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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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dingt an die Umgebung des Grabes gefesselt. Bisweilen kehren
sie in ihre alten Wohnstätten, unter die Lebenden zurück, auch
ausser jenen Seelentagen im Anthesterion. Auch die Griechen
kannten den Brauch, zu Boden Gefallenes nicht aufzuheben,
sondern es den im Hause umirrenden Seelen zum Raub zu
überlassen1). Ist sie unsichtbar den Lebenden nahe, so ver-
nimmt die Seele auch, was etwa Jemand Uebles von ihr redet;
sei es um ihrer Machtlosigkeit zu Hülfe zu kommen, oder um-
gekehrt um vor der Rache der unsichtbar Mächtigen zu warnen,
verbot ein Solonisches Gesetz das Schmähen eines Todten.
Das ist der wahre und im Volksglauben begründete Sinn des:
de mortuis nil nisi bene. Den Verleumder eines Todten haben
dessen Nachkommen gerichtlich zu verfolgen2). Auch dies
gehört zu ihren religiösen Pflichten gegen die Seele des Todten.

selten auf Vasenbildern dargestellt, am Fusse seines Grabhügels u. s. w.
z. B. auf der Prothesisvase, Monum. d. Inst. VIII 4. 5 u. ö: s. Luckenbach,
Jahrb. f. Philol. Suppl. 11, 500. -- Schlangen als Verkörperungen von
khthonioi aller Art, Göttern der Erdtiefe, Heroen und einfachen Todten
sind uns schon mehrfach begegnet und werden uns noch öfter vorkommen.
Hier sei nur hingewiesen auf Photius lex. s. eros poikilos ; -- dia to tous
opheis poikilous ontas eroas kaleisthai.
1) Das auf die Erde Gefallene gehört den eroes (= Seelen Ver-
storbener): Aristoph. Eroes, fr. 291 Dind. tois teteleutekosi ton philon
apenemon ta piptonta tes trophes apo ton trapezon (worauf Euripides im
Bellerophontes anspiele): Athen. 10, 427 E. Daher Pythagoreisches sum-
bolon (wie meist, auf alten Seelenglauben begründet): ta pesonta apo tra-
pezes me anaireisthai. (Laert. Diog. 8, 34. Suid. s. Puthagora ta sumbola).
Auf diesen Aberglauben bezieht sich auch das angeblich in Kroton gül-
tige Gesetz to peson epi ten gen koluon anaireisthai: Iamblich. V. Pyth. 126.
Aehnlicher Glaube und Brauch in Rom: Plin. n. h. 28, § 27. Bei den
alten Preussen galt die Regel, beim Mahl auf die Erde gefallene Bissen
nicht aufzuheben, sondern für arme Seelen, die keine Blutsverwandte und
Freunde, welche für sie sorgen müssten, auf der Welt haben, liegen zu
lassen. S. Chr. Hartknoch, Alt und Neues Preussen p. 188. Aehnlich
anderwärts: s. Spencer, Princ. d. Sociol. (Uebers.) I p. 318.
2) Solonisches Gesetz: Demosth. 20, 104; 40, 49. Plut. Sol. 21: --
Solonos o koluon nomos ton tethnekota kakos agoreuein. kai gar osion, tous
methestekotas ierous nomizein. Dies erinnert an die Worte aus dem Eudemos
des Aristoteles bei Plut. cons. ad Apoll. 27: to pseusasthai ti kata ton
teteleutekoton kai to blasphemein oukh osion os kata beltionon kai kreitto-

dingt an die Umgebung des Grabes gefesselt. Bisweilen kehren
sie in ihre alten Wohnstätten, unter die Lebenden zurück, auch
ausser jenen Seelentagen im Anthesterion. Auch die Griechen
kannten den Brauch, zu Boden Gefallenes nicht aufzuheben,
sondern es den im Hause umirrenden Seelen zum Raub zu
überlassen1). Ist sie unsichtbar den Lebenden nahe, so ver-
nimmt die Seele auch, was etwa Jemand Uebles von ihr redet;
sei es um ihrer Machtlosigkeit zu Hülfe zu kommen, oder um-
gekehrt um vor der Rache der unsichtbar Mächtigen zu warnen,
verbot ein Solonisches Gesetz das Schmähen eines Todten.
Das ist der wahre und im Volksglauben begründete Sinn des:
de mortuis nil nisi bene. Den Verleumder eines Todten haben
dessen Nachkommen gerichtlich zu verfolgen2). Auch dies
gehört zu ihren religiösen Pflichten gegen die Seele des Todten.

