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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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Witz, seiner Offenheit, Schlagfertigkeit und Beredtsamkeit riß
er die Masse mit sich fort. Daneben kannte er wie kein An-
derer hunderte, ja tausende von Edelleuten nicht nur mit
ihren Vor- und Zunamen, sondern auch ihre Verwandtschaft,
ihre Wünsche und Interessen, und wußte, ein rascher Menschen-
kenner wie er war, fast augenblicklich, von welcher Seite jeder
einzelne zu fassen und zu gewinnen sei 1).

Man sieht, die Brüder ergänzten trefflich einander. Ge-
meinsam aber war ihnen ein kräftiges Selbstgefühl, welches
bei beiden in hohen Stolz, bei dem Älteren in Eitelkeit, seine
Achillesferse, überging. Mit lebendigem, aber auch thatkräftigem
Ehrgeiz strebten sie unabläßig nach Einfluß und Macht, und
haben schließlich als letztes Ziel die Erwerbung der vater-
ländischen Krone für ihr Haus ins Auge gefaßt. An und für

1) Dieser Characteristik der beiden Brüder liegen vor allem die Mit-
theilungen zu Grunde, welche der König Stanislaw Poniatowski in
seinen Denkwürdigkeiten über sie hinterlassen hat. Ich will nicht in Ab-
rede stellen, daß auf seine Schilderung der Oheime, ganz besonders des
Woiwoden von Rußland, die bittere Stimmung von Einfluß gewesen
sein mag, in der er sich nach der ersten Theilung -- die Denkwürdig-
keiten sind in den 70r Jahren geschrieben -- den Czartoryski gegenüber
befand, welchen er, noch abgesehen davon, daß sie ihm das Leben oft
schwer gemacht hatten, sehr wesentlich mit das Scheitern seiner Pläne
1766 und 1767 zuschrieb. Auf der anderen Seite aber hatte er von
Jugend auf lange Jahre in der engsten Verbindung mit ihnen gelebt,
und konnte sie daher besser als viele Andere kennen. Auch fällt es ins
Gewicht, daß er von dem Kanzler, der seine Politik mehr durchkreuzte
als der Woiwode, nur Gutes sagt. Dazu bewährt er durchweg in seinen
Schriften eine feine Auffassung der Personen, und seinem Character war
langes Nachtragen durchaus fremd. Leider sind seine Denkwürdigkeiten,
so weit sie überhaupt bekannt geworden, zum allergrößten Theil nur in
polnischer Übersetzung gedruckt, welche, so viel ich durch die Vergleichung
einzelner, nach dem französischen Original gedruckter Bruchstücke sehen kann,
nicht grade sehr sorgfältig gemacht zu sein scheint. Es ist daher möglich,
daß die Übersetzung die dunklen Parthien seiner Schilderung unabsichtlich
noch dunkler gemacht hat, als sie in französischem Original sind; wie es denn
überhaupt dringend zu wünschen ist, daß diese höchst interessanten Denk-
würdigkeiten, welche vollständig nur in Petersburg zu sein scheinen, endlich
vollständig und in der Sprache, in der sie geschrieben sind, gedruckt würden.

Witz, ſeiner Offenheit, Schlagfertigkeit und Beredtſamkeit riß
er die Maſſe mit ſich fort. Daneben kannte er wie kein An-
derer hunderte, ja tauſende von Edelleuten nicht nur mit
ihren Vor- und Zunamen, ſondern auch ihre Verwandtſchaft,
ihre Wünſche und Intereſſen, und wußte, ein raſcher Menſchen-
kenner wie er war, faſt augenblicklich, von welcher Seite jeder
einzelne zu faſſen und zu gewinnen ſei 1).

Man ſieht, die Brüder ergänzten trefflich einander. Ge-
meinſam aber war ihnen ein kräftiges Selbſtgefühl, welches
bei beiden in hohen Stolz, bei dem Älteren in Eitelkeit, ſeine
Achillesferſe, überging. Mit lebendigem, aber auch thatkräftigem
Ehrgeiz ſtrebten ſie unabläßig nach Einfluß und Macht, und
haben ſchließlich als letztes Ziel die Erwerbung der vater-
ländiſchen Krone für ihr Haus ins Auge gefaßt. An und für

