Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.Im Jahre 1738 ward Sulkowski entlassen und Brühl trat Solcher Art waren die Menschen, mit welchen die "Fa- 1) Kitowicz, Pam. Poznan 1840. p. 60.
Im Jahre 1738 ward Sulkowski entlaſſen und Brühl trat Solcher Art waren die Menſchen, mit welchen die „Fa- 1) Kitowicz, Pam. Poznan 1840. p. 60.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0072" n="58"/> Im Jahre 1738 ward Sulkowski entlaſſen und Brühl trat<lb/> an die Spitze der Geſchäfte, die er bis an ſeinen Tod in<lb/> Händen gehabt hat. Nur bei einem König, wie Auguſt <hi rendition="#aq">III.</hi><lb/> war, konnte ein Mann wie Brühl ſich ſo lange als erſter<lb/> Miniſter erhalten. In der großen Politik kannte er nur die<lb/> gewöhnlichen Künſte der kleineren Höfe, das Doppelſpiel der<lb/> Schlauheiten, Liſten und Intriguen. Ohne Grundſätze und<lb/> ohne Plan ſchwankte ſeine Politik bald dahin bald dorthin,<lb/> während ſeine innere Verwaltung willkührlich, ordnungslos und<lb/> nur darauf berechnet war, für ſich und den Hof ſo viel Geld<lb/> als nur irgend möglich herauszuſchlagen. Verſchwenderiſch und<lb/> beſtechlich im höchſten Grade, und in jeder Beziehung gewiſſenlos,<lb/> hatte er, nach den Worten des großen Friedrich, nur das eine<lb/> Ziel, ſich durch jedes Mittel, auch das infamſte, in der Gunſt<lb/> ſeines Herrn und durch ſie in der Macht zu behaupten.</p><lb/> <p>Solcher Art waren die Menſchen, mit welchen die „Fa-<lb/> milie“ in erſter Reihe zu rechnen hatte. Dem polniſchen<lb/> Staatsrecht nach hatte Brühl freilich in Polen als ein Aus-<lb/> länder gar nichts zu ſagen; als ſolcher konnte er nach dem<lb/> Geſetze nicht das geringſte Amt bekleiden. Allein thatſächlich<lb/> war er doch der allmächtige Mann, und nur wer ihn für ſich<lb/> gewann, konnte hoffen etwas für ſich oder die Republik zu<lb/> erreichen. Es begreift ſich leicht, wie <hi rendition="#g">dieſer</hi> Hof und <hi rendition="#g">dieſe</hi><lb/> Nation, bei den politiſchen ſocialen und ſittlichen Zuſtänden, in<lb/> denen ſie war, gegenſeitig nur verderblich auf einander einwirken<lb/> konnten. Gewiß, es hat der Nation zum unermeßlichen Un-<lb/> heil gereicht, daß grade dieſer König ihr von den beiden<lb/> Kaiſerhöfen aufgezwungen ward; auf der anderen Seite aber<lb/> iſt es doch auch nicht minder wahr und characteriſtiſch für ſie,<lb/> daß ſie nach ſeinem Tode ſeine Zeit als eine „glückliche“ ge-<lb/> prieſen hat <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Kitowicz</hi>, Pam. Poznan 1840. p. 60.</hi></note>. Freilich hat König Auguſt das um keine Zu-<lb/> kunft bekümmerte, ausſchweifende Genußleben, in welches unter<lb/> ſeiner Herrſchaft die Nation mit Behagen verſank, niemals ge-<lb/> ſtört. Wie unruhig und wechſelvoll auch Brühls auswärtige<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [58/0072]
Im Jahre 1738 ward Sulkowski entlaſſen und Brühl trat
an die Spitze der Geſchäfte, die er bis an ſeinen Tod in
Händen gehabt hat. Nur bei einem König, wie Auguſt III.
war, konnte ein Mann wie Brühl ſich ſo lange als erſter
Miniſter erhalten. In der großen Politik kannte er nur die
gewöhnlichen Künſte der kleineren Höfe, das Doppelſpiel der
Schlauheiten, Liſten und Intriguen. Ohne Grundſätze und
ohne Plan ſchwankte ſeine Politik bald dahin bald dorthin,
während ſeine innere Verwaltung willkührlich, ordnungslos und
nur darauf berechnet war, für ſich und den Hof ſo viel Geld
als nur irgend möglich herauszuſchlagen. Verſchwenderiſch und
beſtechlich im höchſten Grade, und in jeder Beziehung gewiſſenlos,
hatte er, nach den Worten des großen Friedrich, nur das eine
Ziel, ſich durch jedes Mittel, auch das infamſte, in der Gunſt
ſeines Herrn und durch ſie in der Macht zu behaupten.
Solcher Art waren die Menſchen, mit welchen die „Fa-
milie“ in erſter Reihe zu rechnen hatte. Dem polniſchen
Staatsrecht nach hatte Brühl freilich in Polen als ein Aus-
länder gar nichts zu ſagen; als ſolcher konnte er nach dem
Geſetze nicht das geringſte Amt bekleiden. Allein thatſächlich
war er doch der allmächtige Mann, und nur wer ihn für ſich
gewann, konnte hoffen etwas für ſich oder die Republik zu
erreichen. Es begreift ſich leicht, wie dieſer Hof und dieſe
Nation, bei den politiſchen ſocialen und ſittlichen Zuſtänden, in
denen ſie war, gegenſeitig nur verderblich auf einander einwirken
konnten. Gewiß, es hat der Nation zum unermeßlichen Un-
heil gereicht, daß grade dieſer König ihr von den beiden
Kaiſerhöfen aufgezwungen ward; auf der anderen Seite aber
iſt es doch auch nicht minder wahr und characteriſtiſch für ſie,
daß ſie nach ſeinem Tode ſeine Zeit als eine „glückliche“ ge-
prieſen hat 1). Freilich hat König Auguſt das um keine Zu-
kunft bekümmerte, ausſchweifende Genußleben, in welches unter
ſeiner Herrſchaft die Nation mit Behagen verſank, niemals ge-
ſtört. Wie unruhig und wechſelvoll auch Brühls auswärtige
1) Kitowicz, Pam. Poznan 1840. p. 60.
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