Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Allein diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Katharina hatte
ihre Freunde von neuem mit Hoffnung und Muth erfüllt,
indem sie ihnen durch Keyserling sagen ließ, sie mißbillige
nicht, was sie bisher gethan: sie würden die Folgen sehen
und es nicht bereuen; ihre Feinde seien schon jetzt über-
zeugt, und würden immer mehr davon überzeugt werden, daß
die Protection, die sie ihren Freunden gewähre, und die Ach-
tung, welche sie für dieselben habe, unveränderlich seien; "sie
werden beständig in mir eine Stütze für ihre gerechte Sache
finden, und ich werde, so viel ich nur vermag, ihre Interessen
fördern" 1). Auch war die Constituirung des Tribunals von
Petrikau für beide Partheien zu wichtig, als daß sie es hätten
über sich gebracht, nicht alle Kräfte daran zu setzen, um dort
zu siegen. Bereits bei den Wahlen der Deputirten ging es
fast auf allen Landtagen nicht ohne Blutvergießen ab. Auf
dem siradischen erzwang Jakob Malachowski, ein Partheigänger
der Czartoryski, mit Gewalt die Wahlen im Sinne seiner Par-
thei; in Wißnia, wo Adam Czartoryski und Stanislaw Lubo-
mirski gegen den Sohn Mniszeks standen, proclamirten nach
gewaltthätigem Tumult die Partheigänger der erstern den
Fürsten Adam zum Marschall und zwangen die Gegner mit
einem Protest zu weichen; viele Landtage wurden gleich an-
fangs zerrissen und gelangten zu gar keiner Wahl. Schon
hieraus konnte man voraussehen, daß die Constituirung des
Tribunals nicht in Ruhe vor sich gehen werde 2).

In der That zogen, als die gesetzmäßige Zeit zur Consti-
tuirung des Tribunals herankam -- Montag nach dem Fest
des heiligen Franziskus (4. October) --, beide Partheien mit
zahlreichen bewaffneten Schaaren gen Petrikau. Franz Salezy
Potocki, seit ein paar Jahren der Schwiegervater des jungen
Brühl, soll 15,000 Edelleute mit sich gehabt und Branicki
einen beträchtlichen Theil der Krontruppen dorthin gesandt

1) Katharina's Dep. an Keyserling vom 11./22. September 1763
bei Schmitt I, 372.
2) Kitowicz, Pam., p. 67. Die Einzelheiten nach Szujski IV, 359.
Benoit, Dep. vom 14. September.

Allein dieſe Hoffnung erfüllte ſich nicht. Katharina hatte
ihre Freunde von neuem mit Hoffnung und Muth erfüllt,
indem ſie ihnen durch Keyſerling ſagen ließ, ſie mißbillige
nicht, was ſie bisher gethan: ſie würden die Folgen ſehen
und es nicht bereuen; ihre Feinde ſeien ſchon jetzt über-
zeugt, und würden immer mehr davon überzeugt werden, daß
die Protection, die ſie ihren Freunden gewähre, und die Ach-
tung, welche ſie für dieſelben habe, unveränderlich ſeien; „ſie
werden beſtändig in mir eine Stütze für ihre gerechte Sache
finden, und ich werde, ſo viel ich nur vermag, ihre Intereſſen
fördern“ 1). Auch war die Conſtituirung des Tribunals von
Petrikau für beide Partheien zu wichtig, als daß ſie es hätten
über ſich gebracht, nicht alle Kräfte daran zu ſetzen, um dort
zu ſiegen. Bereits bei den Wahlen der Deputirten ging es
faſt auf allen Landtagen nicht ohne Blutvergießen ab. Auf
dem ſiradiſchen erzwang Jakob Malachowski, ein Partheigänger
der Czartoryski, mit Gewalt die Wahlen im Sinne ſeiner Par-
thei; in Wißnia, wo Adam Czartoryski und Stanislaw Lubo-
mirski gegen den Sohn Mniszeks ſtanden, proclamirten nach
gewaltthätigem Tumult die Partheigänger der erſtern den
Fürſten Adam zum Marſchall und zwangen die Gegner mit
einem Proteſt zu weichen; viele Landtage wurden gleich an-
fangs zerriſſen und gelangten zu gar keiner Wahl. Schon
hieraus konnte man vorausſehen, daß die Conſtituirung des
Tribunals nicht in Ruhe vor ſich gehen werde 2).

