Erdtiefe zu ewigem Leben entrückt. Und aller Zukunft haben sie, auch wo man ihnen nicht nur ewiges Leben zusprach, sondern sie geradezu Götter nannte, als Menschen gegolten, die unsterblich oder gar den Göttern gleich erst geworden seien 1). Und sie sind Vorbilder geworden eines Zustandes, zu dem auch andere Sterbliche wohl erhöhet werden könnten. In der Elektra des Sophokles (v. 836 ff.) beruft sich der Chor, um die Hoffnung auf Fortdauer des Lebens der Ab- geschiedenen zu bekräftigen, ausdrücklich auf das Beispiel des Amphiaraos, der noch jetzt unter der Erde mit vollen Seelen- kräften walte. Darum eben sind diese und andere, von der alten Sage und Dichtung dargebotenen Beispiele von "Höhlen- entrückung" einzelner Helden auch für unsere Betrachtung wichtig: in ihnen, wie nach anderer Richtung in den Sagen von der Inselentrückung, weist das Epos selbst hinaus über seine trübe und resignirte Vorstellung vom Dasein nach dem Tode auf ein erhöhetes Leben nach dem Abscheiden aus dem Reiche des Sichtbaren. Indem es einzelne unter den einst zahlreich in griechischen Landschaften verehrten Höhlengöttern ihrer ursprünglichen Göttlichkeit entkleidete, zu menschlicher Natur herabzog und in die Heldensage verflocht, ihr übermenschliches Weiterleben und (besonders mantisches) Wirken aber, wie es Glaube und Cult der Landesbewohner behauptete, nicht auf- hob, schuf es eine Classe von menschlichen Helden, die zu göttlichem Leben erhöhet, von der Oberwelt zwar geschieden, aber nicht dem allgemeinen Seelenreich zugetheilt waren, son-
1) Den Amphiaraos hatte Sulla zu den "Göttern" gerechnet (und darum das seinem Tempel zugewiesene Gebiet von Oropos von der Ver- pachtung der Abgaben an die römischen publicani ausgeschlossen); der römische Senat lässt es dabei bewenden (Ins. aus Oropos, Ephem. arkhaiol. 1884 p. 101 ff.; Hermes 20, 268 ff.); die publicani hatten geleugnet, im- mortales esse ullos, qui aliquando homines fuissent (Cicero n. deor. 3, § 49). Nur dies, dass Amphiaraos jetzt Gott sei, war also von der anderen Seite behauptet, dass er aber ehedem Mensch gewesen sei, nicht geleugnet worden. -- Unter den theoi, welche eginonto ex anthropon nennt den Amphiaraos noch Pausanias 8, 2, 4.
Erdtiefe zu ewigem Leben entrückt. Und aller Zukunft haben sie, auch wo man ihnen nicht nur ewiges Leben zusprach, sondern sie geradezu Götter nannte, als Menschen gegolten, die unsterblich oder gar den Göttern gleich erst geworden seien 1). Und sie sind Vorbilder geworden eines Zustandes, zu dem auch andere Sterbliche wohl erhöhet werden könnten. In der Elektra des Sophokles (v. 836 ff.) beruft sich der Chor, um die Hoffnung auf Fortdauer des Lebens der Ab- geschiedenen zu bekräftigen, ausdrücklich auf das Beispiel des Amphiaraos, der noch jetzt unter der Erde mit vollen Seelen- kräften walte. Darum eben sind diese und andere, von der alten Sage und Dichtung dargebotenen Beispiele von „Höhlen- entrückung“ einzelner Helden auch für unsere Betrachtung wichtig: in ihnen, wie nach anderer Richtung in den Sagen von der Inselentrückung, weist das Epos selbst hinaus über seine trübe und resignirte Vorstellung vom Dasein nach dem Tode auf ein erhöhetes Leben nach dem Abscheiden aus dem Reiche des Sichtbaren. Indem es einzelne unter den einst zahlreich in griechischen Landschaften verehrten Höhlengöttern ihrer ursprünglichen Göttlichkeit entkleidete, zu menschlicher Natur herabzog und in die Heldensage verflocht, ihr übermenschliches Weiterleben und (besonders mantisches) Wirken aber, wie es Glaube und Cult der Landesbewohner behauptete, nicht auf- hob, schuf es eine Classe von menschlichen Helden, die zu göttlichem Leben erhöhet, von der Oberwelt zwar geschieden, aber nicht dem allgemeinen Seelenreich zugetheilt waren, son-
