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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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ein Gegenmanifest für überflüßig. Ihrer Ansicht nach käme
es nur darauf an, dem Krongroßfeldherrn die Augen zu
öffnen und ihn zum Rücktritt von dem Manifest zu bewegen.
Der Palatin von Smolensk übernahm es, den Versuch zu
machen. Er eilte sofort zum Krongroßfeldherrn, bei welchem
er den Großkanzler traf und setzte in Gegenwart desselben dem
General auseinander, daß das Manifest, das er unterschrieben,
der Anfang einer Conföderation sei, daß man sein Vertrauen
schmählich getäuscht und ihn zu einem Schritt verleitet habe,
der seine Ehre als Patriot in Frage stelle. Branicki, von
Natur und durch Alter schwach und unentschieden, gerieth in
die größte Bestürzung, und als der Kanzler sich der für ihn
peinlichen Scene entzogen hatte, beschwor jener den Palatin,
ihm das Manifest wieder zu verschaffen. Nun erst trat
Mokranowski ein, und wurde von Branicki mit den wärmsten
Dankesworten empfangen. Das Manifest ward zerrissen und
die Conföderation, welche auf Grund desselben auf den Relations-
landtagen ins Leben gerufen werden sollte, war im Keime
erstickt 1).

Es war die erste große Niederlage, welche die "Familie"
erlitt, um so schmerzlicher für sie, als der Abfall Branicki's
von ihr sie herbeiführte. "Wir werden" -- schrieb Maltzahn
triumphirend nach Hause -- "den Krongroßfeldherrn für immer
mit den Czartoryskis und deren Faction auseinander bringen."
Bald folgte eine zweite für sie noch empfindlichere. Im Spät-
herbst 1752 war Graf Broglie mit dem Hofe nach Dresden ge-
gangen. Von dort setzte er seine Bemühungen, die große nor-
dische Liga gegen Rußland und Östreich zu Stande zu bringen,
unermüdlich fort. Mit den französischen Gesandten in Kopen-
hagen, Stockholm und Constantinopel stand er in unausgesetzter
Correspondenz, und da Polen so zu sagen das Pivot der Liga
sein sollte, so sparte er keine Mühe und kein Geld, die Parthei
Frankreichs dort zu vergrößern und zu stärken. Seine Stel-

1) Maltzahns ausführliche Berichte vom 28. Oct. und 8. Novbr.,
neben welchen sich die Darstellung Rulhiere's von diesem Vorgange nicht
aufrecht erhalten läßt.

ein Gegenmanifeſt für überflüßig. Ihrer Anſicht nach käme
es nur darauf an, dem Krongroßfeldherrn die Augen zu
öffnen und ihn zum Rücktritt von dem Manifeſt zu bewegen.
Der Palatin von Smolensk übernahm es, den Verſuch zu
machen. Er eilte ſofort zum Krongroßfeldherrn, bei welchem
er den Großkanzler traf und ſetzte in Gegenwart deſſelben dem
General auseinander, daß das Manifeſt, das er unterſchrieben,
der Anfang einer Conföderation ſei, daß man ſein Vertrauen
ſchmählich getäuſcht und ihn zu einem Schritt verleitet habe,
der ſeine Ehre als Patriot in Frage ſtelle. Branicki, von
Natur und durch Alter ſchwach und unentſchieden, gerieth in
die größte Beſtürzung, und als der Kanzler ſich der für ihn
peinlichen Scene entzogen hatte, beſchwor jener den Palatin,
ihm das Manifeſt wieder zu verſchaffen. Nun erſt trat
Mokranowski ein, und wurde von Branicki mit den wärmſten
Dankesworten empfangen. Das Manifeſt ward zerriſſen und
die Conföderation, welche auf Grund deſſelben auf den Relations-
landtagen ins Leben gerufen werden ſollte, war im Keime
erſtickt 1).

