Bestucheff, der standhafte Vertreter des Bundes Rußlands mit Östreich, einen allgemeinen Angriffskrieg gegen Friedrich II. plante, und in Folge des gehofften Sieges das eroberte Ostpreußen den Polen gegen Entschädigung durch die Abtretung östlicher Landstriche der Republik abzutreten gedachte, fällt für diese Auffassung ins Gewicht, da die "Familie" in ihrer Politik sich zu Rußland stetig hielt. Es verhalte sich indeß hiemit, wie es wolle: jedenfalls fand Poniatowski's Mahnung diesmal keinen ganz unfruchtbaren Boden. Auf dem Reichstage fielen die Vota der Senatoren einstimmiger als jemals für die Ver- mehrung des Heeres. "Es ist besser" -- rief Waclaw Rze- wuski, der Woiwode von Podolien, aus -- "die Rauchfangsteuer zu bezahlen, als in Rauch aufzugehen; besser die Tranksteuer zu bezahlen, als den letzten Schilling zu verlieren; besser Kopf- geld zu entrichten, als den eignen Kopf herzugeben." Andere, welche die Pläne des Hofes kennen mochten, gingen noch weiter. Sie forderten einen allgemeinen Aufsitz des Adels, und der Woiwode von Krakau, Fürst Lubomirski, erklärte, er sei bereit 12,000 Mann zum Dienst für Maria Theresia zu stellen. So weit gingen freilich die Landboten nicht. Viele erklärten, daß sie zwar die Vermehrung des Heeres, keineswegs aber den Abschluß neuer Allianzen oder gar einen Krieg wollten. Mehrere der östlichen Provinzen boten freilich große Summen an. Man verhandelte lange in aller Einigkeit über verschiedene Vorschläge zur Aufbringung der financiellen Mittel, über deren Vertheilung auf die einzelnen Woiwodschaften, wie über die Zahl und Organisation der neuen Regimenter. Vor allem bemühte sich der Kardinal Lipski, Bischof von Krakau, der August III. gekrönt hatte, auf alle Weise die Eintracht unter den Gemüthern herzustellen und zu erhalten. Da trat plötzlich ein Zwischenfall ein, der alles vereitelte.
Frankreich und Preußen hatten begreiflich das größte In- teresse daran, daß der Plan des Hofes, die Republik in den Krieg gegen sie fortzureißen, nicht gelänge. Ihre Gesandten in Warschau arbeiteten daher von vornherein auf eine Zerreißung des Reichstages und fanden an den Führern der Opposition,
Beſtucheff, der ſtandhafte Vertreter des Bundes Rußlands mit Öſtreich, einen allgemeinen Angriffskrieg gegen Friedrich II. plante, und in Folge des gehofften Sieges das eroberte Oſtpreußen den Polen gegen Entſchädigung durch die Abtretung öſtlicher Landſtriche der Republik abzutreten gedachte, fällt für dieſe Auffaſſung ins Gewicht, da die „Familie“ in ihrer Politik ſich zu Rußland ſtetig hielt. Es verhalte ſich indeß hiemit, wie es wolle: jedenfalls fand Poniatowski’s Mahnung diesmal keinen ganz unfruchtbaren Boden. Auf dem Reichstage fielen die Vota der Senatoren einſtimmiger als jemals für die Ver- mehrung des Heeres. „Es iſt beſſer“ — rief Waclaw Rze- wuski, der Woiwode von Podolien, aus — „die Rauchfangſteuer zu bezahlen, als in Rauch aufzugehen; beſſer die Trankſteuer zu bezahlen, als den letzten Schilling zu verlieren; beſſer Kopf- geld zu entrichten, als den eignen Kopf herzugeben.“ Andere, welche die Pläne des Hofes kennen mochten, gingen noch weiter. Sie forderten einen allgemeinen Aufſitz des Adels, und der Woiwode von Krakau, Fürſt Lubomirski, erklärte, er ſei bereit 12,000 Mann zum Dienſt für Maria Thereſia zu ſtellen. So weit gingen freilich die Landboten nicht. Viele erklärten, daß ſie zwar die Vermehrung des Heeres, keineswegs aber den Abſchluß neuer Allianzen oder gar einen Krieg wollten. Mehrere der öſtlichen Provinzen boten freilich große Summen an. Man verhandelte lange in aller Einigkeit über verſchiedene Vorſchläge zur Aufbringung der financiellen Mittel, über deren Vertheilung auf die einzelnen Woiwodſchaften, wie über die Zahl und Organiſation der neuen Regimenter. Vor allem bemühte ſich der Kardinal Lipski, Biſchof von Krakau, der Auguſt III. gekrönt hatte, auf alle Weiſe die Eintracht unter den Gemüthern herzuſtellen und zu erhalten. Da trat plötzlich ein Zwiſchenfall ein, der alles vereitelte.
