieb bei Grimm D.
Myth.
4 III 428. Wohl Reminiscenz aus dem Alterthum. Vgl. Plin. n. h.
28, 46: e tribus puteis etc.)

Es konnte auch nicht anders sein. Denn die „Befleckung“,
welche hier mit religiösen, unbegreiflich wirksamen Mitteln
beseitigt werden soll, ist gar nicht „Menschen im Herzen“; sie
haftet dem Menschen als ein Fremdes und von aussen Kom-
mendes an, und kann sich von ihm wie der Gifthauch einer an-
steckenden Krankheit verbreiten. Darum ist auch die Reinigung
vollkommen zu bewirken durch die nach dem heiligen Brauch
richtig angewandten Mittel einer äusseren Abwaschung (durch
Wasser aus fliessenden Quellen, Flüssen oder dem Meere 1)) und

credebant nostri tollere posse senes. Graecia principium moris fuit: illa
nocentes impia lustratos ponere facta putat. — a! nimium faciles, qui
tristia crimina caedis fluminea tolli posse putetis aqua!
(vgl. Hippocrates I
p. 593, 4—10 K.).
1) Zur religiösen Reinigung ist Wasser aus fliessenden Quellen oder
Flüssen oder aus dem Meere erforderlich (ϑάλασσα κλύζει πάντα τἀνϑρώ-
πων κακά. Eur. Iph. T. 1167. Daher in orakelhafter Skaldensprache ἡ
ἀμίαντος = ϑάλαττα: Aesch. Pers. 578. Bei einem Opfer: ὁ ἱαρεὺς ἀποῤ-
ῥαίνεται ϑαλάσσᾳ; Opferkalender von Kos, Inscr. of Cos 38, Z. 23). Vieler-
lei hierher Gehöriges bei Lomeier de lustrat. cap. 17. Noch in dem aus
dem Fliessenden geschöpften Wasser schien die Kraft des Fortschwem-
mens und Weitertragens des Uebels lebendig. Bei besonders arger Be-
fleckung bedarf es einer Reinigung in vielen lebendig fliessenden Quellen.
κρηνάων ἀπὸ πέντε Empedocl. 452 (Mull.) ἀπὸ κρηνῶν τριῶν Menand.
Δεισιδαίμων 1, 6 (Mein.) Orestes se apud tria flumina circa Hebrum ex
responso purificavit
(vom Muttermorde): Lamprid. Heliogab. 7, 7. Oder bei
Rhegion in sieben Quellen die zu Einem Flusse zusammenfliessen: Varro
bei Prob. ad Vergil. p. 3, 4 Keil. Schol. in Theocrit. p. 1, 3 ff. Dübn.
(Vgl. Hermann Opusc. 2, 71 ff.). Sogar 14 Gewässer bei Mordreinigung:
Suidas 476 B/C Gaisf. s. ἀπὸ δὶς ἑπτὰ κυμάτων (Schluss eines iamb. oder
troch. Verses). Die ungemeine Zähigkeit des griechischen Rituals zeigt sich
auch hier. Noch spät begegnen dieselben kathartischen Vorschriften. Eine
Anweisung des Klarischen Orakels etwa aus dem 3. Jahrh. n. Chr. (bei
Buresch, Klaros p. 9) heisst die Heilsuchenden ἀπὸ Ναϊάδων ἑπτὰ ματεύειν
καϑαρὸν πότον ἐντύνεσϑαι, ὃν ϑειῶσαι πρόσσοϑεν (aus Il. Ψ 533 entlehnt,
aber zeitlich verstanden) ἐχρῆν καὶ ἐπεσσυμένως ἀφύσασϑαι, ῥῆναι τε δόμους
κτλ. Und in einem Zauberbuch (etwa des 4. Jahrh.) bei Parthey Abh.
d. Berl. Akad.
1865 p. 126 Z. 234. 235 wird vorgeschrieben, zum Zauber
zu schöpfen ὕδωρ πηγαῖον ἀπὸ ζ̅ πηγῶν. (Dann in mittelalterlichem Aber-
glauben: zur Hydromantie soll man „aus drei fliessenden Brunnen, aus
jeglichem ein wenig“ Wasser schöpfen u. s. w. Hartlieb bei Grimm D.
Myth.
4 III 428. Wohl Reminiscenz aus dem Alterthum. Vgl. Plin. n. h.
28, 46: e tribus puteis etc.)
