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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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einer Zeit ganz natürlich erschienen sein, die von dem später
bis zur Peinlichkeit ausgebildeten Begriff der ritualen "Rein-
heit" noch nichts wusste: denn dass etwa der Grieche, wie es
viele "Naturvölker", bei denen die gleiche Sitte des Begräbnisses
der Todten in der eigenen Hütte herrscht, machen, das un-
heimlich gewordene Haus nun geräumt und dem Geiste des
darin Begrabenen zu ausschliesslichem Besitz überlassen hätte 1),
haben wir keinen Grund zu glauben. Wenigstens innerhalb
der Stadt die Todten zu begraben, fand man auch später in
einigen dorischen Städten unbedenklich 2). Auch wo aus reli-
giöser Bedenklichkeit und aus Gründen bürgerlicher Zweck-
mässigkeit die Gräber vor die Mauern der Stadt verwiesen
waren, hielt die Familie ihre Gräber beisammen, oft in weit-
läufigen, ummauerten Bezirken 3); wo ein ländliches Grundstück
Familienbesitz war, umschloss dieses auch die Gräber der
Vorfahren 4).

1) So machen es die Einwohner von Neuseeland, die Eskimos u. s. w.
(vgl. Lubbock, Prehistoric times p. 465; 511 etc.).
2) So in Sparta und Tarent. S. Becker, Charikles2 3, 105. Die
von B. auch erwähnten Gräber auf dem Markt zu Megara werden Heroen-
gräber gewesen sein. S. oben S. 170, 2. In der Anlegung von Heroen-
gräbern in Mitten der Städte, auf dem Marktplatz u. s. w. (vgl. S. 149 f.)
zeigt sich recht handreiflich der Wesensunterschied, den man zwischen
Heroen und Todten gewöhnlicher Art festsetzte.
3) Das mnema koinon pasi tois apo Bouselou genomenois war ein polus
topos peribeblemenos, osper oi arkhaioi enomizon. Demosth. 43, 79. Die
Buseliden bildeten nicht etwa ein genos, sondern eine Gruppe von fünf
durch nachweisliche Verwandtschaft verbundenen oikoi. Grabgemeinschaft
der Genossen eines genos im staatsrechtlichen Sinne bestand nicht mehr
(s. Meier, de gentil. Att. 33; Dittenberger, Hermes 20, 4). Familiengräber
waren auch die Kimoneia mnemata (Plut. Cim. 4. Marcellin. v. Thuc. 17,
Plut. X orat. p. 838 B). Man hielt aus den verständlichsten Gründen
darauf, dass kein der Familie Fremder in dem Familengrabe Aufnahme
fand: aber, wie später auf Grabschriften so häufig Strafbestimmungen
das Beisetzen Fremder verhindern sollen, so musste schon Solon in Bezug
auf die Gräber verordnen, ne quis alienum inferat. Cic. de leg. 2, § 64.
4) Der bei Demosthenes 55, 13 ff. Redende spricht von palaia mne-
mata der progonoi der früheren Besitzer seines khorion (Landgutes). Und
diese Sitte, auf dem eigenen Besitz die Todten der Familie zu begraben
kai tois allois khoriois sumbebeke. Es war dies also allgemeiner Gebrauch,
14*

einer Zeit ganz natürlich erschienen sein, die von dem später
bis zur Peinlichkeit ausgebildeten Begriff der ritualen „Rein-
heit“ noch nichts wusste: denn dass etwa der Grieche, wie es
viele „Naturvölker“, bei denen die gleiche Sitte des Begräbnisses
der Todten in der eigenen Hütte herrscht, machen, das un-
heimlich gewordene Haus nun geräumt und dem Geiste des
darin Begrabenen zu ausschliesslichem Besitz überlassen hätte 1),
haben wir keinen Grund zu glauben. Wenigstens innerhalb
der Stadt die Todten zu begraben, fand man auch später in
einigen dorischen Städten unbedenklich 2). Auch wo aus reli-
giöser Bedenklichkeit und aus Gründen bürgerlicher Zweck-
mässigkeit die Gräber vor die Mauern der Stadt verwiesen
waren, hielt die Familie ihre Gräber beisammen, oft in weit-
läufigen, ummauerten Bezirken 3); wo ein ländliches Grundstück
Familienbesitz war, umschloss dieses auch die Gräber der
Vorfahren 4).

