Radzivil-Birz-Sluck, endlich, wenn auch von diesem keiner vor- handen sei, auf den Orden der Malteser übergehen. Andert- halbtausend Dörfer, Städtchen und Städte gehörten zum Or- dinat; die einen waren so zu sagen die Tischgüter des jedes- maligen Ordinatsherrn, die andern wurden an den Adel zu theils lebenslänglicher, theils zeitweiliger Pacht ausgethan. Nach des Stifters Tode ging das Ordinat, da er keinen Sohn hinterließ, an die Fürsten Zaslawski über; von diesen kam es, als ihr Mannsstamm im Jahre 1673 ausstarb, und die von dem Stifter für diesen Fall zur Succession berufene Linie der Radzivil gleichfalls erloschen war, an den Sohn der Schwester des letzten Zaslawski und des Hofmarschalls Lubomirski, dessen männliche Nachkommenschaft wiederum 1720 mit Alexander, Starost von Sandomir, ausstarb. Schon im Jahre 1673 hatte ein Mitglied des Malteserordens, Hieronymus Augustin Fürst Lubomirski, Administrator der Abtei Tyniec, das An- recht des Ordens geltend zu machen versucht, welches jetzt August Czartoryski, der vielleicht grade im Hinblick auf das- selbe in den Orden getreten war, durchzusetzen sich bemühte. Als Generalbevollmächtigter des Ordens verbreitete er im Lande gedruckte gründliche Informationen, wahrscheinlich in der Hoffnung als Prior oder Commandeur in dem Ordinat seine lebenslängliche reiche Versorgung zu finden. Andrerseits erhob der Fürst Paul Sangußko, der mit der Schwester Alexander Lubomirski's verheirathet war, auf diese Verwandtschaft ge- stützte Ansprüche und setzte sich mit Waffengewalt in Besitz. Allein König August II., der das Ordinat am liebsten für die Krone eingezogen hätte, jedenfalls aber dasselbe in ihm zuver- läßigen Händen sehen wollte, erklärte sich entschieden gegen die Ansprüche beider Prätendenten, und sandte den General Po- niatowski und Jan Tarlo, den Woiwoden von Lublin, nach Dubno, der Hauptfeste des Ordinats, um diese und sämtliche Güter unter den Sequester der Krone zu nehmen. Auf die Nachricht, daß Sanguszko sich in Besitz gesetzt, war sein erster Gedanke, diesen mit Gewalt zu vertreiben; er unterließ es je- doch bei reiferer Überlegung, und seine Bevollmächtigten schlossen
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Radzivil-Birz-Sluck, endlich, wenn auch von dieſem keiner vor- handen ſei, auf den Orden der Malteſer übergehen. Andert- halbtauſend Dörfer, Städtchen und Städte gehörten zum Or- dinat; die einen waren ſo zu ſagen die Tiſchgüter des jedes- maligen Ordinatsherrn, die andern wurden an den Adel zu theils lebenslänglicher, theils zeitweiliger Pacht ausgethan. Nach des Stifters Tode ging das Ordinat, da er keinen Sohn hinterließ, an die Fürſten Zaslawski über; von dieſen kam es, als ihr Mannsſtamm im Jahre 1673 ausſtarb, und die von dem Stifter für dieſen Fall zur Succeſſion berufene Linie der Radzivil gleichfalls erloſchen war, an den Sohn der Schweſter des letzten Zaslawski und des Hofmarſchalls Lubomirski, deſſen männliche Nachkommenſchaft wiederum 1720 mit Alexander, Staroſt von Sandomir, ausſtarb. Schon im Jahre 1673 hatte ein Mitglied des Malteſerordens, Hieronymus Auguſtin Fürſt Lubomirski, Adminiſtrator der Abtei Tyniec, das An- recht des Ordens geltend zu machen verſucht, welches jetzt Auguſt Czartoryski, der vielleicht grade im Hinblick auf das- ſelbe in den Orden getreten war, durchzuſetzen ſich bemühte. Als Generalbevollmächtigter des Ordens verbreitete er im Lande gedruckte gründliche Informationen, wahrſcheinlich in der Hoffnung als Prior oder Commandeur in dem Ordinat ſeine lebenslängliche reiche Verſorgung zu finden. Andrerſeits erhob der Fürſt Paul Sanguſzko, der mit der Schweſter Alexander Lubomirski’s verheirathet war, auf dieſe Verwandtſchaft ge- ſtützte Anſprüche und ſetzte ſich mit Waffengewalt in Beſitz. Allein König Auguſt II., der das Ordinat am liebſten für die Krone eingezogen hätte, jedenfalls aber daſſelbe in ihm zuver- läßigen Händen ſehen wollte, erklärte ſich entſchieden gegen die Anſprüche beider Prätendenten, und ſandte den General Po- niatowski und Jan Tarlo, den Woiwoden von Lublin, nach Dubno, der Hauptfeſte des Ordinats, um dieſe und ſämtliche Güter unter den Sequeſter der Krone zu nehmen. Auf die Nachricht, daß Sanguszko ſich in Beſitz geſetzt, war ſein erſter Gedanke, dieſen mit Gewalt zu vertreiben; er unterließ es je- doch bei reiferer Überlegung, und ſeine Bevollmächtigten ſchloſſen
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Radzivil-Birz-Sluck, endlich, wenn auch von dieſem keiner vor-
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dinat; die einen waren ſo zu ſagen die Tiſchgüter des jedes-
maligen Ordinatsherrn, die andern wurden an den Adel zu
theils lebenslänglicher, theils zeitweiliger Pacht ausgethan. Nach
des Stifters Tode ging das Ordinat, da er keinen Sohn
hinterließ, an die Fürſten Zaslawski über; von dieſen kam es,
als ihr Mannsſtamm im Jahre 1673 ausſtarb, und die von
dem Stifter für dieſen Fall zur Succeſſion berufene Linie der
Radzivil gleichfalls erloſchen war, an den Sohn der Schweſter
des letzten Zaslawski und des Hofmarſchalls Lubomirski, deſſen
männliche Nachkommenſchaft wiederum 1720 mit Alexander,
Staroſt von Sandomir, ausſtarb. Schon im Jahre 1673
hatte ein Mitglied des Malteſerordens, Hieronymus Auguſtin
Fürſt Lubomirski, Adminiſtrator der Abtei Tyniec, das An-
recht des Ordens geltend zu machen verſucht, welches jetzt
Auguſt Czartoryski, der vielleicht grade im Hinblick auf das-
ſelbe in den Orden getreten war, durchzuſetzen ſich bemühte.
Als Generalbevollmächtigter des Ordens verbreitete er im
Lande gedruckte gründliche Informationen, wahrſcheinlich in der
Hoffnung als Prior oder Commandeur in dem Ordinat ſeine
lebenslängliche reiche Verſorgung zu finden. Andrerſeits erhob
der Fürſt Paul Sanguſzko, der mit der Schweſter Alexander
Lubomirski’s verheirathet war, auf dieſe Verwandtſchaft ge-
ſtützte Anſprüche und ſetzte ſich mit Waffengewalt in Beſitz.
Allein König Auguſt II., der das Ordinat am liebſten für die
Krone eingezogen hätte, jedenfalls aber daſſelbe in ihm zuver-
läßigen Händen ſehen wollte, erklärte ſich entſchieden gegen die
Anſprüche beider Prätendenten, und ſandte den General Po-
niatowski und Jan Tarlo, den Woiwoden von Lublin, nach
Dubno, der Hauptfeſte des Ordinats, um dieſe und ſämtliche
Güter unter den Sequeſter der Krone zu nehmen. Auf die
Nachricht, daß Sanguszko ſich in Beſitz geſetzt, war ſein erſter
Gedanke, dieſen mit Gewalt zu vertreiben; er unterließ es je-
doch bei reiferer Überlegung, und ſeine Bevollmächtigten ſchloſſen
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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/113>, abgerufen am 16.07.2024.
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