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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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an Macht nicht gleich kommen" 1). Denn sie sind auf einen
engeren Wirkungskreis beschränkt, auf ihre Heimath und den
begrenzten Kreis ihrer Verehrer. Sie sind local gebunden, wie
die olympischen Götter längst nicht mehr (ein Heros, der vom
Localen losgelöst ist, strebt schon in's Göttliche hinüber).
Local gebunden sind ja sicherlich diejenigen Heroen, die aus
der Tiefe, in der sie wohnen, Hülfe in Krankheiten oder Ver-
kündigung der Zukunft heraufsenden. Nur an ihrem Grabe
kann man solche Wirkungen von ihnen erhoffen, denn nur da
ist ihr Aufenthalt. In ihnen tritt die Verwandtschaft des Heroen-
glaubens mit dem Glauben an jene in der Erde hausenden
Götter, von denen einiges im vorigen Abschnitt gesagt ist, be-
sonders deutlich hervor; ja, was die völlig an das Local ge-
bundene Wirksamkeit und deren Beschränkung auf die Iatro-
mantik betrifft, fallen beide Art von Geistern völlig zusammen.

Hülfe in Krankheiten erwartete man namentlich, wie von
Asklepios selbst, so von den Asklepiaden, Machaon, der
ein Grab und Heiligthum bei Gerenia an der Küste La-
koniens hatte, und Podalirios. Dieser war in Apulien, in der
Nähe des Berges Garganus, begraben. Hülfesuchende legten
sich auf dem Felle des als Opfer geschlachteten Widders im
Heroon des Podalirios zum Schlaf nieder und empfingen von
dem Heros sowohl andere Offenbarungen als Heilmittel für
Krankheiten von Mensch und Vieh 2). Auch der Sohn des

1) [oi eroes kai ai eroides tois theois ton auton ekhousi logon (nämlich
für die Traumdeutung)], plen osa dunameos apoleipontai. Artemidor.
onirocr. 4, 78. -- Paus. 10, 31, 11: die Alten hielten die Eleusinische
Weihe tosouton entimoteron als alle anderen Religionsübungen oso kai
theous epiprosthen eroon.
2) Machaons mnema und ieron agion bei Gerenia: Paus. 3, 26, 9.
Seine Gebeine hatte Nestor aus Troja mitgebracht: § 10. Vgl. Schol.
Marc. und Tzetz. Lycophr. 1048. Zuerst opferte ihm Glaukos, Sohn des
Aepytos: Paus. 4, 3, 9. -- Podalirios. Sein eroon lag am Fusse des
lophos Drion beim Berge Garganus, 100 Stadien vom Meere entfernt. Rei
d ex autou potamion panakes pros tas ton thremmaton nosous: Strabo 6,
p. 284. Die im Texte angegebene Art der Incubation beschreibt Lyco-
phron v. 1047--1055. Auch er redet von einem (vom Heilen so benannten)

an Macht nicht gleich kommen“ 1). Denn sie sind auf einen
engeren Wirkungskreis beschränkt, auf ihre Heimath und den
begrenzten Kreis ihrer Verehrer. Sie sind local gebunden, wie
die olympischen Götter längst nicht mehr (ein Heros, der vom
Localen losgelöst ist, strebt schon in’s Göttliche hinüber).
Local gebunden sind ja sicherlich diejenigen Heroen, die aus
der Tiefe, in der sie wohnen, Hülfe in Krankheiten oder Ver-
kündigung der Zukunft heraufsenden. Nur an ihrem Grabe
kann man solche Wirkungen von ihnen erhoffen, denn nur da
ist ihr Aufenthalt. In ihnen tritt die Verwandtschaft des Heroen-
glaubens mit dem Glauben an jene in der Erde hausenden
Götter, von denen einiges im vorigen Abschnitt gesagt ist, be-
sonders deutlich hervor; ja, was die völlig an das Local ge-
bundene Wirksamkeit und deren Beschränkung auf die Iatro-
mantik betrifft, fallen beide Art von Geistern völlig zusammen.

