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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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2.

War die Seele am jenseitigen Ufer angelangt, am Kerberos
vorbeigekommen, was wartete ihrer dort? Nun, die in die
Mysterien Eingeweiheten durften auf ein heiteres Fortleben, wie
es eben ihre Wünsche sich ausmalen mochten, rechnen. Im
Grunde war dieses selige Loos, das die Gnade der drunten

man dem Todten zwischen die Zähne klemmte, wird von späteren Autoren
vielfach bezeugt. Die mancherlei Namen, mit denen man diesen Charon-
groschen benannte (karkadon [vgl. Lobeck, Prol. Path. 351], katiterion,
danake, schlechtweg naulon: s. Hemsterhus. Lucian. Bipont. 2, 514 ff.), lassen
darauf schliessen, dass man sich gerne mit dieser Vorstellung und der in
ihr liegenden Symbolik beschäftigte. Dennoch kann man zweifeln, ob die
Sitte der Mitgabe eines kleinen Geldstückes wirklich entstanden ist aus
dem Wunsche, dem Todten einen Fährgroschen für den unterirdischen
Fergen mitzugeben; ob die Vorstellung von Charon und seinem Nachen
eine solche, förmlich dogmatische Festigkeit gehabt habe, um eine so
eigenthümliche Sitte aus sich zu erzeugen, scheint doch sehr fraglich.
Die Sitte selbst, jetzt, wie es scheint, in Griechenland fast nur aus Gräbern
späterer Zeit nachweisbar (s. Ross, Archäol. Aufs. 1, 29. 32. 57 Anm.,
Raoul Rochette, Mem. de l' Inst. de France, Acad. des inscr. XIII p. 665 f.),
muss alt sein (wiewohl nicht älter, als der Gebrauch geprägten Geldes in
Griechenland), und hat sich mit der merkwürdigsten Zähigkeit in vielen
Gegenden des römischen Reiches bis in späte Zeit, ja durch das Mittel-
alter und bis in unsere Zeiten erhalten (vgl. z. B. Maury, La magie et
l'astrol. dans l'antiq
. 158, 2). Dass man sie mit der Dichtung vom Todten-
fährmann witzig in Verbindung brachte, und dass diese einleuchtende
Erklärung der seltsamen Sitte nachträglich zum Volksglauben wurde, ist
leicht verständlich. Die Sitte selbst dürfte man eher in Vergleichung zu
stellen haben mit allerlei Gebräuchen, durch die man vieler Orten die
Todten mit der winzigsten, fast nur symbolischen Gabe beim Begräbniss
und im Grabe abfindet (s. einiges der Art bei Tylor, Primit. cult. 1, 445 ff.).
Parva petunt Manes. pietas pro divite grata est munere. non avidos Styx
habet ima deos
. Der Obol mag kleinster, symbolischer Rest der nach
ältestem Seelenrecht unverkürzt dem Todten mitzugebenden Gesammthabe
desselben sein. tethnexe, -- ek pollon obolon mounon enegkamenos: die
Worte des Antiphanes Maced. (Anth. Pal. 11, 168) drücken vielleicht (nur
in sentimentaler Färbung) den ursprünglichen Sinn der Mitgabe des Obols
treffender aus, als die Fabel vom Charongroschen (vgl. Anth. 11, 171, 7;
209, 3). Deutscher Aberglaube sagt: "Todten lege man Geld in den
Mund, so kommen sie, wenn sie einen Schatz verborgen haben, nicht
wieder" (Grimm, d. Mythol.4 III 441, 207). Deutlich genug scheint hier
die, gewiss alte, Vorstellung durch, dass man durch die Mitgabe eines
Geldstückes dem Verstorbenen seinen Besitz abkaufe.
2.

War die Seele am jenseitigen Ufer angelangt, am Kerberos
vorbeigekommen, was wartete ihrer dort? Nun, die in die
Mysterien Eingeweiheten durften auf ein heiteres Fortleben, wie
es eben ihre Wünsche sich ausmalen mochten, rechnen. Im
Grunde war dieses selige Loos, das die Gnade der drunten

