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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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der Krongroßfeldherr ein Diner, zu dem er Brühl, die fremden
Minister und den Kanzler eingeladen hatte. Unmittelbar bevor
man sich zu Tisch setzte, kam die Nachricht von dem Tumult
im Reichstage. Graf Brühl sagte, daß es nicht gestattet sein
sollte, so mit ihm umzugehen, da alle Gesetze dergleichen Ge-
walthätigkeiten verböten. Da rief der Kanzler, der am andern
Ende des Zimmers saß, herüber: "Es steht Ihnen schlecht an,
von den Gesetzen zu sprechen, da Sie kein Pole sind." Dies
wird man mir beweisen müssen, entgegnete Brühl, worauf der
Kanzler: dies wird nicht schwer sein und man wird Mittel
finden, daß Sie selbst es zugeben müssen; es ist Zeit, daß
man erwacht, die Republik wird es Ihnen beweisen. Alle
Herren geriethen in Aufregung und die Damen fingen an zu
weinen. "Die Republik weiß nicht, was sie will", rief darauf
die Fürstin Lubomirska aus, und fügte zum Kanzler sich wendend
hinzu, "grade Sie und Ihre Familie haben Brühl zum pol-
nischen Edelmann gemacht." Er antwortete höchst trocken:
"Grade dies beweist am besten, daß er es nicht ist, weil wir
ihn dazu gemacht haben sollen; woher sollten wir das Recht
dazu haben? Die ganze Acte ist null und nichtig." Auf einer
andern Seite ging die Frau des Krongroßfeldherrn, welche
für ihre Brüder Poniatowski fürchtete, mit stolzen Schritten
durch den Saal und rief mit lauter Stimme, es sei doch
schrecklich, daß Ausländer die Ruhe des Staats störten und
ob ein Brühl es werth sei, daß man sich um seinetwillen die
Hälse bräche. "Sie werden", sagte sie ihm, "schon Leute
finden, die Ihnen zu widerstehen wissen und Sie binnen kurzer
Zeit zur Vernunft (mettre a la raison) bringen werden, es
giebt noch Polen in Polen!" Der östreichische Gesandte, Graf
Sternberg, wollte die Gemüther beruhigen und erinnerte die
Krongroßfeldherrin an das göttliche Gebot, daß man seinem
Nächsten nichts Übles wünschen solle; allein diese fromme Er-
innerung fruchtete wenig. Brühl verließ, sobald sein Wagen
gekommen war, die Gesellschaft 1).

1) Alles nach dem Journal de la diete und Benoits Bericht vom
11*

der Krongroßfeldherr ein Diner, zu dem er Brühl, die fremden
Miniſter und den Kanzler eingeladen hatte. Unmittelbar bevor
man ſich zu Tiſch ſetzte, kam die Nachricht von dem Tumult
im Reichstage. Graf Brühl ſagte, daß es nicht geſtattet ſein
ſollte, ſo mit ihm umzugehen, da alle Geſetze dergleichen Ge-
walthätigkeiten verböten. Da rief der Kanzler, der am andern
Ende des Zimmers ſaß, herüber: „Es ſteht Ihnen ſchlecht an,
von den Geſetzen zu ſprechen, da Sie kein Pole ſind.“ Dies
wird man mir beweiſen müſſen, entgegnete Brühl, worauf der
Kanzler: dies wird nicht ſchwer ſein und man wird Mittel
finden, daß Sie ſelbſt es zugeben müſſen; es iſt Zeit, daß
man erwacht, die Republik wird es Ihnen beweiſen. Alle
Herren geriethen in Aufregung und die Damen fingen an zu
weinen. „Die Republik weiß nicht, was ſie will“, rief darauf
die Fürſtin Lubomirska aus, und fügte zum Kanzler ſich wendend
hinzu, „grade Sie und Ihre Familie haben Brühl zum pol-
niſchen Edelmann gemacht.“ Er antwortete höchſt trocken:
„Grade dies beweiſt am beſten, daß er es nicht iſt, weil wir
ihn dazu gemacht haben ſollen; woher ſollten wir das Recht
dazu haben? Die ganze Acte iſt null und nichtig.“ Auf einer
andern Seite ging die Frau des Krongroßfeldherrn, welche
für ihre Brüder Poniatowski fürchtete, mit ſtolzen Schritten
durch den Saal und rief mit lauter Stimme, es ſei doch
ſchrecklich, daß Ausländer die Ruhe des Staats ſtörten und
ob ein Brühl es werth ſei, daß man ſich um ſeinetwillen die
Hälſe bräche. „Sie werden“, ſagte ſie ihm, „ſchon Leute
finden, die Ihnen zu widerſtehen wiſſen und Sie binnen kurzer
Zeit zur Vernunft (mettre à la raison) bringen werden, es
giebt noch Polen in Polen!“ Der öſtreichiſche Geſandte, Graf
Sternberg, wollte die Gemüther beruhigen und erinnerte die
Krongroßfeldherrin an das göttliche Gebot, daß man ſeinem
Nächſten nichts Übles wünſchen ſolle; allein dieſe fromme Er-
innerung fruchtete wenig. Brühl verließ, ſobald ſein Wagen
gekommen war, die Geſellſchaft 1).

