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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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pflegt 1). "Hinaus, ihr Keren, die Anthesterien sind zu Ende"
rief man den Seelchen zu, wobei man bemerkenswerther Weise
ihnen den uralten Namen gab, dessen ersten Sinn schon Homer
vergessen hat, nicht aber attische Volkssprache 2).

1) Die grösste Aehnlichkeit mit dem athenischen Brauch hat das,
was Ovid, Fast. 5. von den Lemurien zu Rom erzählt. Zuletzt Aus-
treibung der Seelen: Manes exite paterni! (442). Aehnlich an Seelen-
festen vieler Orten. Vgl. z. B. den esthnischen Brauch: Grimm, D. Mythol.4
3, 489, 42. Von den alten Preussen berichtet (nach Joh. Meletius,
1551) Christ. Hartknoch, Alt und Neues Preussen (1684) p. 187. 188:
am 3. 6. 9. und 40. Tage "nach der Leichenbegängnüss" fand ein Mahl
der Anverwandten des Verstorbenen statt, dessen Seele auch herein-
gerufen und (gleichwie noch andere Seelen) bewirthet wurde. "Wenn
die Mahlzeit verrichtet war, stund der Priester von dem Tische auff,
fegte das Hauss auss, und jagte die Seelen der Verstorbenen, nicht an-
ders als die Flöhe, herauss mit diesen Worten: Ihr habt gegessen und
getrunken, o ihr Selgen, geht herauss, geht herauss". Am Schluss des
den Todten geweiheten Laternenfestes zu Nangasaki (Japan) wird, nach
beendigter Bewirthung der Seelen, grosser Lärm im ganzen Hause verführt
"damit ja kein Seelchen zurückbleibe und Spuk treibe -- sie müssen ohne
Gnade hinaus": Preuss. Expedition nach Ostasien 2, 22. Andere Bei-
spiele von Seelenaustreiben bei Tylor, Primit. cult. 2, 181. 182. (Die
Geister werden, ganz materiell gedacht, durch Keulenschläge in die Luft,
durch geschwungene Fackeln u. dgl. vertrieben. Man vergleiche einmal
hiemit was, aus altem Aberglauben schöpfend wie oft, die Orphischen
Hymnen von Herakles erflehen: elthe makar -- exelason de kakas atas,
kladon en kheri pallon
, ptenois t iobolois keras khalepas apopempe
(12, 15. 16), und man wird gewahr werden, wie nahe noch solche per-
sonificirte atai und keres den zürnenden "Seelen" stehen, aus denen sie
auch wirklich entstanden sind. Vgl. übrigens hymn. Orph. 11, 23; 14, 14;
36, 16; 71, 11. -- keras apodiopompeisthai Plut. Lys. 17).
2) thuraze Keres, ouk et Anthesteria. So die richtige Form des
Sprüchworts (Kares die später verbreitetste und mit falschem Scharfsinn
erklärte Gestaltung), richtig erklärt von Photius lex. s. v.: os kata ten polin
tois Anthesteriois ton psukhon perierkhomenon. -- Keres ist eine, offenbar
uralte Bezeichnung für psukhai, bei Homer schon fast völlig verdunkelt
(noch durchscheinend Il. B 302, Od. x 207, wo die Keres genannt werden
als die andere psukhai zum Hades entraffen), dem Aeschylus (wohl aus
attischem Sprachgebrauch) noch vertraut, wenn er den Keren der Schick-
salswägung bei Homer kurzweg psukhai substituirte und aus der Kerostasie
eine Psukhostasia machte (worüber sich Schol. A. Il. Th 70, AB. Il. X 209
verwundern). S. O. Crusius, in Ersch und Grubers Encycl. "Keren"
(2, 35, 265--267).

pflegt 1). „Hinaus, ihr Keren, die Anthesterien sind zu Ende“
rief man den Seelchen zu, wobei man bemerkenswerther Weise
ihnen den uralten Namen gab, dessen ersten Sinn schon Homer
vergessen hat, nicht aber attische Volkssprache 2).

