Denn kaum hatte der Tod Kaiser Karl VI. (20. Oktober 1740) die europäische Welt in neue kriegerische Bewegung ver- setzt, so nahm der Großhetman die alten Pläne von neuem auf. Nach den ersten Erfolgen Friedrich II. hatte sich König August III. auf die Seite Östreichs gestellt. Auch in der Masse des Adels, welchem der Klerus vorhielt, daß Schlesien unter eine protestantische Herrschaft kommen zu lassen eine Sünde sei, brauste die Lust auf, Östreich zu Hilfe zu eilen. Ein preußischer Offizier, der in Polen reiste, berichtete, es würden nur ein paar hunderttausend Gulden nöthig sein, um den Adel von Krakau, Masovien und Lithauen zu einem Einfall in Preußen zu bewegen 1). Allein Brühls Politik wechselte sehr bald. Nach- dem durch eine Erklärung von Rom aus das Gewissen Augusts darüber beruhigt war, daß er ohne Sünde die Rechte seiner Frau auf einen Theil der östreichischen Monarchie trotz seiner frühern Anerkennung der pragmatischen Sanction, mit den Waffen aufrecht erhalten könne, trat er bereits im Mai 1741 mit Frankreich und Baiern in Verhandlung und schloß sich im September dem Bündniß von Nymphenburg gegen Östreich an. Anfang November rückten seine Truppen über das Erz- gebirge in Böhmen ein.
Potocki aber plante in derselben Zeit von neuem den Krieg gegen Rußland, wo nach dem Tode der Kaiserin Anna (28. Ok- tober 1740) Birons Regentschaft für den unmündigen Kaiser Iwan keineswegs auf festen Füßen stand. Als sich Schweden, von Frankreich bearbeitet, zum Kriege gegen das mit Östreich es haltende Rußland rüstete, trat er mit dem Hofe von Stock- holm in Verbindung und ließ, als der Krieg erklärt war (24. Juli 1741), in Polen eine Schrift verbreiten, um die Nation mit sich fortzureißen. "Es erinnern uns" -- hieß es in dieser -- "befreundete Mächte, daß unsere uns von Gott geschenkte Freiheit mit Füßen getreten wird, daß unsere Wahlen mit Zwang und Gewalt stattfinden, daß das Land durch fremde Armeen verwüstet und unser Recht auf Kurland uns schmählich
1)Ranke, Preuß. Geschichte II, 258.
Denn kaum hatte der Tod Kaiſer Karl VI. (20. Oktober 1740) die europäiſche Welt in neue kriegeriſche Bewegung ver- ſetzt, ſo nahm der Großhetman die alten Pläne von neuem auf. Nach den erſten Erfolgen Friedrich II. hatte ſich König Auguſt III. auf die Seite Öſtreichs geſtellt. Auch in der Maſſe des Adels, welchem der Klerus vorhielt, daß Schleſien unter eine proteſtantiſche Herrſchaft kommen zu laſſen eine Sünde ſei, brauſte die Luſt auf, Öſtreich zu Hilfe zu eilen. Ein preußiſcher Offizier, der in Polen reiſte, berichtete, es würden nur ein paar hunderttauſend Gulden nöthig ſein, um den Adel von Krakau, Maſovien und Lithauen zu einem Einfall in Preußen zu bewegen 1). Allein Brühls Politik wechſelte ſehr bald. Nach- dem durch eine Erklärung von Rom aus das Gewiſſen Auguſts darüber beruhigt war, daß er ohne Sünde die Rechte ſeiner Frau auf einen Theil der öſtreichiſchen Monarchie trotz ſeiner frühern Anerkennung der pragmatiſchen Sanction, mit den Waffen aufrecht erhalten könne, trat er bereits im Mai 1741 mit Frankreich und Baiern in Verhandlung und ſchloß ſich im September dem Bündniß von Nymphenburg gegen Öſtreich an. Anfang November rückten ſeine Truppen über das Erz- gebirge in Böhmen ein.
Potocki aber plante in derſelben Zeit von neuem den Krieg gegen Rußland, wo nach dem Tode der Kaiſerin Anna (28. Ok- tober 1740) Birons Regentſchaft für den unmündigen Kaiſer Iwan keineswegs auf feſten Füßen ſtand. Als ſich Schweden, von Frankreich bearbeitet, zum Kriege gegen das mit Öſtreich es haltende Rußland rüſtete, trat er mit dem Hofe von Stock- holm in Verbindung und ließ, als der Krieg erklärt war (24. Juli 1741), in Polen eine Schrift verbreiten, um die Nation mit ſich fortzureißen. „Es erinnern uns“ — hieß es in dieſer — „befreundete Mächte, daß unſere uns von Gott geſchenkte Freiheit mit Füßen getreten wird, daß unſere Wahlen mit Zwang und Gewalt ſtattfinden, daß das Land durch fremde Armeen verwüſtet und unſer Recht auf Kurland uns ſchmählich
1)Ranke, Preuß. Geſchichte II, 258.
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Denn kaum hatte der Tod Kaiſer Karl VI. (20. Oktober
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auf. Nach den erſten Erfolgen Friedrich II. hatte ſich König
Auguſt III. auf die Seite Öſtreichs geſtellt. Auch in der Maſſe
des Adels, welchem der Klerus vorhielt, daß Schleſien unter
eine proteſtantiſche Herrſchaft kommen zu laſſen eine Sünde
ſei, brauſte die Luſt auf, Öſtreich zu Hilfe zu eilen. Ein
preußiſcher Offizier, der in Polen reiſte, berichtete, es würden
nur ein paar hunderttauſend Gulden nöthig ſein, um den Adel
von Krakau, Maſovien und Lithauen zu einem Einfall in Preußen
zu bewegen 1). Allein Brühls Politik wechſelte ſehr bald. Nach-
dem durch eine Erklärung von Rom aus das Gewiſſen Auguſts
darüber beruhigt war, daß er ohne Sünde die Rechte ſeiner
Frau auf einen Theil der öſtreichiſchen Monarchie trotz ſeiner
frühern Anerkennung der pragmatiſchen Sanction, mit den
Waffen aufrecht erhalten könne, trat er bereits im Mai 1741
mit Frankreich und Baiern in Verhandlung und ſchloß ſich im
September dem Bündniß von Nymphenburg gegen Öſtreich
an. Anfang November rückten ſeine Truppen über das Erz-
gebirge in Böhmen ein.
Potocki aber plante in derſelben Zeit von neuem den Krieg
gegen Rußland, wo nach dem Tode der Kaiſerin Anna (28. Ok-
tober 1740) Birons Regentſchaft für den unmündigen Kaiſer
Iwan keineswegs auf feſten Füßen ſtand. Als ſich Schweden,
von Frankreich bearbeitet, zum Kriege gegen das mit Öſtreich
es haltende Rußland rüſtete, trat er mit dem Hofe von Stock-
holm in Verbindung und ließ, als der Krieg erklärt war
(24. Juli 1741), in Polen eine Schrift verbreiten, um die
Nation mit ſich fortzureißen. „Es erinnern uns“ — hieß es
in dieſer — „befreundete Mächte, daß unſere uns von Gott
geſchenkte Freiheit mit Füßen getreten wird, daß unſere Wahlen
mit Zwang und Gewalt ſtattfinden, daß das Land durch fremde
Armeen verwüſtet und unſer Recht auf Kurland uns ſchmählich
1) Ranke, Preuß. Geſchichte II, 258.
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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/77>, abgerufen am 23.07.2024.
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