In der That zogen, als die geſetzmäßige Zeit zur Conſti-
tuirung des Tribunals herankam — Montag nach dem Feſt
des heiligen Franziskus (4. October) —, beide Partheien mit
zahlreichen bewaffneten Schaaren gen Petrikau. Franz Salezy
Potocki, ſeit ein paar Jahren der Schwiegervater des jungen
Brühl, ſoll 15,000 Edelleute mit ſich gehabt und Branicki
einen beträchtlichen Theil der Krontruppen dorthin geſandt

1) Katharina’s Dep. an Keyſerling vom 11./22. September 1763
bei Schmitt I, 372.
2) Kitowicz, Pam., p. 67. Die Einzelheiten nach Szujski IV, 359.
Benoit, Dep. vom 14. September.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0212" n="198"/>
Allein die&#x017F;e Hoffnung erfüllte &#x017F;ich nicht. Katharina hatte<lb/>
ihre Freunde von neuem mit Hoffnung und Muth erfüllt,<lb/>
indem &#x017F;ie ihnen durch Key&#x017F;erling &#x017F;agen ließ, &#x017F;ie mißbillige<lb/>
nicht, was &#x017F;ie bisher gethan: &#x017F;ie würden die Folgen &#x017F;ehen<lb/>
und es nicht bereuen; ihre Feinde &#x017F;eien &#x017F;chon jetzt über-<lb/>
zeugt, und würden immer mehr davon überzeugt werden, daß<lb/>
die Protection, die &#x017F;ie ihren Freunden gewähre, und die Ach-<lb/>
tung, welche &#x017F;ie für die&#x017F;elben habe, unveränderlich &#x017F;eien; &#x201E;&#x017F;ie<lb/>
werden be&#x017F;tändig in mir eine Stütze für ihre gerechte Sache<lb/>
finden, und ich werde, &#x017F;o viel ich nur vermag, ihre Intere&#x017F;&#x017F;en<lb/>
fördern&#x201C; <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Katharina&#x2019;s</hi> Dep. an Key&#x017F;erling vom 11./22. September 1763<lb/>
bei <hi rendition="#g">Schmitt</hi> <hi rendition="#aq">I,</hi> 372.</note>. Auch war die Con&#x017F;tituirung des Tribunals von<lb/>
Petrikau für beide Partheien zu wichtig, als daß &#x017F;ie es hätten<lb/>
über &#x017F;ich gebracht, nicht alle Kräfte daran zu &#x017F;etzen, um dort<lb/>
zu &#x017F;iegen. Bereits bei den Wahlen der Deputirten ging es<lb/>
fa&#x017F;t auf allen Landtagen nicht ohne Blutvergießen ab. Auf<lb/>
dem &#x017F;iradi&#x017F;chen erzwang Jakob Malachowski, ein Partheigänger<lb/>
der Czartoryski, mit Gewalt die Wahlen im Sinne &#x017F;einer Par-<lb/>
thei; in Wißnia, wo Adam Czartoryski und Stanislaw Lubo-<lb/>
mirski gegen den Sohn Mniszeks &#x017F;tanden, proclamirten nach<lb/>
gewaltthätigem Tumult die Partheigänger der er&#x017F;tern den<lb/>
Für&#x017F;ten Adam zum Mar&#x017F;chall und zwangen die Gegner mit<lb/>
einem Prote&#x017F;t zu weichen; viele Landtage wurden gleich an-<lb/>
fangs zerri&#x017F;&#x017F;en und gelangten zu gar keiner Wahl. Schon<lb/>
hieraus konnte man voraus&#x017F;ehen, daß die Con&#x017F;tituirung des<lb/>
Tribunals nicht in Ruhe vor &#x017F;ich gehen werde <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Kitowicz</hi>, Pam., p.</hi> 67. Die Einzelheiten nach <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Szujski</hi> IV,</hi> 359.<lb/><hi rendition="#g">Benoit</hi>, Dep. vom 14. September.</note>.</p><lb/>