Frankreich und Preußen hatten begreiflich das größte In- tereſſe daran, daß der Plan des Hofes, die Republik in den Krieg gegen ſie fortzureißen, nicht gelänge. Ihre Geſandten in Warſchau arbeiteten daher von vornherein auf eine Zerreißung des Reichstages und fanden an den Führern der Oppoſition,
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Beſtucheff, der ſtandhafte Vertreter des Bundes Rußlands mit
Öſtreich, einen allgemeinen Angriffskrieg gegen Friedrich II.
plante, und in Folge des gehofften Sieges das eroberte Oſtpreußen
den Polen gegen Entſchädigung durch die Abtretung öſtlicher
Landſtriche der Republik abzutreten gedachte, fällt für dieſe
Auffaſſung ins Gewicht, da die „Familie“ in ihrer Politik ſich
zu Rußland ſtetig hielt. Es verhalte ſich indeß hiemit, wie es
wolle: jedenfalls fand Poniatowski’s Mahnung diesmal keinen
ganz unfruchtbaren Boden. Auf dem Reichstage fielen die
Vota der Senatoren einſtimmiger als jemals für die Ver-
mehrung des Heeres. „Es iſt beſſer“ — rief Waclaw Rze-
wuski, der Woiwode von Podolien, aus — „die Rauchfangſteuer
zu bezahlen, als in Rauch aufzugehen; beſſer die Trankſteuer
zu bezahlen, als den letzten Schilling zu verlieren; beſſer Kopf-
geld zu entrichten, als den eignen Kopf herzugeben.“ Andere,
welche die Pläne des Hofes kennen mochten, gingen noch weiter.
Sie forderten einen allgemeinen Aufſitz des Adels, und der
Woiwode von Krakau, Fürſt Lubomirski, erklärte, er ſei bereit
12,000 Mann zum Dienſt für Maria Thereſia zu ſtellen.
So weit gingen freilich die Landboten nicht. Viele erklärten,
daß ſie zwar die Vermehrung des Heeres, keineswegs aber
den Abſchluß neuer Allianzen oder gar einen Krieg wollten.
Mehrere der öſtlichen Provinzen boten freilich große Summen
an. Man verhandelte lange in aller Einigkeit über verſchiedene
Vorſchläge zur Aufbringung der financiellen Mittel, über deren
Vertheilung auf die einzelnen Woiwodſchaften, wie über die
Zahl und Organiſation der neuen Regimenter. Vor allem
bemühte ſich der Kardinal Lipski, Biſchof von Krakau, der
Auguſt III. gekrönt hatte, auf alle Weiſe die Eintracht unter
den Gemüthern herzuſtellen und zu erhalten. Da trat plötzlich
ein Zwiſchenfall ein, der alles vereitelte.
Frankreich und Preußen hatten begreiflich das größte In-
tereſſe daran, daß der Plan des Hofes, die Republik in den
Krieg gegen ſie fortzureißen, nicht gelänge. Ihre Geſandten in
Warſchau arbeiteten daher von vornherein auf eine Zerreißung
des Reichstages und fanden an den Führern der Oppoſition,
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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/84>, abgerufen am 23.07.2024.
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