1) So machen es die Einwohner von Neuseeland, die Eskimos u. s. w.
(vgl. Lubbock, Prehistoric times p. 465; 511 etc.).
2) So in Sparta und Tarent. S. Becker, Charikles2 3, 105. Die
von B. auch erwähnten Gräber auf dem Markt zu Megara werden Heroen-
gräber gewesen sein. S. oben S. 170, 2. In der Anlegung von Heroen-
gräbern in Mitten der Städte, auf dem Marktplatz u. s. w. (vgl. S. 149 f.)
zeigt sich recht handreiflich der Wesensunterschied, den man zwischen
Heroen und Todten gewöhnlicher Art festsetzte.
3) Das μνῆμα κοινὸν πᾶσι τοῖς ἀπὸ Βουσέλου γενομένοις war ein πολὺς
τόπος περιβεβλημένος, ὥσπερ οἱ ἀρχαῖοι ἐνόμιζον. Demosth. 43, 79. Die
Buseliden bildeten nicht etwa ein γένος, sondern eine Gruppe von fünf
durch nachweisliche Verwandtschaft verbundenen οἶκοι. Grabgemeinschaft
der Genossen eines γένος im staatsrechtlichen Sinne bestand nicht mehr
(s. Meier, de gentil. Att. 33; Dittenberger, Hermes 20, 4). Familiengräber
waren auch die Κιμώνεια μνήματα (Plut. Cim. 4. Marcellin. v. Thuc. 17,
Plut. X orat. p. 838 B). Man hielt aus den verständlichsten Gründen
darauf, dass kein der Familie Fremder in dem Familengrabe Aufnahme
fand: aber, wie später auf Grabschriften so häufig Strafbestimmungen
das Beisetzen Fremder verhindern sollen, so musste schon Solon in Bezug
auf die Gräber verordnen, ne quis alienum inferat. Cic. de leg. 2, § 64.
4) Der bei Demosthenes 55, 13 ff. Redende spricht von παλαιὰ μνή-
ματα der πρόγονοι der früheren Besitzer seines χωρίον (Landgutes). Und
diese Sitte, auf dem eigenen Besitz die Todten der Familie zu begraben
καὶ τοῖς ἄλλοις χωρίοις συμβέβηκε. Es war dies also allgemeiner Gebrauch,
14*
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[211/0227] einer Zeit ganz natürlich erschienen sein, die von dem später bis zur Peinlichkeit ausgebildeten Begriff der ritualen „Rein- heit“ noch nichts wusste: denn dass etwa der Grieche, wie es viele „Naturvölker“, bei denen die gleiche Sitte des Begräbnisses der Todten in der eigenen Hütte herrscht, machen, das un- heimlich gewordene Haus nun geräumt und dem Geiste des darin Begrabenen zu ausschliesslichem Besitz überlassen hätte 1), haben wir keinen Grund zu glauben. Wenigstens innerhalb der Stadt die Todten zu begraben, fand man auch später in einigen dorischen Städten unbedenklich 2). Auch wo aus reli- giöser Bedenklichkeit und aus Gründen bürgerlicher Zweck- mässigkeit die Gräber vor die Mauern der Stadt verwiesen waren, hielt die Familie ihre Gräber beisammen, oft in weit- läufigen, ummauerten Bezirken 3); wo ein ländliches Grundstück Familienbesitz war, umschloss dieses auch die Gräber der Vorfahren 4). 1) So machen es die Einwohner von Neuseeland, die Eskimos u. s. w. (vgl. Lubbock, Prehistoric times p. 465; 511 etc.). 2) So in Sparta und Tarent. S. Becker, Charikles2 3, 105. Die von B. auch erwähnten Gräber auf dem Markt zu Megara werden Heroen- gräber gewesen sein. S. oben S. 170, 2. In der Anlegung von Heroen- gräbern in Mitten der Städte, auf dem Marktplatz u. s. w. (vgl. S. 149 f.) zeigt sich recht handreiflich der Wesensunterschied, den man zwischen Heroen und Todten gewöhnlicher Art festsetzte. 3) Das μνῆμα κοινὸν πᾶσι τοῖς ἀπὸ Βουσέλου γενομένοις war ein πολὺς τόπος περιβεβλημένος, ὥσπερ οἱ ἀρχαῖοι ἐνόμιζον. Demosth. 43, 79. Die Buseliden bildeten nicht etwa ein γένος, sondern eine Gruppe von fünf durch nachweisliche Verwandtschaft verbundenen οἶκοι. Grabgemeinschaft der Genossen eines γένος im staatsrechtlichen Sinne bestand nicht mehr (s. Meier, de gentil. Att. 33; Dittenberger, Hermes 20, 4). Familiengräber waren auch die Κιμώνεια μνήματα (Plut. Cim. 4. Marcellin. v. Thuc. 17, Plut. X orat. p. 838 B). Man hielt aus den verständlichsten Gründen darauf, dass kein der Familie Fremder in dem Familengrabe Aufnahme fand: aber, wie später auf Grabschriften so häufig Strafbestimmungen das Beisetzen Fremder verhindern sollen, so musste schon Solon in Bezug auf die Gräber verordnen, ne quis alienum inferat. Cic. de leg. 2, § 64. 4) Der bei Demosthenes 55, 13 ff. Redende spricht von παλαιὰ μνή- ματα der πρόγονοι der früheren Besitzer seines χωρίον (Landgutes). Und diese Sitte, auf dem eigenen Besitz die Todten der Familie zu begraben καὶ τοῖς ἄλλοις χωρίοις συμβέβηκε. Es war dies also allgemeiner Gebrauch, 14*

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/227>, abgerufen am 27.11.2024.