Am 5. Januar 1762 starb die Kaiserin Elisabeth, am 16ten war die Nachricht in Warschau. Sie versetzte den Hof in die äußerste Bestürzung. Zwar tröstete sich Brühl anfangs -- wie er an seinen Vertrauten Riedesel schrieb -- durch die in dem Notificationsschreiben des neuen Kaisers gegebenen "freundschaftlichen" Versicherungen 1), konnte sich aber dabei doch nicht verhehlen, daß ein Wechsel der russischen Politik höchst wahrscheinlich eintreten werde. Die langsam einander folgenden Entschließungen und Maßnahmen Peter III. hielten ihn in lebhafter Spannung, bis dessen Declaration vom 1. Februar ihm die Gewißheit gab, daß dieser dem langen Kriege ein Ende setzen wolle. In seiner Antwort nach Peters- burg ging er sofort auf den Friedensgedanken, der "eines so großen Monarchen würdig sei", mit der Erklärung ein, daß sein König zum Frieden auf billige Bedingungen bereit sei, und hiedurch den Beweis liefere, mit welchem Eifer er allezeit die Alliance "cultiviren" werde, welche sein Haus seit 60 Jahren mit dem Peter des Großen verbinde. Gleichzeitig ward Brühls ältester Sohn nach Petersburg gesandt; er sollte den Kaiser begrüßen und um die Unterstützung Rußlands, sowohl in Be-
1)Benoit, Dep. vom 16. Januar. Brühls Schreiben vom 18. d. M. in v. Eelkings Corresp., S. 363.
8. Die Kriſen von 1762 und 1763. Tod Auguſt III.
Am 5. Januar 1762 ſtarb die Kaiſerin Eliſabeth, am 16ten war die Nachricht in Warſchau. Sie verſetzte den Hof in die äußerſte Beſtürzung. Zwar tröſtete ſich Brühl anfangs — wie er an ſeinen Vertrauten Riedeſel ſchrieb — durch die in dem Notificationsſchreiben des neuen Kaiſers gegebenen „freundſchaftlichen“ Verſicherungen 1), konnte ſich aber dabei doch nicht verhehlen, daß ein Wechſel der ruſſiſchen Politik höchſt wahrſcheinlich eintreten werde. Die langſam einander folgenden Entſchließungen und Maßnahmen Peter III. hielten ihn in lebhafter Spannung, bis deſſen Declaration vom 1. Februar ihm die Gewißheit gab, daß dieſer dem langen Kriege ein Ende ſetzen wolle. In ſeiner Antwort nach Peters- burg ging er ſofort auf den Friedensgedanken, der „eines ſo großen Monarchen würdig ſei“, mit der Erklärung ein, daß ſein König zum Frieden auf billige Bedingungen bereit ſei, und hiedurch den Beweis liefere, mit welchem Eifer er allezeit die Alliance „cultiviren“ werde, welche ſein Haus ſeit 60 Jahren mit dem Peter des Großen verbinde. Gleichzeitig ward Brühls älteſter Sohn nach Petersburg geſandt; er ſollte den Kaiſer begrüßen und um die Unterſtützung Rußlands, ſowohl in Be-
1)Benoit, Dep. vom 16. Januar. Brühls Schreiben vom 18. d. M. in v. Eelkings Correſp., S. 363.
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8. Die Kriſen von 1762 und 1763. Tod
Auguſt III.
Am 5. Januar 1762 ſtarb die Kaiſerin Eliſabeth, am
16ten war die Nachricht in Warſchau. Sie verſetzte den Hof
in die äußerſte Beſtürzung. Zwar tröſtete ſich Brühl anfangs
— wie er an ſeinen Vertrauten Riedeſel ſchrieb — durch die
in dem Notificationsſchreiben des neuen Kaiſers gegebenen
„freundſchaftlichen“ Verſicherungen 1), konnte ſich aber dabei
doch nicht verhehlen, daß ein Wechſel der ruſſiſchen Politik
höchſt wahrſcheinlich eintreten werde. Die langſam einander
folgenden Entſchließungen und Maßnahmen Peter III. hielten
ihn in lebhafter Spannung, bis deſſen Declaration vom
1. Februar ihm die Gewißheit gab, daß dieſer dem langen
Kriege ein Ende ſetzen wolle. In ſeiner Antwort nach Peters-
burg ging er ſofort auf den Friedensgedanken, der „eines ſo
großen Monarchen würdig ſei“, mit der Erklärung ein, daß
ſein König zum Frieden auf billige Bedingungen bereit ſei,
und hiedurch den Beweis liefere, mit welchem Eifer er allezeit
die Alliance „cultiviren“ werde, welche ſein Haus ſeit 60 Jahren
mit dem Peter des Großen verbinde. Gleichzeitig ward Brühls
älteſter Sohn nach Petersburg geſandt; er ſollte den Kaiſer
begrüßen und um die Unterſtützung Rußlands, ſowohl in Be-
1) Benoit, Dep. vom 16. Januar. Brühls Schreiben vom 18.
d. M. in v. Eelkings Correſp., S. 363.
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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. [146]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/160>, abgerufen am 16.02.2025.
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