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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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leicht als ich" -- schrieb er am 25. September nach Berlin --
"weiß, wie sehr er alle Ursache hat, mit der Stimmung
(sentiments) zufrieden zu sein, in welcher die Kaiserin gegen
ihn fortdauernd ist." In der That unterhielt Katharina,
seitdem sie den Thron bestiegen, nach wie vor einen vertrauten
Briefwechsel mit ihm. Sie hatte ihm oft wiederholt, daß ein
Mann ohne Ehrgeiz ihr nicht gefallen könne, und den seinigen
erweckt und gestachelt durch die Aussicht auf den Thron seines
Vaterlandes, welche sie zuerst ihm, der selbst bis dahin nie
daran gedacht hatte, eröffnete 1). Jetzt sandte sie ihm unter
dem 2./13. August einen sehr ausführlichen Bericht über die
Revolution, welche sie zum Thron geführt, und bat ihn in
diesem Moment nicht nach Petersburg zu kommen; sie habe
tausende von Rücksichten zu nehmen, werde aber für ihn und
seine Familie alles thun und den Grafen Keyserling als ihren
Gesandten nach Polen senden, um ihn, oder wenn dies nicht
durchzusetzen, den Prinzen Adam auf den Thron zu setzen 2).
Acht Tage darauf (9./20. August): er solle sich ruhig halten,
sich nicht beunruhigen, sie werde seine Familie schützen; schreiben
könne sie nicht, sie dürfe sich nicht verdächtig machen; wenn
man ihm von Aufregungen unter den Truppen erzähle, so
möge er wissen, daß das nur Excesse ihrer Liebe für sie wären,
welche bereits anfingen ihr lästig zu sein; sie stürben aus
Furcht, ihr könne das geringste passiren, und sie könne nicht
ihr Zimmer verlassen, ohne mit enthusiastischen Zurufen em-
pfangen zu werden; die Schlüssel zu den Chiffren ihres Brief-

1) Brief Poniatowski's an Katharina vom 2. November 1763 bei
Schmitt I, 373: "Vous vous souvenez, Madame, que vous avez ete
la premiere a m'offrir des vues d'ambition, dont je ne vous avais pas
parle. Vous m'avez dit souvent, qu'un homme sans ambition ne vous
plairait pas. Vous avez donc nourri la mienne par l'objet meme de
ma plus forte passion. Si j'ai desire le trone c'est que je vous y
voyais."
2) Dieser höchst interessante Bericht ist, wie alle ferner erwähnten Briefe
Katharina's, in den Memoires de Stanisl. Aug. Poniatowski. Posen
1862 gedruckt. Daß Mercy d'Argenteau den Briefwechsel vermittelt hat,
bestätigt aus dessen Depeschen Beer (Die erste Theilung Polens I, 67).

leicht als ich“ — ſchrieb er am 25. September nach Berlin —
„weiß, wie ſehr er alle Urſache hat, mit der Stimmung
(sentiments) zufrieden zu ſein, in welcher die Kaiſerin gegen
ihn fortdauernd iſt.“ In der That unterhielt Katharina,
ſeitdem ſie den Thron beſtiegen, nach wie vor einen vertrauten
Briefwechſel mit ihm. Sie hatte ihm oft wiederholt, daß ein
Mann ohne Ehrgeiz ihr nicht gefallen könne, und den ſeinigen
erweckt und geſtachelt durch die Ausſicht auf den Thron ſeines
Vaterlandes, welche ſie zuerſt ihm, der ſelbſt bis dahin nie
daran gedacht hatte, eröffnete 1). Jetzt ſandte ſie ihm unter
dem 2./13. Auguſt einen ſehr ausführlichen Bericht über die
Revolution, welche ſie zum Thron geführt, und bat ihn in
dieſem Moment nicht nach Petersburg zu kommen; ſie habe
tauſende von Rückſichten zu nehmen, werde aber für ihn und
ſeine Familie alles thun und den Grafen Keyſerling als ihren
Geſandten nach Polen ſenden, um ihn, oder wenn dies nicht
durchzuſetzen, den Prinzen Adam auf den Thron zu ſetzen 2).
Acht Tage darauf (9./20. Auguſt): er ſolle ſich ruhig halten,
ſich nicht beunruhigen, ſie werde ſeine Familie ſchützen; ſchreiben
könne ſie nicht, ſie dürfe ſich nicht verdächtig machen; wenn
man ihm von Aufregungen unter den Truppen erzähle, ſo
möge er wiſſen, daß das nur Exceſſe ihrer Liebe für ſie wären,
welche bereits anfingen ihr läſtig zu ſein; ſie ſtürben aus
Furcht, ihr könne das geringſte paſſiren, und ſie könne nicht
ihr Zimmer verlaſſen, ohne mit enthuſiaſtiſchen Zurufen em-
pfangen zu werden; die Schlüſſel zu den Chiffren ihres Brief-

