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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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Für die Armee selbst aber fordert er Erhöhung des Soldes,
bessere Disciplin und Einführung eines Rekrutirungssystems
nach Analogie der preußischen Kantonverfassung!

Man sieht, gegenüber den in der Nation herrschenden An-
schauungen, Vorurtheilen und Denkweisen waren diese Vorschläge
kühn, und eben so kühn war alles, was er außerdem noch
über die theilweise Abschaffung des liberum veto, die Reform
des Gerichtswesens u. s. w. vorbrachte. "Stellen wir eine gute
Ordnung in der Republik her" -- schließt die Schrift -- "so
wird alles gut gehen. Unsere Freundschaft wird geschätzt
werden, man wird sich beeilen mit uns in Alliancen zu treten,
der Ruhm unsrer Nation wird wachsen und alle anderen Völker
werden uns achten!" 1)

Wir wissen nun freilich nicht sicher, in wie weit die "Fa-
milie" durch die Veröffentlichung dieser Schrift die kriegerischen
Pläne August III. mit fördern wollte, oder dieselben nur als
günstige Gelegenheit benutzte, einen Versuch mit der Durch-
führung ihrer Reformideen zu machen. Die Thatsache, daß der
alte Poniatowski zweimal mit politisch-wichtigen Aufträgen
Augusts in Paris gewesen ist (November 1740, December
1741) 2), deutet allerdings darauf hin, daß die Familie an der
großen Politik des Königs Theil nahm, und Poniatowski's Ver-
sicherung in jener Schrift, er wolle mit seinem Dringen auf
die Vermehrung des Heeres keineswegs die Nation gegen einen
ihrer Nachbarn aufreizen, sollte möglicherweise nur ein Kunst-
griff sein, um zu verhindern, daß die friedliebende Masse des
Adels nicht gleich von vornherein seine Vorschläge verwerfe.
Auch der Umstand, daß im Herbst 1744 der Vicekanzler

1) Diese Schrift liegt mir nur in einer französischen Übersetzung vor,
welche der preußische Resident in Warschau, v. Wallenrodt, im Sep-
tember 1744 dem Ministerium in Berlin mit der Bemerkung einsandte,
daß das polnische, in Warschau gedruckte Original vor den Landtagen
von 1744 verbreitet und sein Verfasser Graf Poniatowski sei. Herr Prof.
Dr. Droysen fand sie im geh. Staatsarchiv und theilte sie mir freund-
schaftlichst mit.
2) Droysen V, 157. 202. 393.

Für die Armee ſelbſt aber fordert er Erhöhung des Soldes,
beſſere Disciplin und Einführung eines Rekrutirungsſyſtems
nach Analogie der preußiſchen Kantonverfaſſung!

Man ſieht, gegenüber den in der Nation herrſchenden An-
ſchauungen, Vorurtheilen und Denkweiſen waren dieſe Vorſchläge
kühn, und eben ſo kühn war alles, was er außerdem noch
über die theilweiſe Abſchaffung des liberum veto, die Reform
des Gerichtsweſens u. ſ. w. vorbrachte. „Stellen wir eine gute
Ordnung in der Republik her“ — ſchließt die Schrift — „ſo
wird alles gut gehen. Unſere Freundſchaft wird geſchätzt
werden, man wird ſich beeilen mit uns in Alliancen zu treten,
der Ruhm unſrer Nation wird wachſen und alle anderen Völker
werden uns achten!“ 1)

