da alle Welt wußte, wie groß sein Einfluß bei Flemming war, ließen gar viele sich diesen Ton von ihm gefallen. Selbst- ständig geworden, behielt er ihn bei. Er betrachtete es fast als sein Recht, jedermann, selbst denen, welchen er wohl- wollte und wohlthat, rücksichtslos die Wahrheit, sei es un- geschminkt, sei es ironisch oder sarcastisch zu sagen 1). Begreif- lich verletzte er dadurch viele aufs tiefste; aber im ganzen und großen ließ man ihm seine Art und Weise durchgehen, und zuletzt sahen er und viele andere in ihr eine catonische Tugend, zumal er für sein Amt und seine Stellung in der That die größte Begabung besaß. In der Kenntniß des pol- nischen Staats- und Civilrechtes übertraf ihn kein Anderer; mit großer Geduld hörte er die Partheien, und sein Urtheil war rasch und treffend. Bei der Besetzung der Tribunale, Ämter und Starosteien wußte er die fähigsten und geeignetsten Männer herauszufinden und so weit sein Einfluß reichte wählen zu lassen. Er nahm dabei wenig Rücksicht, aus welchen Fa- milien, vornehmern oder geringern, die Leute stammten, und wählte mitunter auch solche aus, welche durch Geburt oder Verhältnisse zu der Parthei seiner politischen Gegner gerechnet wurden. Freilich war er dabei so vorsichtig, daß solche nicht durch ihre Zahl seinen Plänen hinderlich werden konnten; immer aber gewann er hiedurch den Ruhm der Unpartheilich- keit und vermehrte zugleich seiner Anhänger Zahl. Zum Par- theiführer war er überhaupt wie geboren. Er scheute keine körperliche und geistige Anstrengung, und verfolgte mit der zähesten Ausdauer seine Pläne und Ziele. Bevor ihn Alter und Mißgeschick nicht in seiner Kraft geschwächt, verlor er nie die Hoffnung des Gelingens; auch wenn es nicht gut ging, sah er immer die bessere Seite der Dinge und hielt sich an sie. Niemand verstand es besser wie er, auf den Landtagen mit dem Adel umzugehen. Mit seiner Heiterkeit und seinem
1)Rulhiere II, 292: "Cet homme a qui il etait indifferent de plaire, ou plutot qui se faisait un plaisir malin de l'ironie et de l'injure, devenu le dispensateur de tous les bienfaits, choquait ceux memes, qu'il obligeait."
da alle Welt wußte, wie groß ſein Einfluß bei Flemming war, ließen gar viele ſich dieſen Ton von ihm gefallen. Selbſt- ſtändig geworden, behielt er ihn bei. Er betrachtete es faſt als ſein Recht, jedermann, ſelbſt denen, welchen er wohl- wollte und wohlthat, rückſichtslos die Wahrheit, ſei es un- geſchminkt, ſei es ironiſch oder ſarcaſtiſch zu ſagen 1). Begreif- lich verletzte er dadurch viele aufs tiefſte; aber im ganzen und großen ließ man ihm ſeine Art und Weiſe durchgehen, und zuletzt ſahen er und viele andere in ihr eine catoniſche Tugend, zumal er für ſein Amt und ſeine Stellung in der That die größte Begabung beſaß. In der Kenntniß des pol- niſchen Staats- und Civilrechtes übertraf ihn kein Anderer; mit großer Geduld hörte er die Partheien, und ſein Urtheil war raſch und treffend. Bei der Beſetzung der Tribunale, Ämter und Staroſteien wußte er die fähigſten und geeignetſten Männer herauszufinden und ſo weit ſein Einfluß reichte wählen zu laſſen. Er nahm dabei wenig Rückſicht, aus welchen Fa- milien, vornehmern oder geringern, die Leute ſtammten, und wählte mitunter auch ſolche aus, welche durch Geburt oder Verhältniſſe zu der Parthei ſeiner politiſchen Gegner gerechnet wurden. Freilich war er dabei ſo vorſichtig, daß ſolche nicht durch ihre Zahl ſeinen Plänen hinderlich werden konnten; immer aber gewann er hiedurch den Ruhm der Unpartheilich- keit und vermehrte zugleich ſeiner Anhänger Zahl. Zum Par- theiführer war er überhaupt wie geboren. Er ſcheute keine körperliche und geiſtige Anſtrengung, und verfolgte mit der zäheſten Ausdauer ſeine Pläne und Ziele. Bevor ihn Alter und Mißgeſchick nicht in ſeiner Kraft geſchwächt, verlor er nie die Hoffnung des Gelingens; auch wenn es nicht gut ging, ſah er immer die beſſere Seite der Dinge und hielt ſich an ſie. Niemand verſtand es beſſer wie er, auf den Landtagen mit dem Adel umzugehen. Mit ſeiner Heiterkeit und ſeinem
1)Rulhiere II, 292: „Cet homme à qui il était indifferent de plaire, ou plutot qui se faisait un plaisir malin de l’ironie et de l’injure, devenu le dispensateur de tous les bienfaits, choquait ceux mêmes, qu’il obligeait.“
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wollte und wohlthat, rückſichtslos die Wahrheit, ſei es un-
geſchminkt, ſei es ironiſch oder ſarcaſtiſch zu ſagen 1). Begreif-
lich verletzte er dadurch viele aufs tiefſte; aber im ganzen
und großen ließ man ihm ſeine Art und Weiſe durchgehen,
und zuletzt ſahen er und viele andere in ihr eine catoniſche
Tugend, zumal er für ſein Amt und ſeine Stellung in der
That die größte Begabung beſaß. In der Kenntniß des pol-
niſchen Staats- und Civilrechtes übertraf ihn kein Anderer;
mit großer Geduld hörte er die Partheien, und ſein Urtheil
war raſch und treffend. Bei der Beſetzung der Tribunale,
Ämter und Staroſteien wußte er die fähigſten und geeignetſten
Männer herauszufinden und ſo weit ſein Einfluß reichte wählen
zu laſſen. Er nahm dabei wenig Rückſicht, aus welchen Fa-
milien, vornehmern oder geringern, die Leute ſtammten, und
wählte mitunter auch ſolche aus, welche durch Geburt oder
Verhältniſſe zu der Parthei ſeiner politiſchen Gegner gerechnet
wurden. Freilich war er dabei ſo vorſichtig, daß ſolche nicht
durch ihre Zahl ſeinen Plänen hinderlich werden konnten;
immer aber gewann er hiedurch den Ruhm der Unpartheilich-
keit und vermehrte zugleich ſeiner Anhänger Zahl. Zum Par-
theiführer war er überhaupt wie geboren. Er ſcheute keine
körperliche und geiſtige Anſtrengung, und verfolgte mit der
zäheſten Ausdauer ſeine Pläne und Ziele. Bevor ihn Alter
und Mißgeſchick nicht in ſeiner Kraft geſchwächt, verlor er nie
die Hoffnung des Gelingens; auch wenn es nicht gut ging,
ſah er immer die beſſere Seite der Dinge und hielt ſich an
ſie. Niemand verſtand es beſſer wie er, auf den Landtagen
mit dem Adel umzugehen. Mit ſeiner Heiterkeit und ſeinem
1) Rulhiere II, 292: „Cet homme à qui il était indifferent
de plaire, ou plutot qui se faisait un plaisir malin de l’ironie et de
l’injure, devenu le dispensateur de tous les bienfaits, choquait ceux
mêmes, qu’il obligeait.“
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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/66>, abgerufen am 23.07.2024.
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