dem Krongroßfeldherrn J. Potocki, den Palatinen von San- domir, Belz und Smolensk, den Grafen Tarlo, Potocki und und Sapieha die bereitesten Bundesgenossen. Zwei Landboten Masowiens, Karwowski und Wilczewski boten sich ihnen frei- willig an, diesen Dienst zu leisten. Der letztere erhielt nach und nach 350 Dukaten, und verpflichtete sich für 3000 Du- katen und eine Obristlieutenantstelle in der Armee Friedrich II. den Reichstag zu zerreißen. Allein an dem hiezu bestimmten Tage erklärte er im Reichstage, er wolle nicht "der Judas seines Vaterlandes" sein, warf den Beutel mit den empfangenen 350 Dukaten mitten in den Saal, und mahnte alle, welche sich gleichen Verbrechens schuldig gemacht, seinem Beispiel zu folgen, widrigenfalls er sich genöthigt sehen würde, sie öffent- lich anzuklagen. Der Eindruck war ungeheuer. Viele Stimmen forderten sofort die Nennung der Namen. Dessen weigerte sich zunächst Wilczewski, schließlich aber nannte er den preußischen Minister und neun Landboten. Der Tumult ward groß. Grod- zicki, einer der Angeklagten schrie: "Beweise es mir!" Wilczewski antwortete: "Ich weiß es", worauf der andere: "Du lügst". Mehrere der Angeklagten behaupteten, sie hätten niemals mit dem preußischen Residenten auch nur den geringsten Verkehr gehabt; zwei andere gestanden, der eine, daß er mit Vorwissen, der andere, daß er auf Antrieb Brühls mit jenem in Ver- bindung getreten sei, um ihm "Schlingen" zu legen. Diese Erklärungen öffneten vielen die Augen darüber, daß auch Wilczewski im Auftrage Brühls gehandelt habe, und als ihn der Hof unmittelbar darauf zum Kammerherrn ernannte, zwei- felte fast niemand in Warschau mehr daran, daß Brühl den ganzen Vorgang angezettelt habe, um den Adel gegen Frie- drich II. in den Harnisch zu bringen. Allein die ganze In- trigue schlug schließlich zu seinem Nachtheile aus. Alle Be- schuldigten forderten eine Untersuchung. Ihre Freunde er- klärten, so lange diese Sache nicht entschieden sei, auf keinen anderen Gegenstand der Berathung mehr eingehen zu wollen, und da es nicht möglich war, zu einem einmüthigen Beschluß in Betreff des Ob und Wie der Untersuchung zu gelangen, so
dem Krongroßfeldherrn J. Potocki, den Palatinen von San- domir, Belz und Smolensk, den Grafen Tarlo, Potocki und und Sapieha die bereiteſten Bundesgenoſſen. Zwei Landboten Maſowiens, Karwowski und Wilczewski boten ſich ihnen frei- willig an, dieſen Dienſt zu leiſten. Der letztere erhielt nach und nach 350 Dukaten, und verpflichtete ſich für 3000 Du- katen und eine Obriſtlieutenantſtelle in der Armee Friedrich II. den Reichstag zu zerreißen. Allein an dem hiezu beſtimmten Tage erklärte er im Reichstage, er wolle nicht „der Judas ſeines Vaterlandes“ ſein, warf den Beutel mit den empfangenen 350 Dukaten mitten in den Saal, und mahnte alle, welche ſich gleichen Verbrechens ſchuldig gemacht, ſeinem Beiſpiel zu folgen, widrigenfalls er ſich genöthigt ſehen würde, ſie öffent- lich anzuklagen. Der Eindruck war ungeheuer. Viele Stimmen forderten ſofort die Nennung der Namen. Deſſen weigerte ſich zunächſt Wilczewski, ſchließlich aber nannte er den preußiſchen Miniſter und neun Landboten. Der Tumult ward groß. Grod- zicki, einer der Angeklagten ſchrie: „Beweiſe es mir!