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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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griechischen Städte der Insel: er war nicht gestorben, sondern
in einem Erdschlund verschwunden 1). -- Wie von Amphiaraos,
so scheint auch von seinem Sohne Amphilochos, dem Erben
seiner Wahrsagekunst, die Sage gegangen zu sein, dass er (in
Akarnanien oder in Kilikien) noch lebendig in der Erde hause 2).
-- Es liessen sich wohl noch einige Beispiele ähnlicher Art
beibringen. Aber die Zahl solcher Sagen bleibt eine kleine,
und nur wie zufällig tauchen sie hie und da in der Ueber-
lieferung auf. Die epische Dichtung, ohne deren Mitwirkung
locale Sagen selten verbreiteten und dauernden Ruhm erlangten,
liess, mit wenigen Ausnahmen, solche Geschichten bei Seite
liegen. Sie treten eben aus dem Vorstellungskreise homerischer
Dichtung heraus. Zwar der Glaube, dass Unsterblichkeit,
einzelnen Menschen durch Göttergnade wunderbar verliehen,
nur darin bestehen könne, dass der Tod, d. h. Scheidung der
Psyche vom sichtbaren Menschen, gar nicht eintrete, bestimmt
die Gestaltung auch dieser Sagen. Von einem unsterblichen
Leben der vom Leibe geschiedenen Seele für sich allein wissen
sie nichts. Insofern wurzeln sie fest im Boden epischen Glaubens.

Aber den Helden dieser Sagen wird ewiges Weiterleben zu
Theil an eigenen Wohnplätzen im Inneren der Erde, in unter-
irdischen Gemächern 3), nicht am allgemeinen Versammlungs-

1) Althaimenes, Sohn des Katreus (vgl. Rhein. Mus. 36, 432 f.),
euxamenos upo khasmatos ekrube Apollodor. III 2, 2, 3. Rationalisirter
Bericht des Zeno von Rhodus bei Diodor. 5, 59, 4. Aber da: usteron
kata khresmon tina timas eskhe para Rodiois eroikas, und in der That lehrt
die Inschrift bei Newton, Greek inscr. II 352 eine Volksabtheilung
(Ktoina?) auf Rhodos kennen des Namens Althaimenis, deren eros eponumos
Althaimenes sein muss.
2) S. Anhang 12.
3) Der eigentliche Ausdruck für diese Wohnplätze im Erdinnern ist:
megara. Lex. rhetor. bei Eustath. Od. 1387, 17 f. Daher auch die Opfer-
gruben, in welche man die Gaben für die Unterirdischen versenkte,
megara heissen (Lobeck Agl. 830; megara = khasmata Schol. Lucian.
Rhein. Mus. 25, 549, 7. 8): man gedenkt eben durch die Versenkung das
Opfer unmittelbar an den Aufenthalt der in der Erde wohnenden Geister
befördern zu können; der Opferschlund selbst ist das "Gemach" megaron,
in dem jene lebendig (in Schlangengestalt) hausen.

griechischen Städte der Insel: er war nicht gestorben, sondern
in einem Erdschlund verschwunden 1). — Wie von Amphiaraos,
so scheint auch von seinem Sohne Amphilochos, dem Erben
seiner Wahrsagekunst, die Sage gegangen zu sein, dass er (in
Akarnanien oder in Kilikien) noch lebendig in der Erde hause 2).
— Es liessen sich wohl noch einige Beispiele ähnlicher Art
beibringen. Aber die Zahl solcher Sagen bleibt eine kleine,
und nur wie zufällig tauchen sie hie und da in der Ueber-
lieferung auf. Die epische Dichtung, ohne deren Mitwirkung
locale Sagen selten verbreiteten und dauernden Ruhm erlangten,
liess, mit wenigen Ausnahmen, solche Geschichten bei Seite
liegen. Sie treten eben aus dem Vorstellungskreise homerischer
Dichtung heraus. Zwar der Glaube, dass Unsterblichkeit,
einzelnen Menschen durch Göttergnade wunderbar verliehen,
nur darin bestehen könne, dass der Tod, d. h. Scheidung der
Psyche vom sichtbaren Menschen, gar nicht eintrete, bestimmt
die Gestaltung auch dieser Sagen. Von einem unsterblichen
Leben der vom Leibe geschiedenen Seele für sich allein wissen
sie nichts. Insofern wurzeln sie fest im Boden epischen Glaubens.

