eigenhändigen Briefe (16. August 1762) um Friedrichs Für- sprache in Petersburg, damit Katharina, die sich für die Czar- toryskis interessire, ihm nicht entgegen sei 1).
Wie herkömmlich ward die schließliche Verleihung der großen Würden und Ämter bis auf den in diesem Jahr bevorstehenden ordentlichen Reichstag ausgesetzt, zu dem der König unter dem 31. Mai die üblichen Universalien erließ. Er schlug in ihnen, wie schon einmal früher, einen höchst beweglichen Ton an. Nachdem er darüber geklagt, daß alle seine Bemühungen für die Wohlfahrt der Republik ohne seine Schuld gescheitert wären, sprach er aus, daß ihm "endlich die Lust vergehen müsse, in den öffentlichen Angelegenheiten des Staats nach Rath zu suchen", daß er aber dennoch den Reichstag berufe in der Hoffnung, "es werde doch endlich die erwünschte Zeit kommen, das Vaterland zu beleben, in dem man wegen des von einem wider den andern gefaßten Widerwillens bisher alle Hoffnung aufgeben müssen, etwas zum allgemeinen Besten zu Stande gebracht zu sehen 2). Solchergestalt waren Regierung und Nation mit den ersten Vorbereitungen zu den Reichstags- wahlen beschäftigt, als, den meisten unerwartet, ein Ereigniß eintrat, dessen Bedeutung für die Geschicke beider gleich im ersten Moment, wenn auch nicht in seiner ganzen Tragweite erkannt, so doch im allgemeinen gefühlt ward.
Am 9. Juli stürzte Katharina ihren Gemahl vom Thron und erhob sich zur Selbstherrscherin aller Reussen. Am 16. oder 17. d. M. war die erste Nachricht davon in Warschau. Brühl hatte sie auf einem Nebenwege erhalten, zugleich mit der Mittheilung, daß die auf dem Rückmarsch im polnischen Preußen befindlichen russischen Truppen Halt machen sollten. War es Wahrheit oder Diplomatie, daß er seinen König sofort an deren Commandirenden Soltikoff schreiben ließ, er hoffe zuversichtlich, "bei der sich durch die augenscheinliche Fügung des Allerhöchsten kürzlich ergebenen großen Veränderung im
1)Stolterfoth a. a. O., S. 786--792. 799. Benoit, Bericht vom 2. u. 7. Juni.
2)Stolterfoth a. a. O., S. 793--796.
eigenhändigen Briefe (16. Auguſt 1762) um Friedrichs Für- ſprache in Petersburg, damit Katharina, die ſich für die Czar- toryskis intereſſire, ihm nicht entgegen ſei 1).
Wie herkömmlich ward die ſchließliche Verleihung der großen Würden und Ämter bis auf den in dieſem Jahr bevorſtehenden ordentlichen Reichstag ausgeſetzt, zu dem der König unter dem 31. Mai die üblichen Univerſalien erließ. Er ſchlug in ihnen, wie ſchon einmal früher, einen höchſt beweglichen Ton an. Nachdem er darüber geklagt, daß alle ſeine Bemühungen für die Wohlfahrt der Republik ohne ſeine Schuld geſcheitert wären, ſprach er aus, daß ihm „endlich die Luſt vergehen müſſe, in den öffentlichen Angelegenheiten des Staats nach Rath zu ſuchen“, daß er aber dennoch den Reichstag berufe in der Hoffnung, „es werde doch endlich die erwünſchte Zeit kommen, das Vaterland zu beleben, in dem man wegen des von einem wider den andern gefaßten Widerwillens bisher alle Hoffnung aufgeben müſſen, etwas zum allgemeinen Beſten zu Stande gebracht zu ſehen 2). Solchergeſtalt waren Regierung und Nation mit den erſten Vorbereitungen zu den Reichstags- wahlen beſchäftigt, als, den meiſten unerwartet, ein Ereigniß eintrat, deſſen Bedeutung für die Geſchicke beider gleich im erſten Moment, wenn auch nicht in ſeiner ganzen Tragweite erkannt, ſo doch im allgemeinen gefühlt ward.