1) Die grösste Aehnlichkeit mit dem athenischen Brauch hat das,
was Ovid, Fast. 5. von den Lemurien zu Rom erzählt. Zuletzt Aus-
treibung der Seelen: Manes exite paterni! (442). Aehnlich an Seelen-
festen vieler Orten. Vgl. z. B. den esthnischen Brauch: Grimm, D. Mythol.4
3, 489, 42. Von den alten Preussen berichtet (nach Joh. Meletius,
1551) Christ. Hartknoch, Alt und Neues Preussen (1684) p. 187. 188:
am 3. 6. 9. und 40. Tage „nach der Leichenbegängnüss“ fand ein Mahl
der Anverwandten des Verstorbenen statt, dessen Seele auch herein-
gerufen und (gleichwie noch andere Seelen) bewirthet wurde. „Wenn
die Mahlzeit verrichtet war, stund der Priester von dem Tische auff,
fegte das Hauss auss, und jagte die Seelen der Verstorbenen, nicht an-
ders als die Flöhe, herauss mit diesen Worten: Ihr habt gegessen und
getrunken, o ihr Selgen, geht herauss, geht herauss“. Am Schluss des
den Todten geweiheten Laternenfestes zu Nangasaki (Japan) wird, nach
beendigter Bewirthung der Seelen, grosser Lärm im ganzen Hause verführt
„damit ja kein Seelchen zurückbleibe und Spuk treibe — sie müssen ohne
Gnade hinaus“: Preuss. Expedition nach Ostasien 2, 22. Andere Bei-
spiele von Seelenaustreiben bei Tylor, Primit. cult. 2, 181. 182. (Die
Geister werden, ganz materiell gedacht, durch Keulenschläge in die Luft,
durch geschwungene Fackeln u. dgl. vertrieben. Man vergleiche einmal
hiemit was, aus altem Aberglauben schöpfend wie oft, die Orphischen
Hymnen von Herakles erflehen: ἐλϑὲ μάκαρ — ἐξέλασον δὲ κακὰς ἄτας,
κλάδον ἐν χερὶ πάλλων
, πτηνοῖς τ̕ ἰοβόλοις κῆρας χαλεπὰς ἀπόπεμπε
(12, 15. 16), und man wird gewahr werden, wie nahe noch solche per-
sonificirte ἆται und κῆρες den zürnenden „Seelen“ stehen, aus denen sie
auch wirklich entstanden sind. Vgl. übrigens hymn. Orph. 11, 23; 14, 14;
36, 16; 71, 11. — κῆρας ἀποδιοπομπεῖσϑαι Plut. Lys. 17).
2) ϑύραζε Κῆρες, οὐκ ἔτ̕ Ἀνϑεστήρια. So die richtige Form des
Sprüchworts (Κᾶρες die später verbreitetste und mit falschem Scharfsinn
erklärte Gestaltung), richtig erklärt von Photius lex. s. v.: ὡς κατὰ τὴν πόλιν
τοῖς Ἀνϑεστηρίοις τῶν ψυχῶν περιερχομένων. — Κῆρες ist eine, offenbar
uralte Bezeichnung für ψυχαί, bei Homer schon fast völlig verdunkelt
(noch durchscheinend Il. B 302, Od. ξ 207, wo die Κῆρες genannt werden
als die andere ψυχαί zum Hades entraffen), dem Aeschylus (wohl aus
attischem Sprachgebrauch) noch vertraut, wenn er den Keren der Schick-
salswägung bei Homer kurzweg ψυχαί substituirte und aus der Kerostasie
eine Ψυχοστασία machte (worüber sich Schol. A. Il. Θ 70, AB. Il. X 209
verwundern). S. O. Crusius, in Ersch und Grubers Encycl. „Keren“
(2, 35, 265—267).