1) Den Amphiaraos hatte Sulla zu den „Göttern“ gerechnet (und darum das seinem Tempel zugewiesene Gebiet von Oropos von der Ver- pachtung der Abgaben an die römischen publicani ausgeschlossen); der römische Senat lässt es dabei bewenden (Ins. aus Oropos, Ἐφημ. ἀρχαιολ. 1884 p. 101 ff.; Hermes 20, 268 ff.); die publicani hatten geleugnet, im- mortales esse ullos, qui aliquando homines fuissent (Cicero n. deor. 3, § 49). Nur dies, dass Amphiaraos jetzt Gott sei, war also von der anderen Seite behauptet, dass er aber ehedem Mensch gewesen sei, nicht geleugnet worden. — Unter den ϑεοί, welche ἐγίνοντο ἐξ ἀνϑρώπων nennt den Amphiaraos noch Pausanias 8, 2, 4.
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seien 1). Und sie sind Vorbilder geworden eines Zustandes,
zu dem auch andere Sterbliche wohl erhöhet werden könnten.
In der Elektra des Sophokles (v. 836 ff.) beruft sich der
Chor, um die Hoffnung auf Fortdauer des Lebens der Ab-
geschiedenen zu bekräftigen, ausdrücklich auf das Beispiel des
Amphiaraos, der noch jetzt unter der Erde mit vollen Seelen-
kräften walte. Darum eben sind diese und andere, von der
alten Sage und Dichtung dargebotenen Beispiele von „Höhlen-
entrückung“ einzelner Helden auch für unsere Betrachtung
wichtig: in ihnen, wie nach anderer Richtung in den Sagen von
der Inselentrückung, weist das Epos selbst hinaus über seine
trübe und resignirte Vorstellung vom Dasein nach dem Tode
auf ein erhöhetes Leben nach dem Abscheiden aus dem Reiche
des Sichtbaren. Indem es einzelne unter den einst zahlreich
in griechischen Landschaften verehrten Höhlengöttern ihrer
ursprünglichen Göttlichkeit entkleidete, zu menschlicher Natur
herabzog und in die Heldensage verflocht, ihr übermenschliches
Weiterleben und (besonders mantisches) Wirken aber, wie es
Glaube und Cult der Landesbewohner behauptete, nicht auf-
hob, schuf es eine Classe von menschlichen Helden, die zu
göttlichem Leben erhöhet, von der Oberwelt zwar geschieden,
aber nicht dem allgemeinen Seelenreich zugetheilt waren, son-
1) Den Amphiaraos hatte Sulla zu den „Göttern“ gerechnet (und
darum das seinem Tempel zugewiesene Gebiet von Oropos von der Ver-
pachtung der Abgaben an die römischen publicani ausgeschlossen); der
römische Senat lässt es dabei bewenden (Ins. aus Oropos, Ἐφημ. ἀρχαιολ.
1884 p. 101 ff.; Hermes 20, 268 ff.); die publicani hatten geleugnet, im-
mortales esse ullos, qui aliquando homines fuissent (Cicero n. deor. 3,
§ 49). Nur dies, dass Amphiaraos jetzt Gott sei, war also von der
anderen Seite behauptet, dass er aber ehedem Mensch gewesen sei,
nicht geleugnet worden. — Unter den ϑεοί, welche ἐγίνοντο ἐξ ἀνϑρώπων
nennt den Amphiaraos noch Pausanias 8, 2, 4.
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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/151>, abgerufen am 22.11.2024.
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