1) Alles nach dem Journal de la diète und Benoits Bericht vom
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[163/0177] der Krongroßfeldherr ein Diner, zu dem er Brühl, die fremden Miniſter und den Kanzler eingeladen hatte. Unmittelbar bevor man ſich zu Tiſch ſetzte, kam die Nachricht von dem Tumult im Reichstage. Graf Brühl ſagte, daß es nicht geſtattet ſein ſollte, ſo mit ihm umzugehen, da alle Geſetze dergleichen Ge- walthätigkeiten verböten. Da rief der Kanzler, der am andern Ende des Zimmers ſaß, herüber: „Es ſteht Ihnen ſchlecht an, von den Geſetzen zu ſprechen, da Sie kein Pole ſind.“ Dies wird man mir beweiſen müſſen, entgegnete Brühl, worauf der Kanzler: dies wird nicht ſchwer ſein und man wird Mittel finden, daß Sie ſelbſt es zugeben müſſen; es iſt Zeit, daß man erwacht, die Republik wird es Ihnen beweiſen. Alle Herren geriethen in Aufregung und die Damen fingen an zu weinen. „Die Republik weiß nicht, was ſie will“, rief darauf die Fürſtin Lubomirska aus, und fügte zum Kanzler ſich wendend hinzu, „grade Sie und Ihre Familie haben Brühl zum pol- niſchen Edelmann gemacht.“ Er antwortete höchſt trocken: „Grade dies beweiſt am beſten, daß er es nicht iſt, weil wir ihn dazu gemacht haben ſollen; woher ſollten wir das Recht dazu haben? Die ganze Acte iſt null und nichtig.“ Auf einer andern Seite ging die Frau des Krongroßfeldherrn, welche für ihre Brüder Poniatowski fürchtete, mit ſtolzen Schritten durch den Saal und rief mit lauter Stimme, es ſei doch ſchrecklich, daß Ausländer die Ruhe des Staats ſtörten und ob ein Brühl es werth ſei, daß man ſich um ſeinetwillen die Hälſe bräche. „Sie werden“, ſagte ſie ihm, „ſchon Leute finden, die Ihnen zu widerſtehen wiſſen und Sie binnen kurzer Zeit zur Vernunft (mettre à la raison) bringen werden, es giebt noch Polen in Polen!“ Der öſtreichiſche Geſandte, Graf Sternberg, wollte die Gemüther beruhigen und erinnerte die Krongroßfeldherrin an das göttliche Gebot, daß man ſeinem Nächſten nichts Übles wünſchen ſolle; allein dieſe fromme Er- innerung fruchtete wenig. Brühl verließ, ſobald ſein Wagen gekommen war, die Geſellſchaft 1). 1) Alles nach dem Journal de la diète und Benoits Bericht vom 11*

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/177>, abgerufen am 24.11.2024.