ging in diesen unfruchtbaren Debatten ein Tag nach dem an- deren vorüber, bis am 16. die gesetzliche Dauer des Reichs- tages ablief und derselbe fruchtlos auseinanderging. Noch vor seinem Schluß protestirten die preußischen Bevollmächtigten bei dem Könige und Senat gegen die Anklage Wilczewski's, welche von einer Cabale ausgegangen, die keinen anderen Zweck gehabt, als die Republik und ihren König mit einander zu ent- zweien: sie forderten für die ihnen angethane Beleidigung eine gebührende Genugthuung. Allein nach Schluß des Reichstages fiel die ganze Sache zu Boden: mit ihr zugleich aber auch die Vermehrung der Armee, so wie der Plan, die Republik zum Kriege gegen Friedrich II. fortzuziehen. Seine Gesandten ver- glichen diesen Ausgang des Reichstages mit dem Gewinne einer großen Bataille 1).
Trotzdem aber blieb diesmal Brühl in der einmal einge- schlagenen Bahn. Vergebens bemühten sich Friedrich und Frank- reich ihn zu sich herüberzuziehen. Sie versprachen ihm die Reichsfürstenwürde und ein Fürstenthum, dem Beichtvater Guarini einen Kardinalshut, dem Könige selbst ihre Unter- stützung, wenn er die Krone Polens in seinem Hause erblich machen wolle, und außerdem noch ein Stück von Böhmen und Schlesien. Der Hof von Warschau -- seit dem Juni saß der König hier -- hatte aber ein größeres Vertrauen auf Östreich und die Seemächte. Sie schlossen dort mit ihm am 8. Januar 1745 die sogenannte Quadrupelalliance, in deren geheimen Artikeln August die Nachfolge seines Sohnes auf den polnischen Thron zugesichert ward, wogegen er für 150,000 Pfd. Subsidien 30,000 Mann ins Feld zu stellen versprach. In Warschau und Wien faßte man dabei sogleich eine Zerstückelung der Monarchie Friedrichs ins Auge. Beide Höfe einigten sich in einem geheimen Vertrage (18. Mai 1745), die Waffen nicht eher niederzulegen, ehe nicht ganz Schlesien
1)Adelung, Pragmatische Staatsgeschichte von Europa IV, 253. Szujski IV, p. 326 -- 28. v. Wallenrodts und Hoffmanns Berichte vom 19 August, 7. September, 3. u. 13. October, 7. u. 18. No- vember.
ging in dieſen unfruchtbaren Debatten ein Tag nach dem an- deren vorüber, bis am 16. die geſetzliche Dauer des Reichs- tages ablief und derſelbe fruchtlos auseinanderging. Noch vor ſeinem Schluß proteſtirten die preußiſchen Bevollmächtigten bei dem Könige und Senat gegen die Anklage Wilczewski’s, welche von einer Cabale ausgegangen, die keinen anderen Zweck gehabt, als die Republik und ihren König mit einander zu ent- zweien: ſie forderten für die ihnen angethane Beleidigung eine gebührende Genugthuung. Allein nach Schluß des Reichstages fiel die ganze Sache zu Boden: mit ihr zugleich aber auch die Vermehrung der Armee, ſo wie der Plan, die Republik zum Kriege gegen Friedrich II. fortzuziehen. Seine Geſandten ver- glichen dieſen Ausgang des Reichstages mit dem Gewinne einer großen Bataille 1).
