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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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ihre Strafen, deren Schilderung spätere Nachdichtung dem
Gedichte von der Hadesfahrt des Odysseus eingefügt hat, dienen,
unbefangen betrachtet, nicht, die Meinung, dass homerische
Dichtung den Vergeltungsglauben kenne, zu stärken. Nur
diesem Vorbilde folgten spätere Dichter, wenn sie noch einige
andere Götterfeinde im Hades ewige Strafen erleiden liessen,
etwa den Thamyris, den Amphion (wie die Minyas erzählte),
später namentlich den Ixion 1). Zu einer Illustrirung eines
allgemeinen Vergeltungsglaubens liegt hierin nicht einmal ein
Ansatz. -- Von dem Gericht, das im Hades "Einer" halte,
redet allerdings Pindar (Ol. 2, 45) aber im Zusammenhang
einer Schilderung der letzten Dinge, die er den Lehren mysti-
scher Separatisten entlehnt. Von einem Gericht des Hades
selbst weiss Aeschylus 2); aber seine Gedanken über göttliche
Strafgerechtigkeit entnimmt er seinem eigenen, von dem Popular-
glauben streng abgekehrten Geiste. Vollends die drei Hades-
richter, Minos, Rhadamanthys und Aeakos, die über das im
Leben auf Erden Begangene drunten Gericht halten, begegnen
zuerst bei Platon, in einer Ausmalung jenseitiger Dinge, die
alles eher als den Volksglauben seiner Zeit wiedergiebt 3).

1) Die Strafe des Ixion für seine Undankbarkeit gegen Zeus bestand
nach älterer Sage darin, dass er, an ein geflügeltes Rad gefesselt, durch
die Luft gewirbelt wird. Dass Zeus ihn etartarosen (Schol. Eurip. Phoen.
1185) muss jüngere oder doch spät durchgedrungene Sagenbildung sein:
nicht vor Apollonius Rhod. 3, 61 f. ist von Ixion im Hades die Rede,
nachher oft. Vgl. Klügmann, Annali dell' Inst. 1873, p. 93--95 (die
Analogie mit der Strafe des Tantalos und ihrer Verschiebung liegt auf
der Hand. S. Comparetti, Philol. 32, 237).
2) Aeschyl. Eum. 273 f. Vgl. Supplic. 230 f.
3) Gorgias cap. 79 ff. (darnach Axioch. 371 B ff. u. a.). Wo Plato
sich dem populären Glauben näher hält, in der Apologie 41 A, spricht er
von den Richtern im Hades, Minos, Rhadamanthys, Aeakos kai Tripto-
lemos kai alloi osoi ton emitheon dikaioi egenonto en to eauton bio so,
dass von einem Gericht über die im Leben begangenen Thaten nichts
gesagt wird, vielmehr man annehmen muss, dass jene alethos dikastai,
oiper kai legontai ekei dikazein eben unter den Todten ihr Richteramt
üben und in deren Streitigkeiten gerecht entscheiden, ganz so wie Minos
in der Nekyia der Odyssee (l 568--71). Nur die Zahl der dort unten
weiter Richtenden ist vermehrt, sogar in's Unbestimmte. Dies scheint

ihre Strafen, deren Schilderung spätere Nachdichtung dem
Gedichte von der Hadesfahrt des Odysseus eingefügt hat, dienen,
unbefangen betrachtet, nicht, die Meinung, dass homerische
Dichtung den Vergeltungsglauben kenne, zu stärken. Nur
diesem Vorbilde folgten spätere Dichter, wenn sie noch einige
andere Götterfeinde im Hades ewige Strafen erleiden liessen,
etwa den Thamyris, den Amphion (wie die Minyas erzählte),
später namentlich den Ixion 1). Zu einer Illustrirung eines
allgemeinen Vergeltungsglaubens liegt hierin nicht einmal ein
Ansatz. — Von dem Gericht, das im Hades „Einer“ halte,
redet allerdings Pindar (Ol. 2, 45) aber im Zusammenhang
einer Schilderung der letzten Dinge, die er den Lehren mysti-
scher Separatisten entlehnt. Von einem Gericht des Hades
selbst weiss Aeschylus 2); aber seine Gedanken über göttliche
Strafgerechtigkeit entnimmt er seinem eigenen, von dem Popular-
glauben streng abgekehrten Geiste. Vollends die drei Hades-
richter, Minos, Rhadamanthys und Aeakos, die über das im
Leben auf Erden Begangene drunten Gericht halten, begegnen
zuerst bei Platon, in einer Ausmalung jenseitiger Dinge, die
alles eher als den Volksglauben seiner Zeit wiedergiebt 3).

