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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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kam ihren Bestrebungen wesentlich zu Hilfe 1). Mit lebhaften
Farben schildert er darin die bestehende allgemeine Anarchie,
als deren Hauptquelle er die höchst schlechten Formen der öffent-
lichen Berathungen auf den Land- und Reichstagen darstellt.
Ihre Zerreißung habe sich in immer schlimmeren Formen
entwickelt: zuerst sei sie nur durch einen Protest der Mehrheit,
dann der Minderheit, dann einiger und schließlich, seit 1652,
eines einzelnen bewirkt worden. Es sei daher vor allem das

1) Leider ist es mir bis jetzt nicht gelungen, dieses höchst seltene
Werk selbst einsehen zu können. Ich kann mich also nur an die Analyse
halten, welche Szujski IV, 370--372 gegeben hat, trage aber vor-
läufig Bedenken, dem Urtheil des letzteren beizustimmen, daß der politische
Standpunkt Konarski's ein dem der Czartoryskis völlig entgegengesetzter
gewesen sei. Nach Sz.'s eigner Analyse sind alle Reformideen, welche K.
vorbringt, ganz dieselben, wie die der Czartoryski, und Sz. bringt für seine
Auffassung nur die eine Begründung vor, daß sich K. gegen eine Con-
föderation als Mittel zum Ziele zu kommen, ausgesprochen habe, während
die Czartoryski gerade auf solche Conföderation lossteuerten. Daß
Konarski, bei seinem entschieden scharfen politischen Blick und Urtheil nicht
auch selbst die Überzeugung, welche damals alle Einsichtigern hatten, daß
eine Reform niemals, so lange auf den Reichstagen Einstimmigkeit zu
jedem Beschluß nothwendig war, durchzusetzen sei, getheilt haben sollte,
kann ich kaum bezweifeln. Dabei konnte er sich zugleich gegen die Con-
föderationen im allgemeinen, als ein höchst gefährliches Correctiv gegen
das liberum veto, auf das nachdrücklichste aussprechen: auch die Czartoryski
hatten nicht die Absicht, nach Durchführung der Reform die Conföderation
als verfassungsmäßiges Recht noch ferner anzuerkennen. Ganz im Gegen-
satz gegen S. möchte ich vermuthen, daß die Schrift von Konarski im
Einverständniß mit den Czartoryskis entstanden ist, welche bekanntlich
die Bestrebungen der Piaristen in Betreff des Jugendunterrichts und der
Erziehung gegenüber den Jesuiten entschieden unterstützten. Konarski
war keineswegs so weit ein reiner Ideolog, wie er es hätte sein müssen,
wenn er sich wirklich der Hoffnung hätte hingegeben, eine Parthei ins
Leben rufen zu können, welche die Reform ohne die Czartoryski und gegen
sie durchzusetzen im Stande sein würde. Jedenfalls ist es bei der Wich-
tigkeit der Frage für die gesammte Reformbewegung höchst wünschens-
werth, eine nähere Aufklärung über das persönliche Verhältniß Konarski's
zu den Czartoryskis zu erhalten. In der soeben in Paris erschienenen
Correspondenz des Königs Stanisl. Poniatowski mit Madame Geoffrin
wird S. 395 Konarski's als eines Freundes der Krongroßfeldherrin
Branicki, der Schwester des Königs, gedacht.

kam ihren Beſtrebungen weſentlich zu Hilfe 1). Mit lebhaften
Farben ſchildert er darin die beſtehende allgemeine Anarchie,
als deren Hauptquelle er die höchſt ſchlechten Formen der öffent-
lichen Berathungen auf den Land- und Reichstagen darſtellt.
Ihre Zerreißung habe ſich in immer ſchlimmeren Formen
entwickelt: zuerſt ſei ſie nur durch einen Proteſt der Mehrheit,
dann der Minderheit, dann einiger und ſchließlich, ſeit 1652,
eines einzelnen bewirkt worden. Es ſei daher vor allem das