Trotzdem aber blieb diesmal Brühl in der einmal einge- ſchlagenen Bahn. Vergebens bemühten ſich Friedrich und Frank- reich ihn zu ſich herüberzuziehen. Sie verſprachen ihm die Reichsfürſtenwürde und ein Fürſtenthum, dem Beichtvater Guarini einen Kardinalshut, dem Könige ſelbſt ihre Unter- ſtützung, wenn er die Krone Polens in ſeinem Hauſe erblich machen wolle, und außerdem noch ein Stück von Böhmen und Schleſien. Der Hof von Warſchau — ſeit dem Juni ſaß der König hier — hatte aber ein größeres Vertrauen auf Öſtreich und die Seemächte. Sie ſchloſſen dort mit ihm am 8. Januar 1745 die ſogenannte Quadrupelalliance, in deren geheimen Artikeln Auguſt die Nachfolge ſeines Sohnes auf den polniſchen Thron zugeſichert ward, wogegen er für 150,000 Pfd. Subſidien 30,000 Mann ins Feld zu ſtellen verſprach. In Warſchau und Wien faßte man dabei ſogleich eine Zerſtückelung der Monarchie Friedrichs ins Auge. Beide Höfe einigten ſich in einem geheimen Vertrage (18. Mai 1745), die Waffen nicht eher niederzulegen, ehe nicht ganz Schleſien
1)Adelung, Pragmatiſche Staatsgeſchichte von Europa IV, 253. Szujski IV, p. 326 — 28. v. Wallenrodts und Hoffmanns Berichte vom 19 Auguſt, 7. September, 3. u. 13. October, 7. u. 18. No- vember.
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ging in dieſen unfruchtbaren Debatten ein Tag nach dem an-
deren vorüber, bis am 16. die geſetzliche Dauer des Reichs-
tages ablief und derſelbe fruchtlos auseinanderging. Noch
vor ſeinem Schluß proteſtirten die preußiſchen Bevollmächtigten
bei dem Könige und Senat gegen die Anklage Wilczewski’s,
welche von einer Cabale ausgegangen, die keinen anderen Zweck
gehabt, als die Republik und ihren König mit einander zu ent-
zweien: ſie forderten für die ihnen angethane Beleidigung eine
gebührende Genugthuung. Allein nach Schluß des Reichstages
fiel die ganze Sache zu Boden: mit ihr zugleich aber auch die
Vermehrung der Armee, ſo wie der Plan, die Republik zum
Kriege gegen Friedrich II. fortzuziehen. Seine Geſandten ver-
glichen dieſen Ausgang des Reichstages mit dem Gewinne einer
großen Bataille 1).
Trotzdem aber blieb diesmal Brühl in der einmal einge-
ſchlagenen Bahn. Vergebens bemühten ſich Friedrich und Frank-
reich ihn zu ſich herüberzuziehen. Sie verſprachen ihm die
Reichsfürſtenwürde und ein Fürſtenthum, dem Beichtvater
Guarini einen Kardinalshut, dem Könige ſelbſt ihre Unter-
ſtützung, wenn er die Krone Polens in ſeinem Hauſe
erblich machen wolle, und außerdem noch ein Stück von
Böhmen und Schleſien. Der Hof von Warſchau — ſeit dem
Juni ſaß der König hier — hatte aber ein größeres Vertrauen
auf Öſtreich und die Seemächte. Sie ſchloſſen dort mit ihm
am 8. Januar 1745 die ſogenannte Quadrupelalliance, in
deren geheimen Artikeln Auguſt die Nachfolge ſeines Sohnes
auf den polniſchen Thron zugeſichert ward, wogegen er für
150,000 Pfd. Subſidien 30,000 Mann ins Feld zu ſtellen
verſprach. In Warſchau und Wien faßte man dabei ſogleich
eine Zerſtückelung der Monarchie Friedrichs ins Auge. Beide
Höfe einigten ſich in einem geheimen Vertrage (18. Mai 1745),
die Waffen nicht eher niederzulegen, ehe nicht ganz Schleſien
1) Adelung, Pragmatiſche Staatsgeſchichte von Europa IV, 253.
Szujski IV, p. 326 — 28. v. Wallenrodts und Hoffmanns
Berichte vom 19 Auguſt, 7. September, 3. u. 13. October, 7. u. 18. No-
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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/86>, abgerufen am 23.07.2024.
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