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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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zugleich als Windgeister bezeichnet werden1), so zeigt oder
verbirgt sich hier ein vereinzeltes Stück ältesten Volksglaubens:
die abgeschiedenen Seelen werden zu Geistern der Luft, die
im Winde fahrenden Geister sind frei gewordene Seelen. --

4.

Aber wenn es im eigenen Interesse gut und gerathen ist,
diese unsichtbaren Seelenmächte sich durch Opfer geneigt zu
machen und wohlwollend zu erhalten, so ist doch in viel höherem

tous protous arkhegetas, d. i. Ahnen. Auf dieselbe Deutung kommt es
hinaus, wenn Philochorus (Phot. Suid. s. tritop.) diese "Drittväter" als
erste (Menschen) nach Uranos und Ge, Helios und Selene erklärt (so ist
Phil. zu verstehen: s. Welcker, Götterl. 3, 72; vgl. namentlich Phot. s.
tritopator 605, 9 ff.). Auch ihm sind sie die arxantes tes geneseos.
1) Mit grosser Bestimmtheit werden die Tritopatoren bezeichnet als
anemoi (Demon bei Phot. Suid. s. tritopatores), despotai anemon (Phot. s.
tritopator; Tzetzes Lycophr. 738). Orphische Dichtung machte thurorous
kai phulakas ton anemon aus ihnen. Dies ist schon freie Ausdeutung; der
attische Glaube, den Demon ausspricht, weiss davon nichts. Zweifellos
nur Speculation und Fiction ist es, wenn man ihre Zahl (ähnlich wie die
ursprünglich ebenfalls unbegrenzte der Horen, der Erinyen u. s. w.) auf
drei beschränkte, und sie nun mit bestimmten Namen benannte (Amal-
keides u. s. w., Orpheus), oder mit den drei Hekatoncheiren gleichsetzte
(Kleidemos im Exegetikon). In Wahrheit und nach ächtem, noch deutlich
durch alle Trübungen von Missverständniss und Missdeutung durch-
scheinendem Glauben sind die tritopatores Ahnenseelen, die zugleich
Windgeister sind. Man fleht zu diesen Geistern um Kindersegen: mit
Recht bringt Lobeck, Agl. 755 ff. mit diesem Gebrauch die Orphische
Lehre in Zusammenhang, dass die Menschenseele mit dem Wind von
aussen in den Menschen hineinkomme. Nur ist auch dies schon eine
speculirende Ausschmückung des Volksglaubens von den Tritopatoren (den
die Orphiker unmöglich, wie Welcker, Götterl. 3, 71 meint, "erfunden"
haben können: sie deuten ihn sich ja auf ihre Art, fanden ihn also vor).
Entschlagen wir uns aller Speculation, so erkennen wir in den Tritopa-
toren Ahnenseelen, die zu Windgeistern geworden sind und mit anderen
psukhai (die ja auch vom Windhauche benannt sind) im Winde fahren, von
denen ihre Nachkommen Hülfe erhoffen, wenn es sich um Lebendigwerden
einer neuen psukhe handelt. Seelen als Windgeister sind sehr wohl ver-
ständlich; bei den Griechen ist diese Vorstellung nur vereinzelt erhalten
und ebendarum werden solche vereinzelt im Glauben lebendig gebliebene
Windseelen zu besonderen Dämonen, die Tritopatoren nicht anders als
die Harpyien. S. Anhang 7.
15*

zugleich als Windgeister bezeichnet werden1), so zeigt oder
verbirgt sich hier ein vereinzeltes Stück ältesten Volksglaubens:
die abgeschiedenen Seelen werden zu Geistern der Luft, die
im Winde fahrenden Geister sind frei gewordene Seelen. —

4.

Aber wenn es im eigenen Interesse gut und gerathen ist,
diese unsichtbaren Seelenmächte sich durch Opfer geneigt zu
machen und wohlwollend zu erhalten, so ist doch in viel höherem

