war. Die Liebe zu Stuttereyen und der Reut- kunst, die in den ritterlichen Uebungen ein nothwendiges Erforderniß war, die Vorzüge, Schönheit und Geschicklichkeit, die die Pferde im Turnier haben mußten, und die großen Verdienste, die sie zuweilen um den Preis in dergleichen Spielen hatten, so wie auch der Stolz der Ritter auf schöne Pferde, waren die stärksten Triebfedern, warum man in Deutschland, wo diese Uebung so lange dauer- te, und so großen und starken Einfluß in die National-Charaktere gehabt, die Pferdezucht und besonders die Gestüte mit so großer Sorg- falt behandelte.
Daher kam vorzüglich die große Neigung des hohen und niedern Adels zu diesen Geschäf- ten, obgleich nicht zu läugnen ist, daß sie mehr blos zur Befriedigung eines eiteln Stolzes als aus Sorgfalt für das gemeine Wesen und zu Beförderung dieses Nahrungsgeschäftes betrie- ben wurden. Italien gab damals die besten Leu- te für die Stutterey, und man verschrieb sie von da aus nach England, Frankreich und andern Ländern. Vorzüglich war Turin und Florenz deshalb berühmt. Man gieng hierauf weiter, und ließ Leute daselbst lernen, und geschickte Männer zu diesem Zwecke reisen. Aber im- mer nahm man nur Rücksicht auf die Berei- terkunst, und sorgte dabey nicht hinreichend für die Kenntnisse des Gestütewesens und die Grund- sätze einer guten Vieh- und Pferdezucht über-
haupt.
war. Die Liebe zu Stuttereyen und der Reut- kunſt, die in den ritterlichen Uebungen ein nothwendiges Erforderniß war, die Vorzuͤge, Schoͤnheit und Geſchicklichkeit, die die Pferde im Turnier haben mußten, und die großen Verdienſte, die ſie zuweilen um den Preis in dergleichen Spielen hatten, ſo wie auch der Stolz der Ritter auf ſchoͤne Pferde, waren die ſtaͤrkſten Triebfedern, warum man in Deutſchland, wo dieſe Uebung ſo lange dauer- te, und ſo großen und ſtarken Einfluß in die National-Charaktere gehabt, die Pferdezucht und beſonders die Geſtuͤte mit ſo großer Sorg- falt behandelte.
Daher kam vorzuͤglich die große Neigung des hohen und niedern Adels zu dieſen Geſchaͤf- ten, obgleich nicht zu laͤugnen iſt, daß ſie mehr blos zur Befriedigung eines eiteln Stolzes als aus Sorgfalt fuͤr das gemeine Weſen und zu Befoͤrderung dieſes Nahrungsgeſchaͤftes betrie- ben wurden. Italien gab damals die beſten Leu- te fuͤr die Stutterey, und man verſchrieb ſie von da aus nach England, Frankreich und andern Laͤndern. Vorzuͤglich war Turin und Florenz deshalb beruͤhmt. Man gieng hierauf weiter, und ließ Leute daſelbſt lernen, und geſchickte Maͤnner zu dieſem Zwecke reiſen. Aber im- mer nahm man nur Ruͤckſicht auf die Berei- terkunſt, und ſorgte dabey nicht hinreichend fuͤr die Kenntniſſe des Geſtuͤteweſens und die Grund- ſaͤtze einer guten Vieh- und Pferdezucht uͤber-
haupt.
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war. Die Liebe zu Stuttereyen und der Reut-
kunſt, die in den ritterlichen Uebungen ein
nothwendiges Erforderniß war, die Vorzuͤge,
Schoͤnheit und Geſchicklichkeit, die die Pferde
im Turnier haben mußten, und die großen
Verdienſte, die ſie zuweilen um den Preis in
dergleichen Spielen hatten, ſo wie auch der
Stolz der Ritter auf ſchoͤne Pferde, waren
die ſtaͤrkſten Triebfedern, warum man in
Deutſchland, wo dieſe Uebung ſo lange dauer-
te, und ſo großen und ſtarken Einfluß in die
National-Charaktere gehabt, die Pferdezucht
und beſonders die Geſtuͤte mit ſo großer Sorg-
falt behandelte.
Daher kam vorzuͤglich die große Neigung
des hohen und niedern Adels zu dieſen Geſchaͤf-
ten, obgleich nicht zu laͤugnen iſt, daß ſie mehr
blos zur Befriedigung eines eiteln Stolzes als
aus Sorgfalt fuͤr das gemeine Weſen und zu
Befoͤrderung dieſes Nahrungsgeſchaͤftes betrie-
ben wurden. Italien gab damals die beſten Leu-
te fuͤr die Stutterey, und man verſchrieb ſie von
da aus nach England, Frankreich und andern
Laͤndern. Vorzuͤglich war Turin und Florenz
deshalb beruͤhmt. Man gieng hierauf weiter,
und ließ Leute daſelbſt lernen, und geſchickte
Maͤnner zu dieſem Zwecke reiſen. Aber im-
mer nahm man nur Ruͤckſicht auf die Berei-
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die Kenntniſſe des Geſtuͤteweſens und die Grund-
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Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie- Polizey- und Cameralwissenschaften. Deutschland. Bd. 1. Leipzig, 1781, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roessig_oekonomie01_1781/222>, abgerufen am 22.11.2024.
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