“ Wilczewski antwortete: „Ich weiß es“, worauf der andere: „Du lügſt“. Mehrere der Angeklagten behaupteten, ſie hätten niemals mit dem preußiſchen Reſidenten auch nur den geringſten Verkehr gehabt; zwei andere geſtanden, der eine, daß er mit Vorwiſſen, der andere, daß er auf Antrieb Brühls mit jenem in Ver- bindung getreten ſei, um ihm „Schlingen“ zu legen. Dieſe Erklärungen öffneten vielen die Augen darüber, daß auch Wilczewski im Auftrage Brühls gehandelt habe, und als ihn der Hof unmittelbar darauf zum Kammerherrn ernannte, zwei- felte faſt niemand in Warſchau mehr daran, daß Brühl den ganzen Vorgang angezettelt habe, um den Adel gegen Frie- drich II. in den Harniſch zu bringen. Allein die ganze In- trigue ſchlug ſchließlich zu ſeinem Nachtheile aus. Alle Be- ſchuldigten forderten eine Unterſuchung. Ihre Freunde er- klärten, ſo lange dieſe Sache nicht entſchieden ſei, auf keinen anderen Gegenſtand der Berathung mehr eingehen zu wollen, und da es nicht möglich war, zu einem einmüthigen Beſchluß in Betreff des Ob und Wie der Unterſuchung zu gelangen, ſo
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[71/0085]
dem Krongroßfeldherrn J. Potocki, den Palatinen von San-
domir, Belz und Smolensk, den Grafen Tarlo, Potocki und
und Sapieha die bereiteſten Bundesgenoſſen. Zwei Landboten
Maſowiens, Karwowski und Wilczewski boten ſich ihnen frei-
willig an, dieſen Dienſt zu leiſten. Der letztere erhielt nach
und nach 350 Dukaten, und verpflichtete ſich für 3000 Du-
katen und eine Obriſtlieutenantſtelle in der Armee Friedrich II.
den Reichstag zu zerreißen. Allein an dem hiezu beſtimmten
Tage erklärte er im Reichstage, er wolle nicht „der Judas
ſeines Vaterlandes“ ſein, warf den Beutel mit den empfangenen
350 Dukaten mitten in den Saal, und mahnte alle, welche
ſich gleichen Verbrechens ſchuldig gemacht, ſeinem Beiſpiel zu
folgen, widrigenfalls er ſich genöthigt ſehen würde, ſie öffent-
lich anzuklagen. Der Eindruck war ungeheuer. Viele Stimmen
forderten ſofort die Nennung der Namen. Deſſen weigerte ſich
zunächſt Wilczewski, ſchließlich aber nannte er den preußiſchen
Miniſter und neun Landboten. Der Tumult ward groß. Grod-
zicki, einer der Angeklagten ſchrie: „Beweiſe es mir!“ Wilczewski
antwortete: „Ich weiß es“, worauf der andere: „Du lügſt“.
Mehrere der Angeklagten behaupteten, ſie hätten niemals mit
dem preußiſchen Reſidenten auch nur den geringſten Verkehr
gehabt; zwei andere geſtanden, der eine, daß er mit Vorwiſſen,
der andere, daß er auf Antrieb Brühls mit jenem in Ver-
bindung getreten ſei, um ihm „Schlingen“ zu legen. Dieſe
Erklärungen öffneten vielen die Augen darüber, daß auch
Wilczewski im Auftrage Brühls gehandelt habe, und als ihn
der Hof unmittelbar darauf zum Kammerherrn ernannte, zwei-
felte faſt niemand in Warſchau mehr daran, daß Brühl den
ganzen Vorgang angezettelt habe, um den Adel gegen Frie-
drich II. in den Harniſch zu bringen. Allein die ganze In-
trigue ſchlug ſchließlich zu ſeinem Nachtheile aus. Alle Be-
ſchuldigten forderten eine Unterſuchung. Ihre Freunde er-
klärten, ſo lange dieſe Sache nicht entſchieden ſei, auf keinen
anderen Gegenſtand der Berathung mehr eingehen zu wollen,
und da es nicht möglich war, zu einem einmüthigen Beſchluß
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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/85>, abgerufen am 23.07.2024.
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