1) Brief Poniatowski’s an Katharina vom 2. November 1763 bei
Schmitt I, 373: „Vous vous souvenez, Madame, que vous avez été
la première à m’offrir des vues d’ambition, dont je ne vous avais pas
parlé. Vous m’avez dit souvent, qu’un homme sans ambition ne vous
plairait pas. Vous avez donc nourri la mienne par l’objet meme de
ma plus forte passion. Si j’ai desiré le trône c’est que je vous y
voyais.“
2) Dieſer höchſt intereſſante Bericht iſt, wie alle ferner erwähnten Briefe
Katharina’s, in den Memoires de Stanisl. Aug. Poniatowski. Posen
1862 gedruckt. Daß Mercy d’Argenteau den Briefwechſel vermittelt hat,
beſtätigt aus deſſen Depeſchen Beer (Die erſte Theilung Polens I, 67).
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[153/0167] leicht als ich“ — ſchrieb er am 25. September nach Berlin — „weiß, wie ſehr er alle Urſache hat, mit der Stimmung (sentiments) zufrieden zu ſein, in welcher die Kaiſerin gegen ihn fortdauernd iſt.“ In der That unterhielt Katharina, ſeitdem ſie den Thron beſtiegen, nach wie vor einen vertrauten Briefwechſel mit ihm. Sie hatte ihm oft wiederholt, daß ein Mann ohne Ehrgeiz ihr nicht gefallen könne, und den ſeinigen erweckt und geſtachelt durch die Ausſicht auf den Thron ſeines Vaterlandes, welche ſie zuerſt ihm, der ſelbſt bis dahin nie daran gedacht hatte, eröffnete 1). Jetzt ſandte ſie ihm unter dem 2./13. Auguſt einen ſehr ausführlichen Bericht über die Revolution, welche ſie zum Thron geführt, und bat ihn in dieſem Moment nicht nach Petersburg zu kommen; ſie habe tauſende von Rückſichten zu nehmen, werde aber für ihn und ſeine Familie alles thun und den Grafen Keyſerling als ihren Geſandten nach Polen ſenden, um ihn, oder wenn dies nicht durchzuſetzen, den Prinzen Adam auf den Thron zu ſetzen 2). Acht Tage darauf (9./20. Auguſt): er ſolle ſich ruhig halten, ſich nicht beunruhigen, ſie werde ſeine Familie ſchützen; ſchreiben könne ſie nicht, ſie dürfe ſich nicht verdächtig machen; wenn man ihm von Aufregungen unter den Truppen erzähle, ſo möge er wiſſen, daß das nur Exceſſe ihrer Liebe für ſie wären, welche bereits anfingen ihr läſtig zu ſein; ſie ſtürben aus Furcht, ihr könne das geringſte paſſiren, und ſie könne nicht ihr Zimmer verlaſſen, ohne mit enthuſiaſtiſchen Zurufen em- pfangen zu werden; die Schlüſſel zu den Chiffren ihres Brief- 1) Brief Poniatowski’s an Katharina vom 2. November 1763 bei Schmitt I, 373: „Vous vous souvenez, Madame, que vous avez été la première à m’offrir des vues d’ambition, dont je ne vous avais pas parlé. Vous m’avez dit souvent, qu’un homme sans ambition ne vous plairait pas. Vous avez donc nourri la mienne par l’objet meme de ma plus forte passion. Si j’ai desiré le trône c’est que je vous y voyais.“ 2) Dieſer höchſt intereſſante Bericht iſt, wie alle ferner erwähnten Briefe Katharina’s, in den Memoires de Stanisl. Aug. Poniatowski. Posen 1862 gedruckt. Daß Mercy d’Argenteau den Briefwechſel vermittelt hat, beſtätigt aus deſſen Depeſchen Beer (Die erſte Theilung Polens I, 67).

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/167>, abgerufen am 24.11.2024.