1) Die Strafe des Ixion für seine Undankbarkeit gegen Zeus bestand
nach älterer Sage darin, dass er, an ein geflügeltes Rad gefesselt, durch
die Luft gewirbelt wird. Dass Zeus ihn ἐταρτάρωσεν (Schol. Eurip. Phoen.
1185) muss jüngere oder doch spät durchgedrungene Sagenbildung sein:
nicht vor Apollonius Rhod. 3, 61 f. ist von Ixion im Hades die Rede,
nachher oft. Vgl. Klügmann, Annali dell’ Inst. 1873, p. 93—95 (die
Analogie mit der Strafe des Tantalos und ihrer Verschiebung liegt auf
der Hand. S. Comparetti, Philol. 32, 237).
2) Aeschyl. Eum. 273 f. Vgl. Supplic. 230 f.
3) Gorgias cap. 79 ff. (darnach Axioch. 371 B ff. u. a.). Wo Plato
sich dem populären Glauben näher hält, in der Apologie 41 A, spricht er
von den Richtern im Hades, Minos, Rhadamanthys, Aeakos καὶ Τριπτό-
λεμος καὶ ἄλλοι ὅσοι τῶν ἡμιϑέων δίκαιοι ἐγένοντο ἐν τῷ ἑαυτῶν βίῳ so,
dass von einem Gericht über die im Leben begangenen Thaten nichts
gesagt wird, vielmehr man annehmen muss, dass jene ἀληϑῶς δικασταί,
οἵπερ καὶ λέγονται ἐκεῖ δικάζειν eben unter den Todten ihr Richteramt
üben und in deren Streitigkeiten gerecht entscheiden, ganz so wie Minos
in der Nekyia der Odyssee (λ 568—71). Nur die Zahl der dort unten
weiter Richtenden ist vermehrt, sogar in’s Unbestimmte. Dies scheint
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[284/0300] ihre Strafen, deren Schilderung spätere Nachdichtung dem Gedichte von der Hadesfahrt des Odysseus eingefügt hat, dienen, unbefangen betrachtet, nicht, die Meinung, dass homerische Dichtung den Vergeltungsglauben kenne, zu stärken. Nur diesem Vorbilde folgten spätere Dichter, wenn sie noch einige andere Götterfeinde im Hades ewige Strafen erleiden liessen, etwa den Thamyris, den Amphion (wie die Minyas erzählte), später namentlich den Ixion 1). Zu einer Illustrirung eines allgemeinen Vergeltungsglaubens liegt hierin nicht einmal ein Ansatz. — Von dem Gericht, das im Hades „Einer“ halte, redet allerdings Pindar (Ol. 2, 45) aber im Zusammenhang einer Schilderung der letzten Dinge, die er den Lehren mysti- scher Separatisten entlehnt. Von einem Gericht des Hades selbst weiss Aeschylus 2); aber seine Gedanken über göttliche Strafgerechtigkeit entnimmt er seinem eigenen, von dem Popular- glauben streng abgekehrten Geiste. Vollends die drei Hades- richter, Minos, Rhadamanthys und Aeakos, die über das im Leben auf Erden Begangene drunten Gericht halten, begegnen zuerst bei Platon, in einer Ausmalung jenseitiger Dinge, die alles eher als den Volksglauben seiner Zeit wiedergiebt 3). 1) Die Strafe des Ixion für seine Undankbarkeit gegen Zeus bestand nach älterer Sage darin, dass er, an ein geflügeltes Rad gefesselt, durch die Luft gewirbelt wird. Dass Zeus ihn ἐταρτάρωσεν (Schol. Eurip. Phoen. 1185) muss jüngere oder doch spät durchgedrungene Sagenbildung sein: nicht vor Apollonius Rhod. 3, 61 f. ist von Ixion im Hades die Rede, nachher oft. Vgl. Klügmann, Annali dell’ Inst. 1873, p. 93—95 (die Analogie mit der Strafe des Tantalos und ihrer Verschiebung liegt auf der Hand. S. Comparetti, Philol. 32, 237). 2) Aeschyl. Eum. 273 f. Vgl. Supplic. 230 f. 3) Gorgias cap. 79 ff. (darnach Axioch. 371 B ff. u. a.). Wo Plato sich dem populären Glauben näher hält, in der Apologie 41 A, spricht er von den Richtern im Hades, Minos, Rhadamanthys, Aeakos καὶ Τριπτό- λεμος καὶ ἄλλοι ὅσοι τῶν ἡμιϑέων δίκαιοι ἐγένοντο ἐν τῷ ἑαυτῶν βίῳ so, dass von einem Gericht über die im Leben begangenen Thaten nichts gesagt wird, vielmehr man annehmen muss, dass jene ἀληϑῶς δικασταί, οἵπερ καὶ λέγονται ἐκεῖ δικάζειν eben unter den Todten ihr Richteramt üben und in deren Streitigkeiten gerecht entscheiden, ganz so wie Minos in der Nekyia der Odyssee (λ 568—71). Nur die Zahl der dort unten weiter Richtenden ist vermehrt, sogar in’s Unbestimmte. Dies scheint

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/300>, abgerufen am 22.11.2024.