1) Leider iſt es mir bis jetzt nicht gelungen, dieſes höchſt ſeltene
Werk ſelbſt einſehen zu können. Ich kann mich alſo nur an die Analyſe
halten, welche Szujski IV, 370—372 gegeben hat, trage aber vor-
läufig Bedenken, dem Urtheil des letzteren beizuſtimmen, daß der politiſche
Standpunkt Konarski’s ein dem der Czartoryskis völlig entgegengeſetzter
geweſen ſei. Nach Sz.’s eigner Analyſe ſind alle Reformideen, welche K.
vorbringt, ganz dieſelben, wie die der Czartoryski, und Sz. bringt für ſeine
Auffaſſung nur die eine Begründung vor, daß ſich K. gegen eine Con-
föderation als Mittel zum Ziele zu kommen, ausgeſprochen habe, während
die Czartoryski gerade auf ſolche Conföderation losſteuerten. Daß
Konarski, bei ſeinem entſchieden ſcharfen politiſchen Blick und Urtheil nicht
auch ſelbſt die Überzeugung, welche damals alle Einſichtigern hatten, daß
eine Reform niemals, ſo lange auf den Reichstagen Einſtimmigkeit zu
jedem Beſchluß nothwendig war, durchzuſetzen ſei, getheilt haben ſollte,
kann ich kaum bezweifeln. Dabei konnte er ſich zugleich gegen die Con-
föderationen im allgemeinen, als ein höchſt gefährliches Correctiv gegen
das liberum veto, auf das nachdrücklichſte ausſprechen: auch die Czartoryski
hatten nicht die Abſicht, nach Durchführung der Reform die Conföderation
als verfaſſungsmäßiges Recht noch ferner anzuerkennen. Ganz im Gegen-
ſatz gegen S. möchte ich vermuthen, daß die Schrift von Konarski im
Einverſtändniß mit den Czartoryskis entſtanden iſt, welche bekanntlich
die Beſtrebungen der Piariſten in Betreff des Jugendunterrichts und der
Erziehung gegenüber den Jeſuiten entſchieden unterſtützten. Konarski
war keineswegs ſo weit ein reiner Ideolog, wie er es hätte ſein müſſen,
wenn er ſich wirklich der Hoffnung hätte hingegeben, eine Parthei ins
Leben rufen zu können, welche die Reform ohne die Czartoryski und gegen
ſie durchzuſetzen im Stande ſein würde. Jedenfalls iſt es bei der Wich-
tigkeit der Frage für die geſammte Reformbewegung höchſt wünſchens-
werth, eine nähere Aufklärung über das perſönliche Verhältniß Konarski’s
zu den Czartoryskis zu erhalten. In der ſoeben in Paris erſchienenen
Correſpondenz des Königs Stanisl. Poniatowski mit Madame Geoffrin
wird S. 395 Konarski’s als eines Freundes der Krongroßfeldherrin
Branicki, der Schweſter des Königs, gedacht.
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[176/0190] kam ihren Beſtrebungen weſentlich zu Hilfe 1). Mit lebhaften Farben ſchildert er darin die beſtehende allgemeine Anarchie, als deren Hauptquelle er die höchſt ſchlechten Formen der öffent- lichen Berathungen auf den Land- und Reichstagen darſtellt. Ihre Zerreißung habe ſich in immer ſchlimmeren Formen entwickelt: zuerſt ſei ſie nur durch einen Proteſt der Mehrheit, dann der Minderheit, dann einiger und ſchließlich, ſeit 1652, eines einzelnen bewirkt worden. Es ſei daher vor allem das 1) Leider iſt es mir bis jetzt nicht gelungen, dieſes höchſt ſeltene Werk ſelbſt einſehen zu können. Ich kann mich alſo nur an die Analyſe halten, welche Szujski IV, 370—372 gegeben hat, trage aber vor- läufig Bedenken, dem Urtheil des letzteren beizuſtimmen, daß der politiſche Standpunkt Konarski’s ein dem der Czartoryskis völlig entgegengeſetzter geweſen ſei. Nach Sz.’s eigner Analyſe ſind alle Reformideen, welche K. vorbringt, ganz dieſelben, wie die der Czartoryski, und Sz. bringt für ſeine Auffaſſung nur die eine Begründung vor, daß ſich K. gegen eine Con- föderation als Mittel zum Ziele zu kommen, ausgeſprochen habe, während die Czartoryski gerade auf ſolche Conföderation losſteuerten. Daß Konarski, bei ſeinem entſchieden ſcharfen politiſchen Blick und Urtheil nicht auch ſelbſt die Überzeugung, welche damals alle Einſichtigern hatten, daß eine Reform niemals, ſo lange auf den Reichstagen Einſtimmigkeit zu jedem Beſchluß nothwendig war, durchzuſetzen ſei, getheilt haben ſollte, kann ich kaum bezweifeln. Dabei konnte er ſich zugleich gegen die Con- föderationen im allgemeinen, als ein höchſt gefährliches Correctiv gegen das liberum veto, auf das nachdrücklichſte ausſprechen: auch die Czartoryski hatten nicht die Abſicht, nach Durchführung der Reform die Conföderation als verfaſſungsmäßiges Recht noch ferner anzuerkennen. Ganz im Gegen- ſatz gegen S. möchte ich vermuthen, daß die Schrift von Konarski im Einverſtändniß mit den Czartoryskis entſtanden iſt, welche bekanntlich die Beſtrebungen der Piariſten in Betreff des Jugendunterrichts und der Erziehung gegenüber den Jeſuiten entſchieden unterſtützten. Konarski war keineswegs ſo weit ein reiner Ideolog, wie er es hätte ſein müſſen, wenn er ſich wirklich der Hoffnung hätte hingegeben, eine Parthei ins Leben rufen zu können, welche die Reform ohne die Czartoryski und gegen ſie durchzuſetzen im Stande ſein würde. Jedenfalls iſt es bei der Wich- tigkeit der Frage für die geſammte Reformbewegung höchſt wünſchens- werth, eine nähere Aufklärung über das perſönliche Verhältniß Konarski’s zu den Czartoryskis zu erhalten. In der ſoeben in Paris erſchienenen Correſpondenz des Königs Stanisl. Poniatowski mit Madame Geoffrin wird S. 395 Konarski’s als eines Freundes der Krongroßfeldherrin Branicki, der Schweſter des Königs, gedacht.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/190>, abgerufen am 21.11.2024.