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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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dem preußischen Residenten, daß drei Viertel aller Landboten
gegen den Hof sein würden. Alle seine Bemühungen, sich über
die Besetzung der Ämter mit den Partheien zu verständigen,
waren gescheitert. Er hatte anfangs sich bereit erklärt, so viel
als möglich hiebei auf die Empfehlungen des Krongroßfeldherrn
Rücksicht nehmen zu wollen; dieser näherte sich aber grade jetzt
wieder der "Familie" und diese hiedurch im Bewußtsein ihrer
Macht noch mehr gestärkt, sprach es unumwunden aus, daß,
falls nicht diejenigen, welche sie vorschlüge, die Ämter erhielten,
sie sich im Reichstage Allem ohne Ausnahme widersetzen würde.
Noch kurz vor der Eröffnung desselben, versuchten Brühl und
sein Schwiegersohn Mnißek sich mit dem Primas und dem
Krongroßfeldherrn, welchem letztern der Hof eine "beispiellose
Berücksichtigung" hatte zu Theil werden lassen, in einer Con-
ferenz zu verständigen. Branicki wollte im Einverständniß mit
den Czartoryski, daß der Palatin von Inowraclaw, Andreas
Zamoyski, welcher durch seinen ehrenwerthen Character und
seine Tüchtigkeit in Geschäften, in der That die öffentliche Mei-
nung für sich hatte, das Amt des Kanzlers erhalte; aber
Mnißek wollte durchaus an dessen Stelle den Kastellan von
Posen, Twardowski 1), und wie über dies Amt kam man auch
über die andern zu keiner Einigung. Die Czartoryski erklärten
nach wie vor, entweder alles oder nichts; sie hätten niemanden
vorgeschlagen, der zu ihrer eigentlichen Familie gehöre, aber
außer Zamoyski wollten sie auch ihre andern Freunde berück-
sichtigt sehen, und unter diesen den Grafen Oginski für das
Palatinat von Wilna, den Kastellan Brostowski für den kleinen
lithauischen Feldherrnstab 2). Und wie über die Vertheilung
der Ämter, so verhandelte man auch nach Herkommen bereits
lange vorher über die Frage, wer zum Marschall des Reichs-

1) Journal de la diete ordinaire de Varsovie 1762. Ein zweites
etwas kürzer gefaßtes Journal übergab Stanislaw Poniatowski dem
preußischen Residenten mit der Bitte, dasselbe in die Berliner Zeitung
einrücken zu lassen; außerdem sollte es auch in der von Utrecht erscheinen.
Beide im Geh. Staatsarchiv in Berlin.
2) Ebendas.

dem preußiſchen Reſidenten, daß drei Viertel aller Landboten
gegen den Hof ſein würden. Alle ſeine Bemühungen, ſich über
die Beſetzung der Ämter mit den Partheien zu verſtändigen,
waren geſcheitert. Er hatte anfangs ſich bereit erklärt, ſo viel
als möglich hiebei auf die Empfehlungen des Krongroßfeldherrn
Rückſicht nehmen zu wollen; dieſer näherte ſich aber grade jetzt
wieder der „Familie“ und dieſe hiedurch im Bewußtſein ihrer
Macht noch mehr geſtärkt, ſprach es unumwunden aus, daß,
falls nicht diejenigen, welche ſie vorſchlüge, die Ämter erhielten,
ſie ſich im Reichstage Allem ohne Ausnahme widerſetzen würde.
Noch kurz vor der Eröffnung deſſelben, verſuchten Brühl und
ſein Schwiegerſohn Mniſzek ſich mit dem Primas und dem
Krongroßfeldherrn, welchem letztern der Hof eine „beiſpielloſe
Berückſichtigung“ hatte zu Theil werden laſſen, in einer Con-
ferenz zu verſtändigen. Branicki wollte im Einverſtändniß mit
den Czartoryski, daß der Palatin von Inowraclaw, Andreas
Zamoyski, welcher durch ſeinen ehrenwerthen Character und
ſeine Tüchtigkeit in Geſchäften, in der That die öffentliche Mei-
nung für ſich hatte, das Amt des Kanzlers erhalte; aber
Mniſzek wollte durchaus an deſſen Stelle den Kaſtellan von
Poſen, Twardowski 1), und wie über dies Amt kam man auch
über die andern zu keiner Einigung. Die Czartoryski erklärten
nach wie vor, entweder alles oder nichts; ſie hätten niemanden
vorgeſchlagen, der zu ihrer eigentlichen Familie gehöre, aber
außer Zamoyski wollten ſie auch ihre andern Freunde berück-
ſichtigt ſehen, und unter dieſen den Grafen Oginski für das
Palatinat von Wilna, den Kaſtellan Broſtowski für den kleinen
lithauiſchen Feldherrnſtab 2). Und wie über die Vertheilung
der Ämter, ſo verhandelte man auch nach Herkommen bereits
lange vorher über die Frage, wer zum Marſchall des Reichs-