Am 9. Juli ſtürzte Katharina ihren Gemahl vom Thron und erhob ſich zur Selbſtherrſcherin aller Reuſſen. Am 16. oder 17. d. M. war die erſte Nachricht davon in Warſchau. Brühl hatte ſie auf einem Nebenwege erhalten, zugleich mit der Mittheilung, daß die auf dem Rückmarſch im polniſchen Preußen befindlichen ruſſiſchen Truppen Halt machen ſollten. War es Wahrheit oder Diplomatie, daß er ſeinen König ſofort an deren Commandirenden Soltikoff ſchreiben ließ, er hoffe zuverſichtlich, „bei der ſich durch die augenſcheinliche Fügung des Allerhöchſten kürzlich ergebenen großen Veränderung im
1)Stolterfoth a. a. O., S. 786—792. 799. Benoit, Bericht vom 2. u. 7. Juni.
2)Stolterfoth a. a. O., S. 793—796.
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eigenhändigen Briefe (16. Auguſt 1762) um Friedrichs Für-
ſprache in Petersburg, damit Katharina, die ſich für die Czar-
toryskis intereſſire, ihm nicht entgegen ſei 1).
Wie herkömmlich ward die ſchließliche Verleihung der großen
Würden und Ämter bis auf den in dieſem Jahr bevorſtehenden
ordentlichen Reichstag ausgeſetzt, zu dem der König unter dem
31. Mai die üblichen Univerſalien erließ. Er ſchlug in ihnen,
wie ſchon einmal früher, einen höchſt beweglichen Ton an.
Nachdem er darüber geklagt, daß alle ſeine Bemühungen für
die Wohlfahrt der Republik ohne ſeine Schuld geſcheitert
wären, ſprach er aus, daß ihm „endlich die Luſt vergehen
müſſe, in den öffentlichen Angelegenheiten des Staats nach
Rath zu ſuchen“, daß er aber dennoch den Reichstag berufe
in der Hoffnung, „es werde doch endlich die erwünſchte Zeit
kommen, das Vaterland zu beleben, in dem man wegen des
von einem wider den andern gefaßten Widerwillens bisher alle
Hoffnung aufgeben müſſen, etwas zum allgemeinen Beſten zu
Stande gebracht zu ſehen 2). Solchergeſtalt waren Regierung
und Nation mit den erſten Vorbereitungen zu den Reichstags-
wahlen beſchäftigt, als, den meiſten unerwartet, ein Ereigniß
eintrat, deſſen Bedeutung für die Geſchicke beider gleich im
erſten Moment, wenn auch nicht in ſeiner ganzen Tragweite
erkannt, ſo doch im allgemeinen gefühlt ward.
Am 9. Juli ſtürzte Katharina ihren Gemahl vom Thron
und erhob ſich zur Selbſtherrſcherin aller Reuſſen. Am 16.
oder 17. d. M. war die erſte Nachricht davon in Warſchau.
Brühl hatte ſie auf einem Nebenwege erhalten, zugleich mit
der Mittheilung, daß die auf dem Rückmarſch im polniſchen
Preußen befindlichen ruſſiſchen Truppen Halt machen ſollten.
War es Wahrheit oder Diplomatie, daß er ſeinen König ſofort
an deren Commandirenden Soltikoff ſchreiben ließ, er hoffe
zuverſichtlich, „bei der ſich durch die augenſcheinliche Fügung
des Allerhöchſten kürzlich ergebenen großen Veränderung im
1) Stolterfoth a. a. O., S. 786—792. 799. Benoit, Bericht
vom 2. u. 7. Juni.
2) Stolterfoth a. a. O., S. 793—796.
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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/165>, abgerufen am 16.02.2025.
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