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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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vereinigt sind. Den Genossen dieser Verbände (Orgeonen) fehlte
der gemeinsame Name, der denn doch für die Angehörigen
eines Geschlechts einen engeren Zusammenhang bezeichnet als
den Zusammenhalt einer beliebig gewählten (nicht durch die
Geburt angewiesenen) Cultvereinigung.

Ueberall wird in solchen Geschlechtern die Form eines
Ahnencultes festgehalten. Und diese Form muss auch hier
einst einen vollen Sinn gehabt haben. Wie immer die vom
Staate anerkannten Geschlechter sich zu der ihnen eigenthüm-
lichen Gestalt entwickelt haben mögen, ihrem ersten Ursprung
nach müssen sie (nicht anders als die römischen gentes) auf
Geschlechtsverbände zurückgehen, die aus der, im Mannesstamm
erweiterten Familie hervorgewachsen und durch wirkliche Ver-
wandtschaft zusammengehalten waren. Auch der nur symbo-
lische Ahnencult der "Geschlechter" späterer Zeit, von denen
wohl nicht eines den Grad seiner Abstammung von dem vor-
ausgesetzten Ahnherrn nachweisen konnte, muss entsprungen
sein aus dem ächten Ahnencult wirklicher Geschlechtsverbände.
Das Nachbild weist auch hier auf das einstige Dasein des Vor-
bildes hin.

Auch die grösseren Gruppen, in welche seit der Reform
des Kleisthenes der athenische Staat zerfiel, konnten nun der
Vereinigung um den Cult eines gemeinsam verehrten Heros
nicht entbehren; die Heroen der neu angeordneten Phylen 1)
hatten ihre Tempel, Landbesitz, Priester, Standbilder und
geregelten Cult, nicht minder die Heroen der kleineren, rein
localen Abtheilungen, der Demen. Die Fiction eines Ahnen-
cultes wurde auch hier festgehalten: die Namen der Phylen,
durchweg patronymisch gebildet, bezeichnen die Angehörigen
jeder Phyle als Nachkommen des Heros Eponymos oder
Archegetes der Phyle 2). Die Demen tragen zum Theil eben-

1) Deren Namen nach Bestimmung des delphischen Orakels fest-
gesetzt wurden. Paus. 10, 10, 1.
2) Statt der kahlen eponumoi findet sich auch als Benennung der
Phylenheroen das Wort arkhegetai: Aristoph. Geras bei Bekker, Anecd.

vereinigt sind. Den Genossen dieser Verbände (Orgeonen) fehlte
der gemeinsame Name, der denn doch für die Angehörigen
eines Geschlechts einen engeren Zusammenhang bezeichnet als
den Zusammenhalt einer beliebig gewählten (nicht durch die
Geburt angewiesenen) Cultvereinigung.

Ueberall wird in solchen Geschlechtern die Form eines
Ahnencultes festgehalten. Und diese Form muss auch hier
einst einen vollen Sinn gehabt haben. Wie immer die vom
Staate anerkannten Geschlechter sich zu der ihnen eigenthüm-
lichen Gestalt entwickelt haben mögen, ihrem ersten Ursprung
nach müssen sie (nicht anders als die römischen gentes) auf
Geschlechtsverbände zurückgehen, die aus der, im Mannesstamm
erweiterten Familie hervorgewachsen und durch wirkliche Ver-
wandtschaft zusammengehalten waren. Auch der nur symbo-
lische Ahnencult der „Geschlechter“ späterer Zeit, von denen
wohl nicht eines den Grad seiner Abstammung von dem vor-
ausgesetzten Ahnherrn nachweisen konnte, muss entsprungen
sein aus dem ächten Ahnencult wirklicher Geschlechtsverbände.
Das Nachbild weist auch hier auf das einstige Dasein des Vor-
bildes hin.

Auch die grösseren Gruppen, in welche seit der Reform
des Kleisthenes der athenische Staat zerfiel, konnten nun der
Vereinigung um den Cult eines gemeinsam verehrten Heros
nicht entbehren; die Heroen der neu angeordneten Phylen 1)
hatten ihre Tempel, Landbesitz, Priester, Standbilder und
geregelten Cult, nicht minder die Heroen der kleineren, rein
localen Abtheilungen, der Demen. Die Fiction eines Ahnen-
cultes wurde auch hier festgehalten: die Namen der Phylen,
durchweg patronymisch gebildet, bezeichnen die Angehörigen
jeder Phyle als Nachkommen des Heros Eponymos oder
Archegetes der Phyle 2). Die Demen tragen zum Theil eben-

1) Deren Namen nach Bestimmung des delphischen Orakels fest-
gesetzt wurden. Paus. 10, 10, 1.
2) Statt der kahlen ἐπώνυμοι findet sich auch als Benennung der
Phylenheroen das Wort ἀρχηγέται: Aristoph. Γῆρας bei Bekker, Anecd.
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[158/0174] vereinigt sind. Den Genossen dieser Verbände (Orgeonen) fehlte der gemeinsame Name, der denn doch für die Angehörigen eines Geschlechts einen engeren Zusammenhang bezeichnet als den Zusammenhalt einer beliebig gewählten (nicht durch die Geburt angewiesenen) Cultvereinigung. Ueberall wird in solchen Geschlechtern die Form eines Ahnencultes festgehalten. Und diese Form muss auch hier einst einen vollen Sinn gehabt haben. Wie immer die vom Staate anerkannten Geschlechter sich zu der ihnen eigenthüm- lichen Gestalt entwickelt haben mögen, ihrem ersten Ursprung nach müssen sie (nicht anders als die römischen gentes) auf Geschlechtsverbände zurückgehen, die aus der, im Mannesstamm erweiterten Familie hervorgewachsen und durch wirkliche Ver- wandtschaft zusammengehalten waren. Auch der nur symbo- lische Ahnencult der „Geschlechter“ späterer Zeit, von denen wohl nicht eines den Grad seiner Abstammung von dem vor- ausgesetzten Ahnherrn nachweisen konnte, muss entsprungen sein aus dem ächten Ahnencult wirklicher Geschlechtsverbände. Das Nachbild weist auch hier auf das einstige Dasein des Vor- bildes hin. Auch die grösseren Gruppen, in welche seit der Reform des Kleisthenes der athenische Staat zerfiel, konnten nun der Vereinigung um den Cult eines gemeinsam verehrten Heros nicht entbehren; die Heroen der neu angeordneten Phylen 1) hatten ihre Tempel, Landbesitz, Priester, Standbilder und geregelten Cult, nicht minder die Heroen der kleineren, rein localen Abtheilungen, der Demen. Die Fiction eines Ahnen- cultes wurde auch hier festgehalten: die Namen der Phylen, durchweg patronymisch gebildet, bezeichnen die Angehörigen jeder Phyle als Nachkommen des Heros Eponymos oder Archegetes der Phyle 2). Die Demen tragen zum Theil eben- 1) Deren Namen nach Bestimmung des delphischen Orakels fest- gesetzt wurden. Paus. 10, 10, 1. 2) Statt der kahlen ἐπώνυμοι findet sich auch als Benennung der Phylenheroen das Wort ἀρχηγέται: Aristoph. Γῆρας bei Bekker, Anecd.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/174>, abgerufen am 22.11.2024.