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[219/0235] pflegt 1). „Hinaus, ihr Keren, die Anthesterien sind zu Ende“ rief man den Seelchen zu, wobei man bemerkenswerther Weise ihnen den uralten Namen gab, dessen ersten Sinn schon Homer vergessen hat, nicht aber attische Volkssprache 2). 1) Die grösste Aehnlichkeit mit dem athenischen Brauch hat das, was Ovid, Fast. 5. von den Lemurien zu Rom erzählt. Zuletzt Aus- treibung der Seelen: Manes exite paterni! (442). Aehnlich an Seelen- festen vieler Orten. Vgl. z. B. den esthnischen Brauch: Grimm, D. Mythol.4 3, 489, 42. Von den alten Preussen berichtet (nach Joh. Meletius, 1551) Christ. Hartknoch, Alt und Neues Preussen (1684) p. 187. 188: am 3. 6. 9. und 40. Tage „nach der Leichenbegängnüss“ fand ein Mahl der Anverwandten des Verstorbenen statt, dessen Seele auch herein- gerufen und (gleichwie noch andere Seelen) bewirthet wurde. „Wenn die Mahlzeit verrichtet war, stund der Priester von dem Tische auff, fegte das Hauss auss, und jagte die Seelen der Verstorbenen, nicht an- ders als die Flöhe, herauss mit diesen Worten: Ihr habt gegessen und getrunken, o ihr Selgen, geht herauss, geht herauss“. Am Schluss des den Todten geweiheten Laternenfestes zu Nangasaki (Japan) wird, nach beendigter Bewirthung der Seelen, grosser Lärm im ganzen Hause verführt „damit ja kein Seelchen zurückbleibe und Spuk treibe — sie müssen ohne Gnade hinaus“: Preuss. Expedition nach Ostasien 2, 22. Andere Bei- spiele von Seelenaustreiben bei Tylor, Primit. cult. 2, 181. 182. (Die Geister werden, ganz materiell gedacht, durch Keulenschläge in die Luft, durch geschwungene Fackeln u. dgl. vertrieben. Man vergleiche einmal hiemit was, aus altem Aberglauben schöpfend wie oft, die Orphischen Hymnen von Herakles erflehen: ἐλϑὲ μάκαρ — ἐξέλασον δὲ κακὰς ἄτας, κλάδον ἐν χερὶ πάλλων, πτηνοῖς τ̕ ἰοβόλοις κῆρας χαλεπὰς ἀπόπεμπε (12, 15. 16), und man wird gewahr werden, wie nahe noch solche per- sonificirte ἆται und κῆρες den zürnenden „Seelen“ stehen, aus denen sie auch wirklich entstanden sind. Vgl. übrigens hymn. Orph. 11, 23; 14, 14; 36, 16; 71, 11. — κῆρας ἀποδιοπομπεῖσϑαι Plut. Lys. 17). 2) ϑύραζε Κῆρες, οὐκ ἔτ̕ Ἀνϑεστήρια. So die richtige Form des Sprüchworts (Κᾶρες die später verbreitetste und mit falschem Scharfsinn erklärte Gestaltung), richtig erklärt von Photius lex. s. v.: ὡς κατὰ τὴν πόλιν τοῖς Ἀνϑεστηρίοις τῶν ψυχῶν περιερχομένων. — Κῆρες ist eine, offenbar uralte Bezeichnung für ψυχαί, bei Homer schon fast völlig verdunkelt (noch durchscheinend Il. B 302, Od. ξ 207, wo die Κῆρες genannt werden als die andere ψυχαί zum Hades entraffen), dem Aeschylus (wohl aus attischem Sprachgebrauch) noch vertraut, wenn er den Keren der Schick- salswägung bei Homer kurzweg ψυχαί substituirte und aus der Kerostasie eine Ψυχοστασία machte (worüber sich Schol. A. Il. Θ 70, AB. Il. X 209 verwundern). S. O. Crusius, in Ersch und Grubers Encycl. „Keren“ (2, 35, 265—267).

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/235>, abgerufen am 24.11.2024.