Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.Sein Tod und dieses rasch verbreitete und geglaubte Ge- Immer aber hatte diese Sache ihre ganze Stellung er- Zunächst freilich überstanden sie den Sturm, zumal unter Sein Tod und dieſes raſch verbreitete und geglaubte Ge- Immer aber hatte dieſe Sache ihre ganze Stellung er- Zunächſt freilich überſtanden ſie den Sturm, zumal unter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0090" n="76"/> <p>Sein Tod und dieſes raſch verbreitete und geglaubte Ge-<lb/> rücht, regten begreiflich die öffentliche Meinung nicht nur in<lb/> Kleinpolen, ſondern faſt in der geſamten Republik gegen die<lb/> „Familie“ aufs furchtbarſte auf. Vielfach erwartete man, daß<lb/> die Potocki und die Tarlo Rache nehmen würden; man ſprach<lb/> von einer Conföderation, allein die Potocki erhoben ſich nicht,<lb/> und der alte Tarlo beſchränkte ſich auf eine gerichtliche Klage.<lb/> Von der andern Seite ſtrengten die Czartoryski bei dem Tri-<lb/> bunal von 1745 einen Proceß gegen Anhänger der Tarlo<lb/> wegen Verbreitung von Pasquillen an, welche die Ehre ihres<lb/> Hauſes verletzten, und erreichten deren Verurtheilung. Durch<lb/> Brühl ſetzten ſie es ſelbſt durch, daß der König dem jungen<lb/> Poniatowski den Orden des weißen Adler verlieh.</p><lb/> <p>Immer aber hatte dieſe Sache ihre ganze Stellung er-<lb/> ſchüttert. In Lithauen regten ſich die Radzivil, Sapieha,<lb/> Oginski gegen ſie lebendiger als früher, indem ſie ihnen bei<lb/> jeder Gelegenheit in den Weg traten. Am Hofe aber fing da-<lb/> mals bereits Georg Wandalin Mniszek, ſeit 1742 Hofmar-<lb/> ſchall, in der Stille und ſehr vorſichtig an, ſie aus der Gunſt<lb/> Brühls zu verdrängen, und um ſich ſelbſt eine neue Parthei<lb/> für den Hof zu bilden.</p><lb/> <p>Zunächſt freilich überſtanden ſie den Sturm, zumal unter<lb/> all ihren zahlreichen Gegner kein Mann war, der ſich in Ta-<lb/> lent und Thatkraft mit ihnen hätte vergleichen können. Auf<lb/> den Reichstagen ſich der Angriffe der Gegner zu erwehren,<lb/> waren in letzter Inſtanz die Einlegung des <hi rendition="#aq">liberum veto</hi><lb/> irgend eines Landboten oder das Verzögern der Unterſchrift<lb/> der gefaßten Beſchlüſſe bis zum letzten Augenblick der geſetz-<lb/> lichen Dauer des Reichstages die immer bereiten und wirk-<lb/> ſamen Mittel. Der Reichstag des Jahres 1746, auf welchem<lb/> die Potocki die Wahl eines ihrer Partheigänger zum Marſchall<lb/> durchſetzten, ging unfruchtbar auseinander, weil, als in ſpäter<lb/> Abendſtunde die Beſchlüſſe unterſchrieben werden ſollten, deren<lb/> Gegner hartnäckig proteſtirten, daß dazu Lichter in den Saal<lb/> gebracht würden. Die einen löſchten die Lichter aus, die andern<lb/> zündeten ſie wieder an. König und Senat warteten daneben<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [76/0090]
Sein Tod und dieſes raſch verbreitete und geglaubte Ge-
rücht, regten begreiflich die öffentliche Meinung nicht nur in
Kleinpolen, ſondern faſt in der geſamten Republik gegen die
„Familie“ aufs furchtbarſte auf. Vielfach erwartete man, daß
die Potocki und die Tarlo Rache nehmen würden; man ſprach
von einer Conföderation, allein die Potocki erhoben ſich nicht,
und der alte Tarlo beſchränkte ſich auf eine gerichtliche Klage.
Von der andern Seite ſtrengten die Czartoryski bei dem Tri-
bunal von 1745 einen Proceß gegen Anhänger der Tarlo
wegen Verbreitung von Pasquillen an, welche die Ehre ihres
Hauſes verletzten, und erreichten deren Verurtheilung. Durch
Brühl ſetzten ſie es ſelbſt durch, daß der König dem jungen
Poniatowski den Orden des weißen Adler verlieh.
Immer aber hatte dieſe Sache ihre ganze Stellung er-
ſchüttert. In Lithauen regten ſich die Radzivil, Sapieha,
Oginski gegen ſie lebendiger als früher, indem ſie ihnen bei
jeder Gelegenheit in den Weg traten. Am Hofe aber fing da-
mals bereits Georg Wandalin Mniszek, ſeit 1742 Hofmar-
ſchall, in der Stille und ſehr vorſichtig an, ſie aus der Gunſt
Brühls zu verdrängen, und um ſich ſelbſt eine neue Parthei
für den Hof zu bilden.
Zunächſt freilich überſtanden ſie den Sturm, zumal unter
all ihren zahlreichen Gegner kein Mann war, der ſich in Ta-
lent und Thatkraft mit ihnen hätte vergleichen können. Auf
den Reichstagen ſich der Angriffe der Gegner zu erwehren,
waren in letzter Inſtanz die Einlegung des liberum veto
irgend eines Landboten oder das Verzögern der Unterſchrift
der gefaßten Beſchlüſſe bis zum letzten Augenblick der geſetz-
lichen Dauer des Reichstages die immer bereiten und wirk-
ſamen Mittel. Der Reichstag des Jahres 1746, auf welchem
die Potocki die Wahl eines ihrer Partheigänger zum Marſchall
durchſetzten, ging unfruchtbar auseinander, weil, als in ſpäter
Abendſtunde die Beſchlüſſe unterſchrieben werden ſollten, deren
Gegner hartnäckig proteſtirten, daß dazu Lichter in den Saal
gebracht würden. Die einen löſchten die Lichter aus, die andern
zündeten ſie wieder an. König und Senat warteten daneben
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |