beider Staaten merklich abgenommen habe, und daß dies wahr- scheinlich seinen Grund nur in einer mangelhaften Information der Kaiserin in Betreff der polnischen Dinge fände. Es sei zur Besserung vor allem nothwendig, von neuem die Consti- tutionen von 1717 nachdrücklich zur Anwendung zu bringen, welche Polen Peter dem Großen verdanke und auf deren Er- haltung die Ruhe, Freiheit und Wohlfahrt der Republik be- ruhe. "Unser Vaterland", fuhren die Czartoryski fort, "würde die Kaiserin preisen, wenn sie das Bestehen desselben mit den wirklichen Interessen ihres Reiches so fest verbände, daß keine Veränderung in der Republik ohne Einverständniß mit Ruß- land stattfinden könnte." Sie schilderten dann, wie Brühl und Mniszek im Besitz des unbegränzten Vertrauens des Königs, den Einfluß aller andern so weit zurückgedrängt hätten, daß, wer sich nicht ihnen anschließe, gleichsam in der Acht lebe. Der Senat sei verachtet, der größere Theil seiner Mitglieder neige sich auf die Seite, von welcher der Wind wehe; es sei mit einem Wort kein Gegengewicht mehr gegen die Parthei vorhanden, welche sich unter dem Einfluß Frankreichs durch die Verbindung der Feldherren mit der Krone gebildet habe. Auf einem der letzten Reichstage wären gegen 100,000 poln. Gulden durch den französischen Gesandten vertheilt worden, ganz abge- sehen noch von den Pensionen, welche eine große Zahl einfluß- reicher Personen aus derselben Quelle bezögen. Es sei daher sowohl im Interesse Rußlands, wie in dem der Republik dringend nothwendig, daß die Kaiserin jenem einseitigen Treiben kräftig entgegenwirke, wozu sie nach den Verträgen, in welchen sie mit der Republik stehe, ein volles Recht besitze.
In Betreff der Mittel aber, welche der Hof von Peters- burg zur Kräftigung seines Einflusses anzuwenden habe, kamen die Czartoryski in allen Unterredungen immer darauf zurück, daß "wie in allen Freistaaten, so insbesondere in Polen ohne Geld nichts zu machen sei". Im Verlaufe zweier Jahre, sagte der Kanzler, hätten sein Bruder und seine Schwiegersöhne Sapieha und Flemming über 100,000 Albertusthaler geopfert, um den Intriguen Frankreichs entgegenzuwirken; unmöglich
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beider Staaten merklich abgenommen habe, und daß dies wahr- ſcheinlich ſeinen Grund nur in einer mangelhaften Information der Kaiſerin in Betreff der polniſchen Dinge fände. Es ſei zur Beſſerung vor allem nothwendig, von neuem die Conſti- tutionen von 1717 nachdrücklich zur Anwendung zu bringen, welche Polen Peter dem Großen verdanke und auf deren Er- haltung die Ruhe, Freiheit und Wohlfahrt der Republik be- ruhe. „Unſer Vaterland“, fuhren die Czartoryski fort, „würde die Kaiſerin preiſen, wenn ſie das Beſtehen deſſelben mit den wirklichen Intereſſen ihres Reiches ſo feſt verbände, daß keine Veränderung in der Republik ohne Einverſtändniß mit Ruß- land ſtattfinden könnte.“ Sie ſchilderten dann, wie Brühl und Mniszek im Beſitz des unbegränzten Vertrauens des Königs, den Einfluß aller andern ſo weit zurückgedrängt hätten, daß, wer ſich nicht ihnen anſchließe, gleichſam in der Acht lebe. Der Senat ſei verachtet, der größere Theil ſeiner Mitglieder neige ſich auf die Seite, von welcher der Wind wehe; es ſei mit einem Wort kein Gegengewicht mehr gegen die Parthei vorhanden, welche ſich unter dem Einfluß Frankreichs durch die Verbindung der Feldherren mit der Krone gebildet habe. Auf einem der letzten Reichstage wären gegen 100,000 poln. Gulden durch den franzöſiſchen Geſandten vertheilt worden, ganz abge- ſehen noch von den Penſionen, welche eine große Zahl einfluß- reicher Perſonen aus derſelben Quelle bezögen. Es ſei daher ſowohl im Intereſſe Rußlands, wie in dem der Republik dringend nothwendig, daß die Kaiſerin jenem einſeitigen Treiben kräftig entgegenwirke, wozu ſie nach den Verträgen, in welchen ſie mit der Republik ſtehe, ein volles Recht beſitze.
In Betreff der Mittel aber, welche der Hof von Peters- burg zur Kräftigung ſeines Einfluſſes anzuwenden habe, kamen die Czartoryski in allen Unterredungen immer darauf zurück, daß „wie in allen Freiſtaaten, ſo insbeſondere in Polen ohne Geld nichts zu machen ſei“. Im Verlaufe zweier Jahre, ſagte der Kanzler, hätten ſein Bruder und ſeine Schwiegerſöhne Sapieha und Flemming über 100,000 Albertusthaler geopfert, um den Intriguen Frankreichs entgegenzuwirken; unmöglich
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beider Staaten merklich abgenommen habe, und daß dies wahr-
ſcheinlich ſeinen Grund nur in einer mangelhaften Information
der Kaiſerin in Betreff der polniſchen Dinge fände. Es ſei
zur Beſſerung vor allem nothwendig, von neuem die Conſti-
tutionen von 1717 nachdrücklich zur Anwendung zu bringen,
welche Polen Peter dem Großen verdanke und auf deren Er-
haltung die Ruhe, Freiheit und Wohlfahrt der Republik be-
ruhe. „Unſer Vaterland“, fuhren die Czartoryski fort, „würde
die Kaiſerin preiſen, wenn ſie das Beſtehen deſſelben mit den
wirklichen Intereſſen ihres Reiches ſo feſt verbände, daß keine
Veränderung in der Republik ohne Einverſtändniß mit Ruß-
land ſtattfinden könnte.“ Sie ſchilderten dann, wie Brühl und
Mniszek im Beſitz des unbegränzten Vertrauens des Königs,
den Einfluß aller andern ſo weit zurückgedrängt hätten, daß,
wer ſich nicht ihnen anſchließe, gleichſam in der Acht lebe.
Der Senat ſei verachtet, der größere Theil ſeiner Mitglieder
neige ſich auf die Seite, von welcher der Wind wehe; es ſei
mit einem Wort kein Gegengewicht mehr gegen die Parthei
vorhanden, welche ſich unter dem Einfluß Frankreichs durch die
Verbindung der Feldherren mit der Krone gebildet habe. Auf
einem der letzten Reichstage wären gegen 100,000 poln. Gulden
durch den franzöſiſchen Geſandten vertheilt worden, ganz abge-
ſehen noch von den Penſionen, welche eine große Zahl einfluß-
reicher Perſonen aus derſelben Quelle bezögen. Es ſei daher
ſowohl im Intereſſe Rußlands, wie in dem der Republik
dringend nothwendig, daß die Kaiſerin jenem einſeitigen Treiben
kräftig entgegenwirke, wozu ſie nach den Verträgen, in welchen
ſie mit der Republik ſtehe, ein volles Recht beſitze.
In Betreff der Mittel aber, welche der Hof von Peters-
burg zur Kräftigung ſeines Einfluſſes anzuwenden habe, kamen
die Czartoryski in allen Unterredungen immer darauf zurück,
daß „wie in allen Freiſtaaten, ſo insbeſondere in Polen ohne
Geld nichts zu machen ſei“. Im Verlaufe zweier Jahre, ſagte
der Kanzler, hätten ſein Bruder und ſeine Schwiegerſöhne
Sapieha und Flemming über 100,000 Albertusthaler geopfert,
um den Intriguen Frankreichs entgegenzuwirken; unmöglich
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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/129>, abgerufen am 16.02.2025.
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