        <p>In der That zogen, als die ge&#x017F;etzmäßige Zeit zur Con&#x017F;ti-<lb/>
tuirung des Tribunals herankam &#x2014; Montag nach dem Fe&#x017F;t<lb/>
des heiligen Franziskus (4. October) &#x2014;, beide Partheien mit<lb/>
zahlreichen bewaffneten Schaaren gen Petrikau. Franz Salezy<lb/>
Potocki, &#x017F;eit ein paar Jahren der Schwiegervater des jungen<lb/>
Brühl, &#x017F;oll 15,000 Edelleute mit &#x017F;ich gehabt und Branicki<lb/>
einen beträchtlichen Theil der Krontruppen dorthin ge&#x017F;andt<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0212] Allein dieſe Hoffnung erfüllte ſich nicht. Katharina hatte ihre Freunde von neuem mit Hoffnung und Muth erfüllt, indem ſie ihnen durch Keyſerling ſagen ließ, ſie mißbillige nicht, was ſie bisher gethan: ſie würden die Folgen ſehen und es nicht bereuen; ihre Feinde ſeien ſchon jetzt über- zeugt, und würden immer mehr davon überzeugt werden, daß die Protection, die ſie ihren Freunden gewähre, und die Ach- tung, welche ſie für dieſelben habe, unveränderlich ſeien; „ſie werden beſtändig in mir eine Stütze für ihre gerechte Sache finden, und ich werde, ſo viel ich nur vermag, ihre Intereſſen fördern“ 1). Auch war die Conſtituirung des Tribunals von Petrikau für beide Partheien zu wichtig, als daß ſie es hätten über ſich gebracht, nicht alle Kräfte daran zu ſetzen, um dort zu ſiegen. Bereits bei den Wahlen der Deputirten ging es faſt auf allen Landtagen nicht ohne Blutvergießen ab. Auf dem ſiradiſchen erzwang Jakob Malachowski, ein Partheigänger der Czartoryski, mit Gewalt die Wahlen im Sinne ſeiner Par- thei; in Wißnia, wo Adam Czartoryski und Stanislaw Lubo- mirski gegen den Sohn Mniszeks ſtanden, proclamirten nach gewaltthätigem Tumult die Partheigänger der erſtern den Fürſten Adam zum Marſchall und zwangen die Gegner mit einem Proteſt zu weichen; viele Landtage wurden gleich an- fangs zerriſſen und gelangten zu gar keiner Wahl. Schon hieraus konnte man vorausſehen, daß die Conſtituirung des Tribunals nicht in Ruhe vor ſich gehen werde 2). In der That zogen, als die geſetzmäßige Zeit zur Conſti- tuirung des Tribunals herankam — Montag nach dem Feſt des heiligen Franziskus (4. October) —, beide Partheien mit zahlreichen bewaffneten Schaaren gen Petrikau. Franz Salezy Potocki, ſeit ein paar Jahren der Schwiegervater des jungen Brühl, ſoll 15,000 Edelleute mit ſich gehabt und Branicki einen beträchtlichen Theil der Krontruppen dorthin geſandt 1) Katharina’s Dep. an Keyſerling vom 11./22. September 1763 bei Schmitt I, 372. 2) Kitowicz, Pam., p. 67. Die Einzelheiten nach Szujski IV, 359. Benoit, Dep. vom 14. September.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/212
Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/212>, abgerufen am 23.11.2024.