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[362/0378] Es konnte auch nicht anders sein. Denn die „Befleckung“, welche hier mit religiösen, unbegreiflich wirksamen Mitteln beseitigt werden soll, ist gar nicht „Menschen im Herzen“; sie haftet dem Menschen als ein Fremdes und von aussen Kom- mendes an, und kann sich von ihm wie der Gifthauch einer an- steckenden Krankheit verbreiten. Darum ist auch die Reinigung vollkommen zu bewirken durch die nach dem heiligen Brauch richtig angewandten Mittel einer äusseren Abwaschung (durch Wasser aus fliessenden Quellen, Flüssen oder dem Meere 1)) und 3) 1) Zur religiösen Reinigung ist Wasser aus fliessenden Quellen oder Flüssen oder aus dem Meere erforderlich (ϑάλασσα κλύζει πάντα τἀνϑρώ- πων κακά. Eur. Iph. T. 1167. Daher in orakelhafter Skaldensprache ἡ ἀμίαντος = ϑάλαττα: Aesch. Pers. 578. Bei einem Opfer: ὁ ἱαρεὺς ἀποῤ- ῥαίνεται ϑαλάσσᾳ; Opferkalender von Kos, Inscr. of Cos 38, Z. 23). Vieler- lei hierher Gehöriges bei Lomeier de lustrat. cap. 17. Noch in dem aus dem Fliessenden geschöpften Wasser schien die Kraft des Fortschwem- mens und Weitertragens des Uebels lebendig. Bei besonders arger Be- fleckung bedarf es einer Reinigung in vielen lebendig fliessenden Quellen. κρηνάων ἀπὸ πέντε Empedocl. 452 (Mull.) ἀπὸ κρηνῶν τριῶν Menand. Δεισιδαίμων 1, 6 (Mein.) Orestes se apud tria flumina circa Hebrum ex responso purificavit (vom Muttermorde): Lamprid. Heliogab. 7, 7. Oder bei Rhegion in sieben Quellen die zu Einem Flusse zusammenfliessen: Varro bei Prob. ad Vergil. p. 3, 4 Keil. Schol. in Theocrit. p. 1, 3 ff. Dübn. (Vgl. Hermann Opusc. 2, 71 ff.). Sogar 14 Gewässer bei Mordreinigung: Suidas 476 B/C Gaisf. s. ἀπὸ δὶς ἑπτὰ κυμάτων (Schluss eines iamb. oder troch. Verses). Die ungemeine Zähigkeit des griechischen Rituals zeigt sich auch hier. Noch spät begegnen dieselben kathartischen Vorschriften. Eine Anweisung des Klarischen Orakels etwa aus dem 3. Jahrh. n. Chr. (bei Buresch, Klaros p. 9) heisst die Heilsuchenden ἀπὸ Ναϊάδων ἑπτὰ ματεύειν καϑαρὸν πότον ἐντύνεσϑαι, ὃν ϑειῶσαι πρόσσοϑεν (aus Il. Ψ 533 entlehnt, aber zeitlich verstanden) ἐχρῆν καὶ ἐπεσσυμένως ἀφύσασϑαι, ῥῆναι τε δόμους κτλ. Und in einem Zauberbuch (etwa des 4. Jahrh.) bei Parthey Abh. d. Berl. Akad. 1865 p. 126 Z. 234. 235 wird vorgeschrieben, zum Zauber zu schöpfen ὕδωρ πηγαῖον ἀπὸ ζ̅ πηγῶν. (Dann in mittelalterlichem Aber- glauben: zur Hydromantie soll man „aus drei fliessenden Brunnen, aus jeglichem ein wenig“ Wasser schöpfen u. s. w. Hartlieb bei Grimm D. Myth.4 III 428. Wohl Reminiscenz aus dem Alterthum. Vgl. Plin. n. h. 28, 46: e tribus puteis etc.) 3) credebant nostri tollere posse senes. Graecia principium moris fuit: illa nocentes impia lustratos ponere facta putat. — a! nimium faciles, qui tristia crimina caedis fluminea tolli posse putetis aqua! (vgl. Hippocrates I p. 593, 4—10 K.).

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/378>, abgerufen am 25.11.2024.