τοὺς πρώτους ἀρχηγέτας, d. i. Ahnen. Auf dieselbe Deutung kommt es
hinaus, wenn Philochorus (Phot. Suid. s. τριτοπ.) diese „Drittväter“ als
erste (Menschen) nach Uranos und Ge, Helios und Selene erklärt (so ist
Phil. zu verstehen: s. Welcker, Götterl. 3, 72; vgl. namentlich Phot. s.
τριτοπάτωρ 605, 9 ff.). Auch ihm sind sie die ἄρξαντες τῆς γενέσεως.
1) Mit grosser Bestimmtheit werden die Tritopatoren bezeichnet als
ἄνεμοι (Demon bei Phot. Suid. s. τριτοπάτορες), δεσπόται ἀνέμων (Phot. s.
τριτοπάτωρ; Tzetzes Lycophr. 738). Orphische Dichtung machte ϑυρωροὺς
καὶ φύλακας τῶν ἀνέμων aus ihnen. Dies ist schon freie Ausdeutung; der
attische Glaube, den Demon ausspricht, weiss davon nichts. Zweifellos
nur Speculation und Fiction ist es, wenn man ihre Zahl (ähnlich wie die
ursprünglich ebenfalls unbegrenzte der Horen, der Erinyen u. s. w.) auf
drei beschränkte, und sie nun mit bestimmten Namen benannte (Amal-
keides u. s. w., Orpheus), oder mit den drei Hekatoncheiren gleichsetzte
(Kleidemos im Ἐξηγητικόν). In Wahrheit und nach ächtem, noch deutlich
durch alle Trübungen von Missverständniss und Missdeutung durch-
scheinendem Glauben sind die τριτοπάτορες Ahnenseelen, die zugleich
Windgeister sind. Man fleht zu diesen Geistern um Kindersegen: mit
Recht bringt Lobeck, Agl. 755 ff. mit diesem Gebrauch die Orphische
Lehre in Zusammenhang, dass die Menschenseele mit dem Wind von
aussen in den Menschen hineinkomme. Nur ist auch dies schon eine
speculirende Ausschmückung des Volksglaubens von den Tritopatoren (den
die Orphiker unmöglich, wie Welcker, Götterl. 3, 71 meint, „erfunden“
haben können: sie deuten ihn sich ja auf ihre Art, fanden ihn also vor).
Entschlagen wir uns aller Speculation, so erkennen wir in den Tritopa-
toren Ahnenseelen, die zu Windgeistern geworden sind und mit anderen
ψυχαί (die ja auch vom Windhauche benannt sind) im Winde fahren, von
denen ihre Nachkommen Hülfe erhoffen, wenn es sich um Lebendigwerden
einer neuen ψυχή handelt. Seelen als Windgeister sind sehr wohl ver-
ständlich; bei den Griechen ist diese Vorstellung nur vereinzelt erhalten
und ebendarum werden solche vereinzelt im Glauben lebendig gebliebene
Windseelen zu besonderen Dämonen, die Tritopatoren nicht anders als
die Harpyien. S. Anhang 7.
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[227/0243] zugleich als Windgeister bezeichnet werden 1), so zeigt oder verbirgt sich hier ein vereinzeltes Stück ältesten Volksglaubens: die abgeschiedenen Seelen werden zu Geistern der Luft, die im Winde fahrenden Geister sind frei gewordene Seelen. — 4. Aber wenn es im eigenen Interesse gut und gerathen ist, diese unsichtbaren Seelenmächte sich durch Opfer geneigt zu machen und wohlwollend zu erhalten, so ist doch in viel höherem 4) 1) Mit grosser Bestimmtheit werden die Tritopatoren bezeichnet als ἄνεμοι (Demon bei Phot. Suid. s. τριτοπάτορες), δεσπόται ἀνέμων (Phot. s. τριτοπάτωρ; Tzetzes Lycophr. 738). Orphische Dichtung machte ϑυρωροὺς καὶ φύλακας τῶν ἀνέμων aus ihnen. Dies ist schon freie Ausdeutung; der attische Glaube, den Demon ausspricht, weiss davon nichts. Zweifellos nur Speculation und Fiction ist es, wenn man ihre Zahl (ähnlich wie die ursprünglich ebenfalls unbegrenzte der Horen, der Erinyen u. s. w.) auf drei beschränkte, und sie nun mit bestimmten Namen benannte (Amal- keides u. s. w., Orpheus), oder mit den drei Hekatoncheiren gleichsetzte (Kleidemos im Ἐξηγητικόν). In Wahrheit und nach ächtem, noch deutlich durch alle Trübungen von Missverständniss und Missdeutung durch- scheinendem Glauben sind die τριτοπάτορες Ahnenseelen, die zugleich Windgeister sind. Man fleht zu diesen Geistern um Kindersegen: mit Recht bringt Lobeck, Agl. 755 ff. mit diesem Gebrauch die Orphische Lehre in Zusammenhang, dass die Menschenseele mit dem Wind von aussen in den Menschen hineinkomme. Nur ist auch dies schon eine speculirende Ausschmückung des Volksglaubens von den Tritopatoren (den die Orphiker unmöglich, wie Welcker, Götterl. 3, 71 meint, „erfunden“ haben können: sie deuten ihn sich ja auf ihre Art, fanden ihn also vor). Entschlagen wir uns aller Speculation, so erkennen wir in den Tritopa- toren Ahnenseelen, die zu Windgeistern geworden sind und mit anderen ψυχαί (die ja auch vom Windhauche benannt sind) im Winde fahren, von denen ihre Nachkommen Hülfe erhoffen, wenn es sich um Lebendigwerden einer neuen ψυχή handelt. Seelen als Windgeister sind sehr wohl ver- ständlich; bei den Griechen ist diese Vorstellung nur vereinzelt erhalten und ebendarum werden solche vereinzelt im Glauben lebendig gebliebene Windseelen zu besonderen Dämonen, die Tritopatoren nicht anders als die Harpyien. S. Anhang 7. 4) τοὺς πρώτους ἀρχηγέτας, d. i. Ahnen. Auf dieselbe Deutung kommt es hinaus, wenn Philochorus (Phot. Suid. s. τριτοπ.) diese „Drittväter“ als erste (Menschen) nach Uranos und Ge, Helios und Selene erklärt (so ist Phil. zu verstehen: s. Welcker, Götterl. 3, 72; vgl. namentlich Phot. s. τριτοπάτωρ 605, 9 ff.). Auch ihm sind sie die ἄρξαντες τῆς γενέσεως. 15*

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/243>, abgerufen am 24.11.2024.