man dem Todten zwischen die Zähne klemmte, wird von späteren Autoren
vielfach bezeugt. Die mancherlei Namen, mit denen man diesen Charon-
groschen benannte (καρκάδων [vgl. Lobeck, Prol. Path. 351], κατιτήριον,
δανάκη, schlechtweg ναῦλον: s. Hemsterhus. Lucian. Bipont. 2, 514 ff.), lassen
darauf schliessen, dass man sich gerne mit dieser Vorstellung und der in
ihr liegenden Symbolik beschäftigte. Dennoch kann man zweifeln, ob die
Sitte der Mitgabe eines kleinen Geldstückes wirklich entstanden ist aus
dem Wunsche, dem Todten einen Fährgroschen für den unterirdischen
Fergen mitzugeben; ob die Vorstellung von Charon und seinem Nachen
eine solche, förmlich dogmatische Festigkeit gehabt habe, um eine so
eigenthümliche Sitte aus sich zu erzeugen, scheint doch sehr fraglich.
Die Sitte selbst, jetzt, wie es scheint, in Griechenland fast nur aus Gräbern
späterer Zeit nachweisbar (s. Ross, Archäol. Aufs. 1, 29. 32. 57 Anm.,
Raoul Rochette, Mém. de l’ Inst. de France, Acad. des inscr. XIII p. 665 f.),
muss alt sein (wiewohl nicht älter, als der Gebrauch geprägten Geldes in
Griechenland), und hat sich mit der merkwürdigsten Zähigkeit in vielen
Gegenden des römischen Reiches bis in späte Zeit, ja durch das Mittel-
alter und bis in unsere Zeiten erhalten (vgl. z. B. Maury, La magie et
l’astrol. dans l’antiq
. 158, 2). Dass man sie mit der Dichtung vom Todten-
fährmann witzig in Verbindung brachte, und dass diese einleuchtende
Erklärung der seltsamen Sitte nachträglich zum Volksglauben wurde, ist
leicht verständlich. Die Sitte selbst dürfte man eher in Vergleichung zu
stellen haben mit allerlei Gebräuchen, durch die man vieler Orten die
Todten mit der winzigsten, fast nur symbolischen Gabe beim Begräbniss
und im Grabe abfindet (s. einiges der Art bei Tylor, Primit. cult. 1, 445 ff.).
Parva petunt Manes. pietas pro divite grata est munere. non avidos Styx
habet ima deos
. Der Obol mag kleinster, symbolischer Rest der nach
ältestem Seelenrecht unverkürzt dem Todten mitzugebenden Gesammthabe
desselben sein. τεϑνήξῃ, — ἐκ πολλῶν ὀβολὸν μοῦνον ἐνεγκάμενος: die
Worte des Antiphanes Maced. (Anth. Pal. 11, 168) drücken vielleicht (nur
in sentimentaler Färbung) den ursprünglichen Sinn der Mitgabe des Obols
treffender aus, als die Fabel vom Charongroschen (vgl. Anth. 11, 171, 7;
209, 3). Deutscher Aberglaube sagt: „Todten lege man Geld in den
Mund, so kommen sie, wenn sie einen Schatz verborgen haben, nicht
wieder“ (Grimm, d. Mythol.4 III 441, 207). Deutlich genug scheint hier
die, gewiss alte, Vorstellung durch, dass man durch die Mitgabe eines
Geldstückes dem Verstorbenen seinen Besitz abkaufe.
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[282/0298] 2. War die Seele am jenseitigen Ufer angelangt, am Kerberos vorbeigekommen, was wartete ihrer dort? Nun, die in die Mysterien Eingeweiheten durften auf ein heiteres Fortleben, wie es eben ihre Wünsche sich ausmalen mochten, rechnen. Im Grunde war dieses selige Loos, das die Gnade der drunten 3) 3) man dem Todten zwischen die Zähne klemmte, wird von späteren Autoren vielfach bezeugt. Die mancherlei Namen, mit denen man diesen Charon- groschen benannte (καρκάδων [vgl. Lobeck, Prol. Path. 351], κατιτήριον, δανάκη, schlechtweg ναῦλον: s. Hemsterhus. Lucian. Bipont. 2, 514 ff.), lassen darauf schliessen, dass man sich gerne mit dieser Vorstellung und der in ihr liegenden Symbolik beschäftigte. Dennoch kann man zweifeln, ob die Sitte der Mitgabe eines kleinen Geldstückes wirklich entstanden ist aus dem Wunsche, dem Todten einen Fährgroschen für den unterirdischen Fergen mitzugeben; ob die Vorstellung von Charon und seinem Nachen eine solche, förmlich dogmatische Festigkeit gehabt habe, um eine so eigenthümliche Sitte aus sich zu erzeugen, scheint doch sehr fraglich. Die Sitte selbst, jetzt, wie es scheint, in Griechenland fast nur aus Gräbern späterer Zeit nachweisbar (s. Ross, Archäol. Aufs. 1, 29. 32. 57 Anm., Raoul Rochette, Mém. de l’ Inst. de France, Acad. des inscr. XIII p. 665 f.), muss alt sein (wiewohl nicht älter, als der Gebrauch geprägten Geldes in Griechenland), und hat sich mit der merkwürdigsten Zähigkeit in vielen Gegenden des römischen Reiches bis in späte Zeit, ja durch das Mittel- alter und bis in unsere Zeiten erhalten (vgl. z. B. Maury, La magie et l’astrol. dans l’antiq. 158, 2). Dass man sie mit der Dichtung vom Todten- fährmann witzig in Verbindung brachte, und dass diese einleuchtende Erklärung der seltsamen Sitte nachträglich zum Volksglauben wurde, ist leicht verständlich. Die Sitte selbst dürfte man eher in Vergleichung zu stellen haben mit allerlei Gebräuchen, durch die man vieler Orten die Todten mit der winzigsten, fast nur symbolischen Gabe beim Begräbniss und im Grabe abfindet (s. einiges der Art bei Tylor, Primit. cult. 1, 445 ff.). Parva petunt Manes. pietas pro divite grata est munere. non avidos Styx habet ima deos. Der Obol mag kleinster, symbolischer Rest der nach ältestem Seelenrecht unverkürzt dem Todten mitzugebenden Gesammthabe desselben sein. τεϑνήξῃ, — ἐκ πολλῶν ὀβολὸν μοῦνον ἐνεγκάμενος: die Worte des Antiphanes Maced. (Anth. Pal. 11, 168) drücken vielleicht (nur in sentimentaler Färbung) den ursprünglichen Sinn der Mitgabe des Obols treffender aus, als die Fabel vom Charongroschen (vgl. Anth. 11, 171, 7; 209, 3). Deutscher Aberglaube sagt: „Todten lege man Geld in den Mund, so kommen sie, wenn sie einen Schatz verborgen haben, nicht wieder“ (Grimm, d. Mythol.4 III 441, 207). Deutlich genug scheint hier die, gewiss alte, Vorstellung durch, dass man durch die Mitgabe eines Geldstückes dem Verstorbenen seinen Besitz abkaufe.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/298>, abgerufen am 23.11.2024.