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Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie- Polizey- und Cameralwissenschaften. Deutschland. Bd. 1. Leipzig, 1781.

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Etwas zur Geschichte
des
Federviehes.

In den mittlern Zeiten scheint das Federvieh
sehr angenehm gewesen, und dessen Zucht
außerordentlich betrieben worden zu seyn. Die
Religion, sonderlich durch die Fasten, die Sorge
der Geistlichen für ihren Körper, und die Em-
pfehlung, die diese Speisen für ihren Geschmack
hatten, waren unstreitig kein geringer Bewe-
gungsgrund, warum sie so sehr blühete. Hier-
durch sowohl als durch die Nothwendigkeit, die
Zinsen in den Naturprodukten selbst abzutragen,
weil das Geld noch nicht so häufig war, wurde
auch bey den weltlichen Zinsen dieses eingefürt.
Und da diese so häufig auf Federvieh gesetzt wa-
ren, so beweist dieses die starke Federviehzucht
der mittlern Zeiten, und machte ihre Betreibung
auch einigermaßen immer nothwendig. Es ver-
dient überhaupt bemerkt zu werden, daß in den
mittlern Zeiten die Naturalzinsen nicht die nach-
theilige Wirkung hatten, die sie heut zu Tage
gemeiniglich haben, da sie für die Geschäfte, von
denen sie erlegt werden müssen, meistens drückend
und hinderlich sind. Der Grund davon scheint
in der Verfassung der mittlern Zeiten zu liegen,
wo man glaubte, alles, was man nur einiger-

maßen
G g 2

Etwas zur Geſchichte
des
Federviehes.

In den mittlern Zeiten ſcheint das Federvieh
ſehr angenehm geweſen, und deſſen Zucht
außerordentlich betrieben worden zu ſeyn. Die
Religion, ſonderlich durch die Faſten, die Sorge
der Geiſtlichen fuͤr ihren Koͤrper, und die Em-
pfehlung, die dieſe Speiſen fuͤr ihren Geſchmack
hatten, waren unſtreitig kein geringer Bewe-
gungsgrund, warum ſie ſo ſehr bluͤhete. Hier-
durch ſowohl als durch die Nothwendigkeit, die
Zinſen in den Naturprodukten ſelbſt abzutragen,
weil das Geld noch nicht ſo haͤufig war, wurde
auch bey den weltlichen Zinſen dieſes eingefuͤrt.
Und da dieſe ſo haͤufig auf Federvieh geſetzt wa-
ren, ſo beweiſt dieſes die ſtarke Federviehzucht
der mittlern Zeiten, und machte ihre Betreibung
auch einigermaßen immer nothwendig. Es ver-
dient uͤberhaupt bemerkt zu werden, daß in den
mittlern Zeiten die Naturalzinſen nicht die nach-
theilige Wirkung hatten, die ſie heut zu Tage
gemeiniglich haben, da ſie fuͤr die Geſchaͤfte, von
denen ſie erlegt werden muͤſſen, meiſtens druͤckend
und hinderlich ſind. Der Grund davon ſcheint
in der Verfaſſung der mittlern Zeiten zu liegen,
wo man glaubte, alles, was man nur einiger-

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[467/0493] Etwas zur Geſchichte des Federviehes. In den mittlern Zeiten ſcheint das Federvieh ſehr angenehm geweſen, und deſſen Zucht außerordentlich betrieben worden zu ſeyn. Die Religion, ſonderlich durch die Faſten, die Sorge der Geiſtlichen fuͤr ihren Koͤrper, und die Em- pfehlung, die dieſe Speiſen fuͤr ihren Geſchmack hatten, waren unſtreitig kein geringer Bewe- gungsgrund, warum ſie ſo ſehr bluͤhete. Hier- durch ſowohl als durch die Nothwendigkeit, die Zinſen in den Naturprodukten ſelbſt abzutragen, weil das Geld noch nicht ſo haͤufig war, wurde auch bey den weltlichen Zinſen dieſes eingefuͤrt. Und da dieſe ſo haͤufig auf Federvieh geſetzt wa- ren, ſo beweiſt dieſes die ſtarke Federviehzucht der mittlern Zeiten, und machte ihre Betreibung auch einigermaßen immer nothwendig. Es ver- dient uͤberhaupt bemerkt zu werden, daß in den mittlern Zeiten die Naturalzinſen nicht die nach- theilige Wirkung hatten, die ſie heut zu Tage gemeiniglich haben, da ſie fuͤr die Geſchaͤfte, von denen ſie erlegt werden muͤſſen, meiſtens druͤckend und hinderlich ſind. Der Grund davon ſcheint in der Verfaſſung der mittlern Zeiten zu liegen, wo man glaubte, alles, was man nur einiger- maßen G g 2

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Zitationshilfe: Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie- Polizey- und Cameralwissenschaften. Deutschland. Bd. 1. Leipzig, 1781, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roessig_oekonomie01_1781/493>, abgerufen am 22.11.2024.