1) Dieſer Characteriſtik der beiden Brüder liegen vor allem die Mit-
theilungen zu Grunde, welche der König Stanislaw Poniatowski in
ſeinen Denkwürdigkeiten über ſie hinterlaſſen hat. Ich will nicht in Ab-
rede ſtellen, daß auf ſeine Schilderung der Oheime, ganz beſonders des
Woiwoden von Rußland, die bittere Stimmung von Einfluß geweſen
ſein mag, in der er ſich nach der erſten Theilung — die Denkwürdig-
keiten ſind in den 70r Jahren geſchrieben — den Czartoryski gegenüber
befand, welchen er, noch abgeſehen davon, daß ſie ihm das Leben oft
ſchwer gemacht hatten, ſehr weſentlich mit das Scheitern ſeiner Pläne
1766 und 1767 zuſchrieb. Auf der anderen Seite aber hatte er von
Jugend auf lange Jahre in der engſten Verbindung mit ihnen gelebt,
und konnte ſie daher beſſer als viele Andere kennen. Auch fällt es ins
Gewicht, daß er von dem Kanzler, der ſeine Politik mehr durchkreuzte
als der Woiwode, nur Gutes ſagt. Dazu bewährt er durchweg in ſeinen
Schriften eine feine Auffaſſung der Perſonen, und ſeinem Character war
langes Nachtragen durchaus fremd. Leider ſind ſeine Denkwürdigkeiten,
ſo weit ſie überhaupt bekannt geworden, zum allergrößten Theil nur in
polniſcher Überſetzung gedruckt, welche, ſo viel ich durch die Vergleichung
einzelner, nach dem franzöſiſchen Original gedruckter Bruchſtücke ſehen kann,
nicht grade ſehr ſorgfältig gemacht zu ſein ſcheint. Es iſt daher möglich,
daß die Überſetzung die dunklen Parthien ſeiner Schilderung unabſichtlich
noch dunkler gemacht hat, als ſie in franzöſiſchem Original ſind; wie es denn
überhaupt dringend zu wünſchen iſt, daß dieſe höchſt intereſſanten Denk-
würdigkeiten, welche vollſtändig nur in Petersburg zu ſein ſcheinen, endlich
vollſtändig und in der Sprache, in der ſie geſchrieben ſind, gedruckt würden.
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[53/0067] Witz, ſeiner Offenheit, Schlagfertigkeit und Beredtſamkeit riß er die Maſſe mit ſich fort. Daneben kannte er wie kein An- derer hunderte, ja tauſende von Edelleuten nicht nur mit ihren Vor- und Zunamen, ſondern auch ihre Verwandtſchaft, ihre Wünſche und Intereſſen, und wußte, ein raſcher Menſchen- kenner wie er war, faſt augenblicklich, von welcher Seite jeder einzelne zu faſſen und zu gewinnen ſei 1). Man ſieht, die Brüder ergänzten trefflich einander. Ge- meinſam aber war ihnen ein kräftiges Selbſtgefühl, welches bei beiden in hohen Stolz, bei dem Älteren in Eitelkeit, ſeine Achillesferſe, überging. Mit lebendigem, aber auch thatkräftigem Ehrgeiz ſtrebten ſie unabläßig nach Einfluß und Macht, und haben ſchließlich als letztes Ziel die Erwerbung der vater- ländiſchen Krone für ihr Haus ins Auge gefaßt. An und für 1) Dieſer Characteriſtik der beiden Brüder liegen vor allem die Mit- theilungen zu Grunde, welche der König Stanislaw Poniatowski in ſeinen Denkwürdigkeiten über ſie hinterlaſſen hat. Ich will nicht in Ab- rede ſtellen, daß auf ſeine Schilderung der Oheime, ganz beſonders des Woiwoden von Rußland, die bittere Stimmung von Einfluß geweſen ſein mag, in der er ſich nach der erſten Theilung — die Denkwürdig- keiten ſind in den 70r Jahren geſchrieben — den Czartoryski gegenüber befand, welchen er, noch abgeſehen davon, daß ſie ihm das Leben oft ſchwer gemacht hatten, ſehr weſentlich mit das Scheitern ſeiner Pläne 1766 und 1767 zuſchrieb. Auf der anderen Seite aber hatte er von Jugend auf lange Jahre in der engſten Verbindung mit ihnen gelebt, und konnte ſie daher beſſer als viele Andere kennen. Auch fällt es ins Gewicht, daß er von dem Kanzler, der ſeine Politik mehr durchkreuzte als der Woiwode, nur Gutes ſagt. Dazu bewährt er durchweg in ſeinen Schriften eine feine Auffaſſung der Perſonen, und ſeinem Character war langes Nachtragen durchaus fremd. Leider ſind ſeine Denkwürdigkeiten, ſo weit ſie überhaupt bekannt geworden, zum allergrößten Theil nur in polniſcher Überſetzung gedruckt, welche, ſo viel ich durch die Vergleichung einzelner, nach dem franzöſiſchen Original gedruckter Bruchſtücke ſehen kann, nicht grade ſehr ſorgfältig gemacht zu ſein ſcheint. Es iſt daher möglich, daß die Überſetzung die dunklen Parthien ſeiner Schilderung unabſichtlich noch dunkler gemacht hat, als ſie in franzöſiſchem Original ſind; wie es denn überhaupt dringend zu wünſchen iſt, daß dieſe höchſt intereſſanten Denk- würdigkeiten, welche vollſtändig nur in Petersburg zu ſein ſcheinen, endlich vollſtändig und in der Sprache, in der ſie geſchrieben ſind, gedruckt würden.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/67>, abgerufen am 27.11.2024.