Es war die erſte große Niederlage, welche die „Familie“
erlitt, um ſo ſchmerzlicher für ſie, als der Abfall Branicki’s
von ihr ſie herbeiführte. „Wir werden“ — ſchrieb Maltzahn
triumphirend nach Hauſe — „den Krongroßfeldherrn für immer
mit den Czartoryskis und deren Faction auseinander bringen.“
Bald folgte eine zweite für ſie noch empfindlichere. Im Spät-
herbſt 1752 war Graf Broglie mit dem Hofe nach Dresden ge-
gangen. Von dort ſetzte er ſeine Bemühungen, die große nor-
diſche Liga gegen Rußland und Öſtreich zu Stande zu bringen,
unermüdlich fort. Mit den franzöſiſchen Geſandten in Kopen-
hagen, Stockholm und Conſtantinopel ſtand er in unausgeſetzter
Correſpondenz, und da Polen ſo zu ſagen das Pivot der Liga
ſein ſollte, ſo ſparte er keine Mühe und kein Geld, die Parthei
Frankreichs dort zu vergrößern und zu ſtärken. Seine Stel-

1) Maltzahns ausführliche Berichte vom 28. Oct. und 8. Novbr.,
neben welchen ſich die Darſtellung Rulhiere’s von dieſem Vorgange nicht
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[96/0110] ein Gegenmanifeſt für überflüßig. Ihrer Anſicht nach käme es nur darauf an, dem Krongroßfeldherrn die Augen zu öffnen und ihn zum Rücktritt von dem Manifeſt zu bewegen. Der Palatin von Smolensk übernahm es, den Verſuch zu machen. Er eilte ſofort zum Krongroßfeldherrn, bei welchem er den Großkanzler traf und ſetzte in Gegenwart deſſelben dem General auseinander, daß das Manifeſt, das er unterſchrieben, der Anfang einer Conföderation ſei, daß man ſein Vertrauen ſchmählich getäuſcht und ihn zu einem Schritt verleitet habe, der ſeine Ehre als Patriot in Frage ſtelle. Branicki, von Natur und durch Alter ſchwach und unentſchieden, gerieth in die größte Beſtürzung, und als der Kanzler ſich der für ihn peinlichen Scene entzogen hatte, beſchwor jener den Palatin, ihm das Manifeſt wieder zu verſchaffen. Nun erſt trat Mokranowski ein, und wurde von Branicki mit den wärmſten Dankesworten empfangen. Das Manifeſt ward zerriſſen und die Conföderation, welche auf Grund deſſelben auf den Relations- landtagen ins Leben gerufen werden ſollte, war im Keime erſtickt 1). Es war die erſte große Niederlage, welche die „Familie“ erlitt, um ſo ſchmerzlicher für ſie, als der Abfall Branicki’s von ihr ſie herbeiführte. „Wir werden“ — ſchrieb Maltzahn triumphirend nach Hauſe — „den Krongroßfeldherrn für immer mit den Czartoryskis und deren Faction auseinander bringen.“ Bald folgte eine zweite für ſie noch empfindlichere. Im Spät- herbſt 1752 war Graf Broglie mit dem Hofe nach Dresden ge- gangen. Von dort ſetzte er ſeine Bemühungen, die große nor- diſche Liga gegen Rußland und Öſtreich zu Stande zu bringen, unermüdlich fort. Mit den franzöſiſchen Geſandten in Kopen- hagen, Stockholm und Conſtantinopel ſtand er in unausgeſetzter Correſpondenz, und da Polen ſo zu ſagen das Pivot der Liga ſein ſollte, ſo ſparte er keine Mühe und kein Geld, die Parthei Frankreichs dort zu vergrößern und zu ſtärken. Seine Stel- 1) Maltzahns ausführliche Berichte vom 28. Oct. und 8. Novbr., neben welchen ſich die Darſtellung Rulhiere’s von dieſem Vorgange nicht aufrecht erhalten läßt.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/110>, abgerufen am 24.11.2024.