den. Oft haben die Muscheln an einem Orte keine Nahrung, sonderlich wo lauter flüßiger Grund ohne klaren Sand und Schlamm ist; oft haben sie wieder zu viel Schlamm und kla- ren Sand, und müssen in solchem ersticken. An manchen Orten liegen zu viel Männchen beysammen ohne Weibchen, da hingegen an einem andern zu viel Weibchen ohne Männ- chen sind, wodurch die Vermehrung gehindert wird. An andern Orten sind sie in beyden Geschlechtern so überhäuft, daß sie einander die Nahrung entziehen. Manche Muschel, die eine Perle angesetzt hat, liegt zu hoch an der Sonne, wodurch ihr Wachsthum der Perle gehindert wird, indem die Erfahrung lehrt, daß, je tiefer die perlenträchtigen Muscheln in hellem Wasser liegen, je größer wachsen ihre Perlen. Daher ist es oft unnöthig, daß man an solchen Orten die Erlen oder andere Bäu- me abhauet, wo sich tiefe Wasser finden, weil solche Orte zum Wachsthum der Perlen dienen, woran sie der Schatten nicht hindern kann. So fand man einst bey Wegreißung eines al- ten Mühlwehres im Triebel, an einem tiefen, mit hölzernen Pfosten bedeckten Ort, eine Men- ge der größten Perlen, darunter sich viele von der Größe einer kleinen Muscatennuß befan- den, zu denen vielleicht in hundert Jahren kein Sonnenstral gedrungen war. Manche Mu- schel hingegen, welche eine in der Reifung oder Politur liegende Perle trägt, liegt oft zu tief
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den. Oft haben die Muſcheln an einem Orte keine Nahrung, ſonderlich wo lauter fluͤßiger Grund ohne klaren Sand und Schlamm iſt; oft haben ſie wieder zu viel Schlamm und kla- ren Sand, und muͤſſen in ſolchem erſticken. An manchen Orten liegen zu viel Maͤnnchen beyſammen ohne Weibchen, da hingegen an einem andern zu viel Weibchen ohne Maͤnn- chen ſind, wodurch die Vermehrung gehindert wird. An andern Orten ſind ſie in beyden Geſchlechtern ſo uͤberhaͤuft, daß ſie einander die Nahrung entziehen. Manche Muſchel, die eine Perle angeſetzt hat, liegt zu hoch an der Sonne, wodurch ihr Wachsthum der Perle gehindert wird, indem die Erfahrung lehrt, daß, je tiefer die perlentraͤchtigen Muſcheln in hellem Waſſer liegen, je groͤßer wachſen ihre Perlen. Daher iſt es oft unnoͤthig, daß man an ſolchen Orten die Erlen oder andere Baͤu- me abhauet, wo ſich tiefe Waſſer finden, weil ſolche Orte zum Wachsthum der Perlen dienen, woran ſie der Schatten nicht hindern kann. So fand man einſt bey Wegreißung eines al- ten Muͤhlwehres im Triebel, an einem tiefen, mit hoͤlzernen Pfoſten bedeckten Ort, eine Men- ge der groͤßten Perlen, darunter ſich viele von der Groͤße einer kleinen Muſcatennuß befan- den, zu denen vielleicht in hundert Jahren kein Sonnenſtral gedrungen war. Manche Mu- ſchel hingegen, welche eine in der Reifung oder Politur liegende Perle traͤgt, liegt oft zu tief
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den. Oft haben die Muſcheln an einem Orte
keine Nahrung, ſonderlich wo lauter fluͤßiger
Grund ohne klaren Sand und Schlamm iſt;
oft haben ſie wieder zu viel Schlamm und kla-
ren Sand, und muͤſſen in ſolchem erſticken.
An manchen Orten liegen zu viel Maͤnnchen
beyſammen ohne Weibchen, da hingegen an
einem andern zu viel Weibchen ohne Maͤnn-
chen ſind, wodurch die Vermehrung gehindert
wird. An andern Orten ſind ſie in beyden
Geſchlechtern ſo uͤberhaͤuft, daß ſie einander
die Nahrung entziehen. Manche Muſchel, die
eine Perle angeſetzt hat, liegt zu hoch an der
Sonne, wodurch ihr Wachsthum der Perle
gehindert wird, indem die Erfahrung lehrt,
daß, je tiefer die perlentraͤchtigen Muſcheln in
hellem Waſſer liegen, je groͤßer wachſen ihre
Perlen. Daher iſt es oft unnoͤthig, daß man
an ſolchen Orten die Erlen oder andere Baͤu-
me abhauet, wo ſich tiefe Waſſer finden, weil
ſolche Orte zum Wachsthum der Perlen dienen,
woran ſie der Schatten nicht hindern kann.
So fand man einſt bey Wegreißung eines al-
ten Muͤhlwehres im Triebel, an einem tiefen,
mit hoͤlzernen Pfoſten bedeckten Ort, eine Men-
ge der groͤßten Perlen, darunter ſich viele von
der Groͤße einer kleinen Muſcatennuß befan-
den, zu denen vielleicht in hundert Jahren kein
Sonnenſtral gedrungen war. Manche Mu-
ſchel hingegen, welche eine in der Reifung oder
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Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie- Polizey- und Cameralwissenschaften. Deutschland. Bd. 2,1. Leipzig, 1782, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roessig_oekonomie02_1782/593>, abgerufen am 25.11.2024.
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