Aber den Helden dieser Sagen wird ewiges Weiterleben zu
Theil an eigenen Wohnplätzen im Inneren der Erde, in unter-
irdischen Gemächern 3), nicht am allgemeinen Versammlungs-

1) Althaimenes, Sohn des Katreus (vgl. Rhein. Mus. 36, 432 f.),
εὐξάμενος ὑπὸ χάσματος ἐκρύβη Apollodor. III 2, 2, 3. Rationalisirter
Bericht des Zeno von Rhodus bei Diodor. 5, 59, 4. Aber da: ὕστερον
κατὰ χρησμόν τινα τιμὰς ἔσχε παρὰ Ῥοδίοις ἡρωϊκάς, und in der That lehrt
die Inschrift bei Newton, Greek inscr. II 352 eine Volksabtheilung
(Ktoina?) auf Rhodos kennen des Namens Ἀλϑαιμενίς, deren ἥρως ἐπώνυμος
Althaimenes sein muss.
2) S. Anhang 12.
3) Der eigentliche Ausdruck für diese Wohnplätze im Erdinnern ist:
μέγαρα. Lex. rhetor. bei Eustath. Od. 1387, 17 f. Daher auch die Opfer-
gruben, in welche man die Gaben für die Unterirdischen versenkte,
μέγαρα heissen (Lobeck Agl. 830; μέγαρα = χάσματα Schol. Lucian.
Rhein. Mus. 25, 549, 7. 8): man gedenkt eben durch die Versenkung das
Opfer unmittelbar an den Aufenthalt der in der Erde wohnenden Geister
befördern zu können; der Opferschlund selbst ist das „Gemach“ μέγαρον,
in dem jene lebendig (in Schlangengestalt) hausen.
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[109/0125] griechischen Städte der Insel: er war nicht gestorben, sondern in einem Erdschlund verschwunden 1). — Wie von Amphiaraos, so scheint auch von seinem Sohne Amphilochos, dem Erben seiner Wahrsagekunst, die Sage gegangen zu sein, dass er (in Akarnanien oder in Kilikien) noch lebendig in der Erde hause 2). — Es liessen sich wohl noch einige Beispiele ähnlicher Art beibringen. Aber die Zahl solcher Sagen bleibt eine kleine, und nur wie zufällig tauchen sie hie und da in der Ueber- lieferung auf. Die epische Dichtung, ohne deren Mitwirkung locale Sagen selten verbreiteten und dauernden Ruhm erlangten, liess, mit wenigen Ausnahmen, solche Geschichten bei Seite liegen. Sie treten eben aus dem Vorstellungskreise homerischer Dichtung heraus. Zwar der Glaube, dass Unsterblichkeit, einzelnen Menschen durch Göttergnade wunderbar verliehen, nur darin bestehen könne, dass der Tod, d. h. Scheidung der Psyche vom sichtbaren Menschen, gar nicht eintrete, bestimmt die Gestaltung auch dieser Sagen. Von einem unsterblichen Leben der vom Leibe geschiedenen Seele für sich allein wissen sie nichts. Insofern wurzeln sie fest im Boden epischen Glaubens. Aber den Helden dieser Sagen wird ewiges Weiterleben zu Theil an eigenen Wohnplätzen im Inneren der Erde, in unter- irdischen Gemächern 3), nicht am allgemeinen Versammlungs- 1) Althaimenes, Sohn des Katreus (vgl. Rhein. Mus. 36, 432 f.), εὐξάμενος ὑπὸ χάσματος ἐκρύβη Apollodor. III 2, 2, 3. Rationalisirter Bericht des Zeno von Rhodus bei Diodor. 5, 59, 4. Aber da: ὕστερον κατὰ χρησμόν τινα τιμὰς ἔσχε παρὰ Ῥοδίοις ἡρωϊκάς, und in der That lehrt die Inschrift bei Newton, Greek inscr. II 352 eine Volksabtheilung (Ktoina?) auf Rhodos kennen des Namens Ἀλϑαιμενίς, deren ἥρως ἐπώνυμος Althaimenes sein muss. 2) S. Anhang 12. 3) Der eigentliche Ausdruck für diese Wohnplätze im Erdinnern ist: μέγαρα. Lex. rhetor. bei Eustath. Od. 1387, 17 f. Daher auch die Opfer- gruben, in welche man die Gaben für die Unterirdischen versenkte, μέγαρα heissen (Lobeck Agl. 830; μέγαρα = χάσματα Schol. Lucian. Rhein. Mus. 25, 549, 7. 8): man gedenkt eben durch die Versenkung das Opfer unmittelbar an den Aufenthalt der in der Erde wohnenden Geister befördern zu können; der Opferschlund selbst ist das „Gemach“ μέγαρον, in dem jene lebendig (in Schlangengestalt) hausen.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/125>, abgerufen am 22.11.2024.