selten auf Vasenbildern dargestellt, am Fusse seines Grabhügels u. s. w.
z. B. auf der Prothesisvase, Monum. d. Inst. VIII 4. 5 u. ö: s. Luckenbach,
Jahrb. f. Philol. Suppl. 11, 500. — Schlangen als Verkörperungen von
χϑόνιοι aller Art, Göttern der Erdtiefe, Heroen und einfachen Todten
sind uns schon mehrfach begegnet und werden uns noch öfter vorkommen.
Hier sei nur hingewiesen auf Photius lex. s. ἥρως ποικίλος · — διὰ τὸ τοὺς
ὄφεις ποικίλους ὄντας ἥρωας καλεῖσϑαι.
1) Das auf die Erde Gefallene gehört den ἥρωες (= Seelen Ver-
storbener): Aristoph. Ἥρωες, fr. 291 Dind. τοῖς τετελευτηκόσι τῶν φίλων
ἀπένεμον τὰ πίπτοντα τῆς τροφῆς ἀπὸ τῶν τραπεζῶν (worauf Euripides im
Bellerophontes anspiele): Athen. 10, 427 E. Daher Pythagoreisches σύμ-
βολον (wie meist, auf alten Seelenglauben begründet): τὰ πεσόντα ἀπὸ τρα-
πέζης μὴ ἀναιρεῖσϑαι. (Laert. Diog. 8, 34. Suid. s. Πυϑαγόρα τὰ σύμβολα).
Auf diesen Aberglauben bezieht sich auch das angeblich in Kroton gül-
tige Gesetz τὸ πεσὸν ἐπὶ τὴν γῆν κωλύων ἀναιρεῖσϑαι: Iamblich. V. Pyth. 126.
Aehnlicher Glaube und Brauch in Rom: Plin. n. h. 28, § 27. Bei den
alten Preussen galt die Regel, beim Mahl auf die Erde gefallene Bissen
nicht aufzuheben, sondern für arme Seelen, die keine Blutsverwandte und
Freunde, welche für sie sorgen müssten, auf der Welt haben, liegen zu
lassen. S. Chr. Hartknoch, Alt und Neues Preussen p. 188. Aehnlich
anderwärts: s. Spencer, Princ. d. Sociol. (Uebers.) I p. 318.
2) Solonisches Gesetz: Demosth. 20, 104; 40, 49. Plut. Sol. 21: —
Σόλωνος ὁ κωλύων νόμος τὸν τεϑνηκότα κακῶς ἀγορεύειν. καὶ γὰρ ὅσιον, τοὺς
μεϑεστηκότας ἱεροὺς νομίζειν. Dies erinnert an die Worte aus dem Εὔδημος
des Aristoteles bei Plut. cons. ad Apoll. 27: τὸ ψεύσασϑαί τι κατὰ τῶν
τετελευτηκότων καὶ τὸ βλασφημεῖν οὐχ ὅσιον ὡς κατὰ βελτιόνων καὶ κρειττό-
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[224/0240] dingt an die Umgebung des Grabes gefesselt. Bisweilen kehren sie in ihre alten Wohnstätten, unter die Lebenden zurück, auch ausser jenen Seelentagen im Anthesterion. Auch die Griechen kannten den Brauch, zu Boden Gefallenes nicht aufzuheben, sondern es den im Hause umirrenden Seelen zum Raub zu überlassen 1). Ist sie unsichtbar den Lebenden nahe, so ver- nimmt die Seele auch, was etwa Jemand Uebles von ihr redet; sei es um ihrer Machtlosigkeit zu Hülfe zu kommen, oder um- gekehrt um vor der Rache der unsichtbar Mächtigen zu warnen, verbot ein Solonisches Gesetz das Schmähen eines Todten. Das ist der wahre und im Volksglauben begründete Sinn des: de mortuis nil nisi bene. Den Verleumder eines Todten haben dessen Nachkommen gerichtlich zu verfolgen 2). Auch dies gehört zu ihren religiösen Pflichten gegen die Seele des Todten. 5) 1) Das auf die Erde Gefallene gehört den ἥρωες (= Seelen Ver- storbener): Aristoph. Ἥρωες, fr. 291 Dind. τοῖς τετελευτηκόσι τῶν φίλων ἀπένεμον τὰ πίπτοντα τῆς τροφῆς ἀπὸ τῶν τραπεζῶν (worauf Euripides im Bellerophontes anspiele): Athen. 10, 427 E. Daher Pythagoreisches σύμ- βολον (wie meist, auf alten Seelenglauben begründet): τὰ πεσόντα ἀπὸ τρα- πέζης μὴ ἀναιρεῖσϑαι. (Laert. Diog. 8, 34. Suid. s. Πυϑαγόρα τὰ σύμβολα). Auf diesen Aberglauben bezieht sich auch das angeblich in Kroton gül- tige Gesetz τὸ πεσὸν ἐπὶ τὴν γῆν κωλύων ἀναιρεῖσϑαι: Iamblich. V. Pyth. 126. Aehnlicher Glaube und Brauch in Rom: Plin. n. h. 28, § 27. Bei den alten Preussen galt die Regel, beim Mahl auf die Erde gefallene Bissen nicht aufzuheben, sondern für arme Seelen, die keine Blutsverwandte und Freunde, welche für sie sorgen müssten, auf der Welt haben, liegen zu lassen. S. Chr. Hartknoch, Alt und Neues Preussen p. 188. Aehnlich anderwärts: s. Spencer, Princ. d. Sociol. (Uebers.) I p. 318. 2) Solonisches Gesetz: Demosth. 20, 104; 40, 49. Plut. Sol. 21: — Σόλωνος ὁ κωλύων νόμος τὸν τεϑνηκότα κακῶς ἀγορεύειν. καὶ γὰρ ὅσιον, τοὺς μεϑεστηκότας ἱεροὺς νομίζειν. Dies erinnert an die Worte aus dem Εὔδημος des Aristoteles bei Plut. cons. ad Apoll. 27: τὸ ψεύσασϑαί τι κατὰ τῶν τετελευτηκότων καὶ τὸ βλασφημεῖν οὐχ ὅσιον ὡς κατὰ βελτιόνων καὶ κρειττό- 5) selten auf Vasenbildern dargestellt, am Fusse seines Grabhügels u. s. w. z. B. auf der Prothesisvase, Monum. d. Inst. VIII 4. 5 u. ö: s. Luckenbach, Jahrb. f. Philol. Suppl. 11, 500. — Schlangen als Verkörperungen von χϑόνιοι aller Art, Göttern der Erdtiefe, Heroen und einfachen Todten sind uns schon mehrfach begegnet und werden uns noch öfter vorkommen. Hier sei nur hingewiesen auf Photius lex. s. ἥρως ποικίλος · — διὰ τὸ τοὺς ὄφεις ποικίλους ὄντας ἥρωας καλεῖσϑαι.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/240>, abgerufen am 24.11.2024.