Hülfe in Krankheiten erwartete man namentlich, wie von
Asklepios selbst, so von den Asklepiaden, Machaon, der
ein Grab und Heiligthum bei Gerenia an der Küste La-
koniens hatte, und Podalirios. Dieser war in Apulien, in der
Nähe des Berges Garganus, begraben. Hülfesuchende legten
sich auf dem Felle des als Opfer geschlachteten Widders im
Heroon des Podalirios zum Schlaf nieder und empfingen von
dem Heros sowohl andere Offenbarungen als Heilmittel für
Krankheiten von Mensch und Vieh 2). Auch der Sohn des

1) [οἱ ἥρωες καὶ αἱ ἡρωίδες τοῖς ϑεοῖς τὸν αὐτὸν ἔχουσι λόγον (nämlich
für die Traumdeutung)], πλὴν ὅσα δυνάμεως ἀπολείπονται. Artemidor.
onirocr. 4, 78. — Paus. 10, 31, 11: die Alten hielten die Eleusinische
Weihe τοσοῦτον ἐντιμότερον als alle anderen Religionsübungen ὅσῳ καὶ
ϑεοὺς ἐπίπροσϑεν ἡρώων.
2) Machaons μνῆμα und ἱερὸν ἅγιον bei Gerenia: Paus. 3, 26, 9.
Seine Gebeine hatte Nestor aus Troja mitgebracht: § 10. Vgl. Schol.
Marc. und Tzetz. Lycophr. 1048. Zuerst opferte ihm Glaukos, Sohn des
Aepytos: Paus. 4, 3, 9. — Podalirios. Sein ἡρῷον lag am Fusse des
λόφος Δρίον beim Berge Garganus, 100 Stadien vom Meere entfernt. Ῥεῖ
δ̕ ἐξ αὐτοῦ ποτάμιον πάνακες πρὸς τὰς τῶν ϑρεμμάτων νόσους: Strabo 6,
p. 284. Die im Texte angegebene Art der Incubation beschreibt Lyco-
phron v. 1047—1055. Auch er redet von einem (vom Heilen so benannten)
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[173/0189] an Macht nicht gleich kommen“ 1). Denn sie sind auf einen engeren Wirkungskreis beschränkt, auf ihre Heimath und den begrenzten Kreis ihrer Verehrer. Sie sind local gebunden, wie die olympischen Götter längst nicht mehr (ein Heros, der vom Localen losgelöst ist, strebt schon in’s Göttliche hinüber). Local gebunden sind ja sicherlich diejenigen Heroen, die aus der Tiefe, in der sie wohnen, Hülfe in Krankheiten oder Ver- kündigung der Zukunft heraufsenden. Nur an ihrem Grabe kann man solche Wirkungen von ihnen erhoffen, denn nur da ist ihr Aufenthalt. In ihnen tritt die Verwandtschaft des Heroen- glaubens mit dem Glauben an jene in der Erde hausenden Götter, von denen einiges im vorigen Abschnitt gesagt ist, be- sonders deutlich hervor; ja, was die völlig an das Local ge- bundene Wirksamkeit und deren Beschränkung auf die Iatro- mantik betrifft, fallen beide Art von Geistern völlig zusammen. Hülfe in Krankheiten erwartete man namentlich, wie von Asklepios selbst, so von den Asklepiaden, Machaon, der ein Grab und Heiligthum bei Gerenia an der Küste La- koniens hatte, und Podalirios. Dieser war in Apulien, in der Nähe des Berges Garganus, begraben. Hülfesuchende legten sich auf dem Felle des als Opfer geschlachteten Widders im Heroon des Podalirios zum Schlaf nieder und empfingen von dem Heros sowohl andere Offenbarungen als Heilmittel für Krankheiten von Mensch und Vieh 2). Auch der Sohn des 1) [οἱ ἥρωες καὶ αἱ ἡρωίδες τοῖς ϑεοῖς τὸν αὐτὸν ἔχουσι λόγον (nämlich für die Traumdeutung)], πλὴν ὅσα δυνάμεως ἀπολείπονται. Artemidor. onirocr. 4, 78. — Paus. 10, 31, 11: die Alten hielten die Eleusinische Weihe τοσοῦτον ἐντιμότερον als alle anderen Religionsübungen ὅσῳ καὶ ϑεοὺς ἐπίπροσϑεν ἡρώων. 2) Machaons μνῆμα und ἱερὸν ἅγιον bei Gerenia: Paus. 3, 26, 9. Seine Gebeine hatte Nestor aus Troja mitgebracht: § 10. Vgl. Schol. Marc. und Tzetz. Lycophr. 1048. Zuerst opferte ihm Glaukos, Sohn des Aepytos: Paus. 4, 3, 9. — Podalirios. Sein ἡρῷον lag am Fusse des λόφος Δρίον beim Berge Garganus, 100 Stadien vom Meere entfernt. Ῥεῖ δ̕ ἐξ αὐτοῦ ποτάμιον πάνακες πρὸς τὰς τῶν ϑρεμμάτων νόσους: Strabo 6, p. 284. Die im Texte angegebene Art der Incubation beschreibt Lyco- phron v. 1047—1055. Auch er redet von einem (vom Heilen so benannten)

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/189>, abgerufen am 24.11.2024.