Wir wiſſen nun freilich nicht ſicher, in wie weit die „Fa-
milie“ durch die Veröffentlichung dieſer Schrift die kriegeriſchen
Pläne Auguſt III. mit fördern wollte, oder dieſelben nur als
günſtige Gelegenheit benutzte, einen Verſuch mit der Durch-
führung ihrer Reformideen zu machen. Die Thatſache, daß der
alte Poniatowski zweimal mit politiſch-wichtigen Aufträgen
Auguſts in Paris geweſen iſt (November 1740, December
1741) 2), deutet allerdings darauf hin, daß die Familie an der
großen Politik des Königs Theil nahm, und Poniatowski’s Ver-
ſicherung in jener Schrift, er wolle mit ſeinem Dringen auf
die Vermehrung des Heeres keineswegs die Nation gegen einen
ihrer Nachbarn aufreizen, ſollte möglicherweiſe nur ein Kunſt-
griff ſein, um zu verhindern, daß die friedliebende Maſſe des
Adels nicht gleich von vornherein ſeine Vorſchläge verwerfe.
Auch der Umſtand, daß im Herbſt 1744 der Vicekanzler

1) Dieſe Schrift liegt mir nur in einer franzöſiſchen Überſetzung vor,
welche der preußiſche Reſident in Warſchau, v. Wallenrodt, im Sep-
tember 1744 dem Miniſterium in Berlin mit der Bemerkung einſandte,
daß das polniſche, in Warſchau gedruckte Original vor den Landtagen
von 1744 verbreitet und ſein Verfaſſer Graf Poniatowski ſei. Herr Prof.
Dr. Droyſen fand ſie im geh. Staatsarchiv und theilte ſie mir freund-
ſchaftlichſt mit.
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[69/0083] Für die Armee ſelbſt aber fordert er Erhöhung des Soldes, beſſere Disciplin und Einführung eines Rekrutirungsſyſtems nach Analogie der preußiſchen Kantonverfaſſung! Man ſieht, gegenüber den in der Nation herrſchenden An- ſchauungen, Vorurtheilen und Denkweiſen waren dieſe Vorſchläge kühn, und eben ſo kühn war alles, was er außerdem noch über die theilweiſe Abſchaffung des liberum veto, die Reform des Gerichtsweſens u. ſ. w. vorbrachte. „Stellen wir eine gute Ordnung in der Republik her“ — ſchließt die Schrift — „ſo wird alles gut gehen. Unſere Freundſchaft wird geſchätzt werden, man wird ſich beeilen mit uns in Alliancen zu treten, der Ruhm unſrer Nation wird wachſen und alle anderen Völker werden uns achten!“ 1) Wir wiſſen nun freilich nicht ſicher, in wie weit die „Fa- milie“ durch die Veröffentlichung dieſer Schrift die kriegeriſchen Pläne Auguſt III. mit fördern wollte, oder dieſelben nur als günſtige Gelegenheit benutzte, einen Verſuch mit der Durch- führung ihrer Reformideen zu machen. Die Thatſache, daß der alte Poniatowski zweimal mit politiſch-wichtigen Aufträgen Auguſts in Paris geweſen iſt (November 1740, December 1741) 2), deutet allerdings darauf hin, daß die Familie an der großen Politik des Königs Theil nahm, und Poniatowski’s Ver- ſicherung in jener Schrift, er wolle mit ſeinem Dringen auf die Vermehrung des Heeres keineswegs die Nation gegen einen ihrer Nachbarn aufreizen, ſollte möglicherweiſe nur ein Kunſt- griff ſein, um zu verhindern, daß die friedliebende Maſſe des Adels nicht gleich von vornherein ſeine Vorſchläge verwerfe. Auch der Umſtand, daß im Herbſt 1744 der Vicekanzler 1) Dieſe Schrift liegt mir nur in einer franzöſiſchen Überſetzung vor, welche der preußiſche Reſident in Warſchau, v. Wallenrodt, im Sep- tember 1744 dem Miniſterium in Berlin mit der Bemerkung einſandte, daß das polniſche, in Warſchau gedruckte Original vor den Landtagen von 1744 verbreitet und ſein Verfaſſer Graf Poniatowski ſei. Herr Prof. Dr. Droyſen fand ſie im geh. Staatsarchiv und theilte ſie mir freund- ſchaftlichſt mit. 2) Droyſen V, 157. 202. 393.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/83>, abgerufen am 23.11.2024.