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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Vorstellungen von dem Leben im
Jenseits.

Nach einzelnen Andeutungen bei Plutarch und Lucian 1)
muss man annehmen, dass in dem "mystischen Drama" zu
Eleusis auch eine anschauliche Darstellung der Unterwelt und
ihrer seligen oder unseligen Bewohner vorgeführt wurde. Aber
diese Zeitgenossen einer letzten üppigen Nachblüthe alles Myste-
rienwesens können gültiges Zeugniss nur für ihre eigene Zeit
ablegen, in der die eleusinische Feier, vielleicht im Wettbewerb
mit den in die griechisch-römische Welt immer zahlreicher
eindringenden anderen Geheimweihen, manche Aenderung und
Erweiterung ihrer altüberlieferten Gestaltung erfahren zu haben
scheint. Man darf bezweifeln, dass in früherer, classischer Zeit
die Eleusinien mit einer, stets kleinlichen Beschränkung der
Phantasie das jenseits aller Erfahrung Liegende in enge Formen
haben zwingen wollen. Aber durch die feierliche Verheissung
zukünftiger Seligkeit wird das mystische Fest allerdings die
Phantasie der Theilnehmer angeregt, ihrem freien Spiel in Aus-
malung des Lebens im Jenseits bestimmtere Richtung gewiesen
haben. Unverkennbar haben die in Eleusis genährten Vor-
stellungen dazu beigetragen, dass das Bild des Hades Farbe
und deutlichere Umrisse gewann. Aber auch ohne solche An-
regung wirkte der allem Griechischen eingeborene Trieb, auch
das Gestaltlose zu gestalten, in derselben Richtung. Was inner-
halb der Grenzen homerischer Glaubensvorstellungen ein, in
der Hadesfahrt der Odyssee vorsichtig unternommenes Wagniss
gewesen war, eine phantasievolle Vergegenwärtigung des unsicht-

1) Plutarch (die Hss. fälschlich Themistios) peri psukhes bei Stob.
Flor. 120, 28, IV p. 107, 27 ff. Mein. Lucian, Katapl. 23.
Vorstellungen von dem Leben im
Jenseits.

Nach einzelnen Andeutungen bei Plutarch und Lucian 1)
muss man annehmen, dass in dem „mystischen Drama“ zu
Eleusis auch eine anschauliche Darstellung der Unterwelt und
ihrer seligen oder unseligen Bewohner vorgeführt wurde. Aber
diese Zeitgenossen einer letzten üppigen Nachblüthe alles Myste-
rienwesens können gültiges Zeugniss nur für ihre eigene Zeit
ablegen, in der die eleusinische Feier, vielleicht im Wettbewerb
mit den in die griechisch-römische Welt immer zahlreicher
eindringenden anderen Geheimweihen, manche Aenderung und
Erweiterung ihrer altüberlieferten Gestaltung erfahren zu haben
scheint. Man darf bezweifeln, dass in früherer, classischer Zeit
die Eleusinien mit einer, stets kleinlichen Beschränkung der
Phantasie das jenseits aller Erfahrung Liegende in enge Formen
haben zwingen wollen. Aber durch die feierliche Verheissung
zukünftiger Seligkeit wird das mystische Fest allerdings die
Phantasie der Theilnehmer angeregt, ihrem freien Spiel in Aus-
malung des Lebens im Jenseits bestimmtere Richtung gewiesen
haben. Unverkennbar haben die in Eleusis genährten Vor-
stellungen dazu beigetragen, dass das Bild des Hades Farbe
und deutlichere Umrisse gewann. Aber auch ohne solche An-
regung wirkte der allem Griechischen eingeborene Trieb, auch
das Gestaltlose zu gestalten, in derselben Richtung. Was inner-
halb der Grenzen homerischer Glaubensvorstellungen ein, in
der Hadesfahrt der Odyssee vorsichtig unternommenes Wagniss
gewesen war, eine phantasievolle Vergegenwärtigung des unsicht-

1) Plutarch (die Hss. fälschlich Themistios) περὶ ψυχῆς bei Stob.
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[[277]/0293] Vorstellungen von dem Leben im Jenseits. Nach einzelnen Andeutungen bei Plutarch und Lucian 1) muss man annehmen, dass in dem „mystischen Drama“ zu Eleusis auch eine anschauliche Darstellung der Unterwelt und ihrer seligen oder unseligen Bewohner vorgeführt wurde. Aber diese Zeitgenossen einer letzten üppigen Nachblüthe alles Myste- rienwesens können gültiges Zeugniss nur für ihre eigene Zeit ablegen, in der die eleusinische Feier, vielleicht im Wettbewerb mit den in die griechisch-römische Welt immer zahlreicher eindringenden anderen Geheimweihen, manche Aenderung und Erweiterung ihrer altüberlieferten Gestaltung erfahren zu haben scheint. Man darf bezweifeln, dass in früherer, classischer Zeit die Eleusinien mit einer, stets kleinlichen Beschränkung der Phantasie das jenseits aller Erfahrung Liegende in enge Formen haben zwingen wollen. Aber durch die feierliche Verheissung zukünftiger Seligkeit wird das mystische Fest allerdings die Phantasie der Theilnehmer angeregt, ihrem freien Spiel in Aus- malung des Lebens im Jenseits bestimmtere Richtung gewiesen haben. Unverkennbar haben die in Eleusis genährten Vor- stellungen dazu beigetragen, dass das Bild des Hades Farbe und deutlichere Umrisse gewann. Aber auch ohne solche An- regung wirkte der allem Griechischen eingeborene Trieb, auch das Gestaltlose zu gestalten, in derselben Richtung. Was inner- halb der Grenzen homerischer Glaubensvorstellungen ein, in der Hadesfahrt der Odyssee vorsichtig unternommenes Wagniss gewesen war, eine phantasievolle Vergegenwärtigung des unsicht- 1) Plutarch (die Hss. fälschlich Themistios) περὶ ψυχῆς bei Stob. Flor. 120, 28, IV p. 107, 27 ff. Mein. Lucian, Καταπλ. 23.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. [277]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/293>, abgerufen am 22.12.2024.