1) Journal de la diète ordinaire de Varsovie 1762. Ein zweites
etwas kürzer gefaßtes Journal übergab Stanislaw Poniatowski dem
preußiſchen Reſidenten mit der Bitte, daſſelbe in die Berliner Zeitung
einrücken zu laſſen; außerdem ſollte es auch in der von Utrecht erſcheinen.
Beide im Geh. Staatsarchiv in Berlin.
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[157/0171] dem preußiſchen Reſidenten, daß drei Viertel aller Landboten gegen den Hof ſein würden. Alle ſeine Bemühungen, ſich über die Beſetzung der Ämter mit den Partheien zu verſtändigen, waren geſcheitert. Er hatte anfangs ſich bereit erklärt, ſo viel als möglich hiebei auf die Empfehlungen des Krongroßfeldherrn Rückſicht nehmen zu wollen; dieſer näherte ſich aber grade jetzt wieder der „Familie“ und dieſe hiedurch im Bewußtſein ihrer Macht noch mehr geſtärkt, ſprach es unumwunden aus, daß, falls nicht diejenigen, welche ſie vorſchlüge, die Ämter erhielten, ſie ſich im Reichstage Allem ohne Ausnahme widerſetzen würde. Noch kurz vor der Eröffnung deſſelben, verſuchten Brühl und ſein Schwiegerſohn Mniſzek ſich mit dem Primas und dem Krongroßfeldherrn, welchem letztern der Hof eine „beiſpielloſe Berückſichtigung“ hatte zu Theil werden laſſen, in einer Con- ferenz zu verſtändigen. Branicki wollte im Einverſtändniß mit den Czartoryski, daß der Palatin von Inowraclaw, Andreas Zamoyski, welcher durch ſeinen ehrenwerthen Character und ſeine Tüchtigkeit in Geſchäften, in der That die öffentliche Mei- nung für ſich hatte, das Amt des Kanzlers erhalte; aber Mniſzek wollte durchaus an deſſen Stelle den Kaſtellan von Poſen, Twardowski 1), und wie über dies Amt kam man auch über die andern zu keiner Einigung. Die Czartoryski erklärten nach wie vor, entweder alles oder nichts; ſie hätten niemanden vorgeſchlagen, der zu ihrer eigentlichen Familie gehöre, aber außer Zamoyski wollten ſie auch ihre andern Freunde berück- ſichtigt ſehen, und unter dieſen den Grafen Oginski für das Palatinat von Wilna, den Kaſtellan Broſtowski für den kleinen lithauiſchen Feldherrnſtab 2). Und wie über die Vertheilung der Ämter, ſo verhandelte man auch nach Herkommen bereits lange vorher über die Frage, wer zum Marſchall des Reichs- 1) Journal de la diète ordinaire de Varsovie 1762. Ein zweites etwas kürzer gefaßtes Journal übergab Stanislaw Poniatowski dem preußiſchen Reſidenten mit der Bitte, daſſelbe in die Berliner Zeitung einrücken zu laſſen; außerdem ſollte es auch in der von Utrecht erſcheinen. Beide im Geh. Staatsarchiv in Berlin. 2) Ebendaſ.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/171>, abgerufen am 21.11.2024.